Verlorener Sohn. Brennan Manning
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„Unten im Schrank sind noch ein paar alte Jacken von dir“, sagte sein Vater. „Und hier oben sind bestimmt auch noch ein paar Pullover.“
„Die sind vermutlich ebenso warm wie modern“, sagte Jack.
Vernünftige Klamotten waren jetzt sein kleinstes Problem, und das wussten sie beide.
Eine Weile standen sie wortlos da.
„Dad“, sagte Jack schließlich und sah seinen Vater an, der mit der Hand auf der Klinke in der Tür stand. „Es war wirklich lieb von dir, dass du gekommen bist, um mich zu holen. Danke.“
Sein Vater hob die Hand, wie um den Dank wegzuwischen. Sie sahen einander an. Was auch immer hätte gesagt werden müssen, es war nicht verfügbar. Jedenfalls jetzt nicht.
„Gute Nacht, Sohn“, sagte Tom, drehte sich um und ging. „Vielleicht sieht morgen alles schon ganz anders aus.“
„Das bezweifle ich.“
Das ließ Tom einen Moment in der Tür innehalten. „Weißt du, Jack“, sagte sein Vater, „was immer du getan hast, es kann vergeben werden.“
„Nein“, sagte Jack. „Das glaube ich nicht.“
„Schön“, sagte sein Vater und seine Stimme klang wieder schroff, „du bist der Pastor. Aber ich hoffe bei Gott, dass du dich irrst.“ Er schloss die Tür und ließ Jack allein mit seinen Gedanken.
Jack wälzte sich stundenlang im Bett herum, bis er endlich einschlief.
Und heute morgen würde es genauso peinlich werden, da war er sicher. Worüber sollten sie auch reden? Alte Zeiten? Die Predigt, die er bei der Beerdigung seiner Mutter gehalten hatte? Bis gestern hatte er jahrelang kein Wort mit seinem Vater gewechselt, und es gab nur wenige schöne gemeinsame Erinnerungen, auf die sie zurückgreifen konnten.
Irgendwann heute oder morgen würde er seine Schwester Mary treffen müssen, dachte er. Seit er aus dem Haus gegangen war, hatte es zwischen ihnen nichts anderes gegeben als ein paar nichtssagende Weihnachtskarten. Er stellte sich vor, dass er früher oder später auch Leuten begegnen würde, die ihn von früher kannten und wussten, was kürzlich passiert war. Er konnte nicht für immer hier bleiben.
Als er zugestimmt hatte, mit seinem Vater nach Hause zu kommen, hatte er eine Schwelle überschritten: die Entscheidung, ob er leben wollte oder nicht. Aber das Leben würde nicht einfach sein. Zunächst einmal brauchte er Geld, und er musste seine Familie und seine Gemeinde zurückgewinnen. Er musste der Welt zeigen, dass er noch immer gut war, dass sein Fehltritt nicht alles war, was es über ihn zu sagen gab, und je eher er damit begann, desto besser.
„Jack“, rief sein Vater von unten. „Frühstück.“
„Ich komme“, rief er zurück und fühlte sich, als wäre er fünfzehn. „Bin gleich unten.“
Er stieg in seine einzige Jeans und ein abgetragenes University-of-Texas-T-Shirt, das er im Schrank gefunden hatte, tappte nach unten und fand seinen Vater am Küchentisch sitzend. Neben ihm wartete ein Teller mit Rührei, Schinken und Toast.
„Warmes Frühstück“, sagte Jack und lächelte gegen seinen Willen. Seine Mutter hatte immer darauf bestanden, dass es etwas Warmes zum Frühstück gab, wenn es draußen kalt war.
„Ja“, sagte sein Vater. Er blickte auf seinen Teller und sah dann Jack an. „Betest du?“
Jack zögerte und schüttelte dann den Kopf. „Warum nicht du?“, fragte er.
Tom nickte unmerklich. „Herr, wir danken dir für das Essen, das wir vor uns haben, und für alles Gute, was du uns gibst. Amen.“
Für die nächsten Minuten war das Klirren und Schaben von Besteck auf Tellern das Lauteste, das man hörte. Jack sah ab und zu auf; sein Vater aß langsam und gedankenverloren.
Schinken wurde zermalmt, Kaffee geschlürft.
„Wie läuft’s im Laden?“, brachte Jack zustande, als ihm klar wurde, dass er den Anfang machen musste.
„Oh“, sagte Tom und schluckte, „wir kommen zurecht. Es ist für niemanden leicht.“
„Arbeitet Mary noch bei dir?“
Tom schüttelte den Kopf. „Schon lange nicht mehr.“
„Nein?“ Jack schaufelte Rührei auf seine Gabel. „Ich dachte …“ Er schüttelte den Kopf. „Was macht sie dann?“
„Sie wollte sich selbstständig machen“, sagte Tom. „Sie hat jetzt ein eigenes Büro – Buchhaltung. Wenn die Steuererklärungen fällig sind, hat sie gut zu tun.“
„Wow“, sagte Jack. „Ich hab immer gedacht, sie stirbt noch mal hinter der Kasse.“
Tom grinste leicht. „Sie wurde mir mit ihrem Betriebswirtschaftsdiplom auch zu teuer“, sagte er. „Sie wird’s dir sicher erzählen.“
Jacks Lächeln verflog. „Bezweifle ich“, sagte er. „ Ist sie noch mit Dennis zusammen?“
Tom nickte und strich Butter auf seinen Toast. „Er ist die Kasse, hinter der sie sterben wird“, sagte er mild.
Jack nahm das Thema dankbar auf. „Sie sind verlobt, seit ich aufs College ging. Wollen sie je heiraten?“
Sein Vater sah auf und widmete sich dann wieder seinem Toast. „Frag mich lieber etwas, was ich beantworten kann.“
Jack zögerte. „Hast du ihr gesagt, du würdest mich holen? Was hat sie gesagt?“
„Was erwartest du?“ Tom zuckte die Schultern. Über den Tisch hinweg sah er Jack an. „Du kennst sie ja. Sie ist knallhart. Meinte, ich solle dich besser lassen, wo du liegst.“ Er schüttelte den Kopf. „Ihre Worte. Aber das hätte ich nicht übers Herz gebracht.“
„Klar!“, sagte Jack. „Ich hätte dir vermutlich denselben Rat gegeben.“ Ihm kam der Gedanke – das war die Rettung! –, worüber sie noch sprechen konnten. „Wie steht’s denn mit unserer irgendwie-auch-lutherischen Gemeinde, Saint Paul’s? Ist Pastor Heinrich noch da? Der war doch so eine Art moderner Martin Luther.“
Pastor John Heinrich hatte sich mit der Gemeinde vor fünfzehn Jahren wegen irgendeiner theologischen Streitfrage von der lutherischen Kirche getrennt. Seitdem stand auf dem Schild an der Straße in großen Buchstaben „lutherisch“ und darunter, kleiner, „freie Gemeinde“. Jack war damals im Studium gewesen. Als er wieder mal heimkam, stand er vor vollendeten Tatsachen.
Sein Vater lächelte einen Moment lang, sein Blick ging an Jack vorbei und kehrte dann zum Tisch zurück. „Nicht so gut, glaub ich. Pastor Heinrich ist vor drei Jahren gestorben, und wir können uns keine ganze Pfarrstelle mehr leisten. Wir haben immer wieder mal Gastprediger, aber das ist nicht dasselbe.“ Er zuckte die Achseln. „Und wir werden auch immer älter. Vielleicht ist es dran, uns geschlagen zu geben.“
„Klingt, als wären die Zeiten überall nicht leicht.“ Jack wusste aus jahrelangen Gesprächen mit anderen Pastoren, dass Kleinstadtgemeinden allmählich austrockneten.
„Das