Verlorener Sohn. Brennan Manning
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Sein Vater ließ den Arm fallen und steckte das Handy in die Tasche. In seinen Augen standen Tränen.
Jack hatte seinen Vater noch nie weinen sehen, nicht einmal bei der Beerdigung seiner Schwester oder seiner Mutter. Er war zu stark dafür, zu distanziert. Er war ein Felsen. Eine Insel.
Und doch lief ihm da eine Träne die Wange herunter.
Jack blinzelte. War es der Tequila? War dies nur ein weiteres Kapitel seines Traumes?
Aber er konnte das Gewicht der Flasche in seiner Hand spüren, das Gewicht der Verzweiflung in seinem Herzen.
Dies hier war real, und es geschah jetzt.
„Was machst du hier?“
Tom Chisholm sah einen Moment zur Seite. Er wischte sich die Träne von der Wange. „Ich …“
Er räusperte sich und schwieg einen Moment. Dann streckte er Jack einfach die Hand entgegen und sagte: „Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.“
Nach Hause.
Jack blickte auf die Flasche in seiner Hand. Sie war fast leer. Er ersparte sich einen Blick auf den Raum hinter ihm, der so verwahrlost war, als hätten hier Tiere gehaust. Er kniff die Augen einen Moment lang fest zusammen, um zu prüfen, ob das die Welt dazu bringen würde, sich nicht mehr so schnell zu drehen.
Schließlich öffnete er die Augen wieder.
Sein Vater stand vor ihm, die Arme ausgebreitet, immer noch wartend … Vielleicht hatte er die ganze Zeit so gewartet, all diese Jahre.
Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.
Er hatte sich entschieden.
„Also dann …“, sagte Jack.
Er setzte einen schwankenden Fuß vor den anderen.
Dann trat er über die Schwelle und sank in die Arme, die ihn damals vor der wilden Brandung gerettet hatten.
3.
Als er am nächsten Morgen erwachte, roch er den aus Kindertagen vertrauten Duft nach Kaffee und gebratenem Speck. Jack dachte einen Moment, er träume vielleicht noch. Er setzte sich auf und sah sich um. Ja, da lag er, in seinem alten Zimmer in dem übergroßen Bett, das seine Mutter für die Gelegenheiten gekauft hatte, wenn er und Tracy zu Besuch kamen. Unter der Bettdecke mit Laura-Ashley-Blumenmuster, die sie ausgesucht hatte. Die farblich passenden Kissen aus silberblauem Satin hatte er am Abend, als er ins Bett fiel, auf den Boden gefegt. Jetzt lagen sie dort verstreut wie Pilze aus Satin.
Er betrachtete das Bücherregal, in dem die Bücher von C. S. Lewis und Tolkien standen, die er als Kind verschlungen hatte, und noch jede Menge anderer, die aus irgendeinem anderen Regal im Haus herausgequollen waren. War das da ein altes Handbuch für die Steuererklärung?
Ein paar Pokale aus seiner Highschool-Footballzeit und ein Ball, jetzt verstaubt, schmückten die Kommode. „Mayfield Wildcats MVP 1990“ las er auf dem größten und musste unwillkürlich lächeln. Es waren schöne Zeiten gewesen – damals.
Der Footballverein von Mayfield war inzwischen abgestiegen – von Mayfield selbst ganz zu schweigen.
Neben der Kommode stand der Schaukelstuhl, den sein Großvater ihm geschenkt hatte, als er dreizehn wurde. „Ein Mann braucht einen Schaukelstuhl“, hatte Grampa Joe gesagt. Es war Jack nicht gelungen, seine Enttäuschung zu verbergen. Grampa Joe hatte ihn wohl vor allem deshalb gemacht, weil er gern Dinge selbst machte. Aber später hatte Jack zahllose Stunden in diesem Stuhl verbracht, lesend oder, Jahre später, an der Predigt für die Beerdigung seiner Mutter schreibend, während Tracy in diesem Bett geschlafen hatte. Es war schließlich doch ein perfektes Geschenk gewesen. Und er hatte schreinern gelernt und sich vorgestellt, er würde einmal für seinen Sohn etwas Ähnliches machen.
Auch wieder so ein Traum, der sich nicht erfüllt hat.
Über dem Stuhl an der Wand hing eine Korktafel mit Bildern der Basketballstars Joe Montana und Peter Gardere. „Peter der Große“ an der Universität von Texas, die die Universität von Oklahoma viermal besiegt hatte. Er betrachtete die Bilder seiner Schulfreunde. Da war er mit seiner Freundin von damals, Darla Scroggins, heute Darla Taylor. Sie hatte schon längst den verhassten Jamie Taylor geheiratet, der auch in der Football-Mannschaft gewesen war. Und dieses Bild von ihm und seinem besten Freund Bill Hall auf der Jagd hatte sein Vater gemacht. Jack hatte einen prächtigen Weißwedelhirsch, einen Zwölfender, erlegt. Mit Bills Hilfe präsentierte er das Geweih für das Foto. Er hatte weder Bill Hall noch Darla Scroggins noch James Taylor – der war für Jack ein für alle Mal gestorben – in den letzten zehn Jahren gesehen. Der Raum erschien ihm wie ein Museum seines Lebens, vor Jahren schon abgeschnitten. Es gab keine Bilder von Grace Cathedral, keinen Hinweis auf sein Leben als „Herzenspastor“, nur ein kleines Bild auf dem Nachttisch von ihm und Tracy, das am Sonntag nach der Kirche bei ihrem, wie sich herausstellen sollte, letzten Besuch vor der Beerdigung seiner Mutter entstanden war.
Das Zimmer erinnerte ihn an eine Episode aus „Twilight Zone“ oder vielleicht auch an diesen Roman von Kurt Vonnegut, den er auf dem College gelesen hatte. Darin hielten sich Außerirdische Menschen wie in Zoos, um sie zu bestaunen.
Er hörte, dass sein Vater die Nachrichten des Lokalsenders verfolgte, während er sich fertig machte, um den Eisenwaren- und Holzhandel zu öffnen, der seit drei Generationen der Familie gehörte.
Jack schlug die Decke zurück, stand auf und ging ans Fenster, um sich die Welt zu besehen.
Es war der Tag nach Weihnachten und er war in Mayfield in Texas. Schneewehen bedeckten den Vorgarten zentimeterhoch. Jack vermutete, dass der Live Oak Creek hinter dem Haus zugefroren war, etwas, was seiner Erinnerung nach nur sehr selten vorgekommen war.
Er stand am Fenster, hörte seinen Vater unten rumoren und fragte sich, was er wohl denken mochte. Sie hatten zwar einen guten Anfang miteinander gemacht, aber die lange Rückreise weitgehend schweigend verbracht. Als Jack endlich nüchtern genug war, um Toms Erklärung, wie er ihn gefunden hatte, aufzunehmen, war er auch nüchtern genug, sich zu fragen, ob er mit dieser Rückkehr eine kluge Wahl getroffen hatte. Doch er hatte keine andere. Das war nur zu wahr.
Aber was sollte er nun anfangen?
Tom hatte ihm erzählt, er habe die Gemeinde wochenlang nach Jacks Aufenthaltsort gefragt. Schließlich hatte Danny Pierce ihn angerufen. Er hatte seine Spur anhand der Abbuchungen über die Kreditkarte bis nach Isla Mujeres verfolgt.
„Klar“, hatte Jack gesagt und genickt. „Sie finden einen anhand der Kreditkarte.“
Es war also letztendlich kein Wunder gewesen, dass Tom plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte. Aber bei dem Gedanken daran, dass sein Vater, der weder jung noch wohlhabend war, ins Ausland gereist war, um ihn nach Hause zu holen, kam er sich armselig vor.
So armselig, dass sie während der ganzen Rückreise um die bittere Wahrheit herumgeschlichen waren, und als sie spät am gestrigen Abend angekommen waren, hatte er nicht gewusst, was er sagen sollte. Der Sache am nächsten gekommen waren sie noch, als sein Vater ihn in sein altes Zimmer geführt hatte.
„Ich weiß, es ist nicht großartig“, hatte Tom