Verlorener Sohn. Brennan Manning

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Verlorener Sohn - Brennan Manning

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stimmt’s?“

      „Weiß nicht“, sagte Jack. „Kann sein.“

      Dachte sein Vater, dass es das war, was er tat?

      War es das, was er tat?

      Er durchsuchte sein Hirn nach einer Möglichkeit, diesen Gedanken abzuschütteln. „Könnt … könnt ihr keinen Studenten kriegen, der ein wenig Praxiserfahrung braucht?“

      Sein Vater sah ihn an. „Was weiß denn ein junger Mann von heute von meinem Leben? Oder von dem von Schwester Clanton? Sie ist vierundneunzig, sie hat zwei Ehemänner und sieben Kinder zu Grabe getragen.“ Er seufzte wieder. „Nein. Wir haben’s versucht. Hatten ein paar Lutheraner aus einem Kurs in Austin. Zwei Jungs, ein Mädchen. Sie war übrigens die Beste. Wenigstens hatte sie Mitgefühl.“

      „Wow“, sagte Jack. „Tut … tut mir leid.“ Um die Wahrheit zu sagen: Er hatte diese kleine Gemeinde immer gehasst. Pastor Heinrich hatte ihn seine Kindheit hindurch mit seinem Gerede über seine Wertlosigkeit verfolgt, und schließlich hatte er das als theologische Wahrheit akzeptiert. Aber er wusste auch, dass diese kleine Gemeinde für seine Eltern ein Fels in der Brandung gewesen war. Und er erinnerte sich gut, wie das Gesicht seiner Mutter vor Freude gestrahlt hatte, wenn sie die alten Erweckungslieder sang. „Es ist Kraft, Kraft, wunderbare Kraft … in dem Blut des Heilands allein“, wie ein Refrain begann.

      Die Uhr schlug acht Mal und beide sahen auf, irgendwie erleichtert über die Unterbrechung.

      „Deine Schwester kommt heute zum Abendessen“, sagte Tom, tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und stand auf. „Ich denke, ich bring uns auf dem Heimweg Hähnchen mit.“

      „Okay“, sagte Jack. „Kommt Dennis auch?“

      Tom zuckte die Achseln. „Wäre dir das recht?“

      „Klar. Ich weiß nicht. Mach’s, wie du denkst.“ Dennis Mays war zwei Klassen über Jack in der Schule gewesen. Sie hatten zusammen Football gespielt, aber wie so viele andere Menschen, die es in seinem Leben gegeben hatte – das wurde ihm jetzt klar –, waren sie einander sympathisch gewesen, aber keine Freunde geworden.

      Sein Vater stellte das Geschirr in die Spüle. Er wischte sich die Hände mit einem Geschirrtuch trocken und sagte dann, ohne sich umzudrehen: „Ich vermute, du wirst ein paar Tage brauchen, um dich aufzurappeln. Dir Gedanken zu machen, wie’s weitergeht. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Ich möchte nur, dass du weißt … du bist hier willkommen, Jack.“

      Jack dachte, er sollte etwas antworten, einen Laut von sich geben, aber ihm fiel nichts Passendes ein, das er aus seiner Kehle hervorbringen könnte, und so saß er schweigend da.

      „Ich weiß, ich bin nicht geschickt mit Worten“, fuhr sein Vater fort. „Ich wollte nur, dass du das weißt. Du kannst bleiben, solange du brauchst. Solange du willst.“

      „Danke“, sagte Jack. „Ehrlich.“

      Tom nickte, wandte sich von der Spüle ab und ging zum Garderobenschrank. Jack hörte Stoff rascheln, während sein Vater seinen Wintermantel und Handschuhe anzog und Grampa Joes alten grauen Filzhut aufsetzte.

      „Weißt du“, sagte Tom und kam zurück in die Küche, „mein Vater hat diesen Hut 1950 gekauft, beim Herrenausstatter unten in der Stadt. War damals der neueste Schrei. ‚Windspiel‘ nannten sie ihn.“

      „Wirklich?“ Jack stellte sein Geschirr in die Spüle. „Windspiel?“

      „Wenn ich mal tot bin“ – Jack hörte Schlüssel klirren, die sein Vater aus der Schüssel auf dem Tisch im Flur nahm – „sollst du diesen Hut haben.“

      „Ist ein schönes Stück“, sagte Jack. Er würde diesen Hut nicht tragen, und wenn sein Leben davon abhinge. „Aber du wirst uns ja noch lange erhalten bleiben.“

      „Wir sehen uns heute Abend“, sagte Tom. Er war dick eingepackt. „Dürfte ruhig bleiben heute. Am Tag nach Weihnachten.“

      „Batterien“, sagte Jack, der sich plötzlich erinnerte. „Du wirst jede Menge Batterien verkaufen.“

      „Kann schon sein.“ Tom nickte, hob die Hand zum Winken und war verschwunden.

      Jack setzte sich an den schönen Eichentisch, den Grampa Joe geschreinert hatte, bevor Jack geboren war. Er nippte an seinem Kaffee und starrte auf sein trübes Spiegelbild. Mit dem Finger strich er über den schimmernden dunklen Lack. Ein schönes Stück.

      Als Junge hatte er hier gesessen, rechts von ihm seine Mutter, seine Schwestern gegenüber. Mary und Martha waren ein Jahr älter und glichen sich wie zwei Toastscheiben eines Sandwichs. Er hatte es nie gemerkt, wenn sie ihre Plätze tauschten, um sich einen Spaß mit ihm zu machen.

      Die alte Traurigkeit überfiel ihn augenblicklich und er stürzte in einen Abgrund von Trauer. In der Woche nach Marthas Tod hatte sein Vater die Extraplatte aus dem Tisch genommen und den nun überflüssigen Stuhl in den Laden gestellt. Zu viert hatten sie wortlos dagesessen wie bei einem abgebrochenen Festmahl, seine Mutter mitgenommen und mit roten Augen, während sein Vater sich immer mehr zurückzog, noch weniger und noch schärfer sprach als früher. Jack hatte sich in sich selbst zurückgezogen, das Einzige, was man ihm nicht nehmen konnte.

      Und die albernen Kommentare der Leute. Dass es doch ein Segen sei, dass die Mädchen Zwillinge gewesen waren. So würde man Marthas liebes Gesicht immer vor Augen haben.

      Ein Segen?

      Oder ein Fluch?

      Jack stützte den Kopf in die Hände. Es war schwer, die Vergangenheit aufleben zu lassen. Er fühlte sich plötzlich erschöpft.

      Er seufzte tief und nahm einen letzten Schluck Kaffee. Maxwell House. So weit war es mit ihm gekommen. Wenn diese Leute in Seattle ihn noch mehr verachten könnten als ohnehin schon, dann wäre der billige Instantkaffee Anlass genug. Er trottete die elf Stufen hoch in sein Zimmer, ließ sich ins Bett fallen und zog sich die Decke über den Kopf.

      Er wollte wieder einschlafen, wollte von seiner Mutter träumen, als sie noch gelacht hatte, sich an eine Zeit erinnern, als es in diesem Haus immer ein Lachen gegeben hatte.

      Sie war der einzige Mensch gewesen, der seinen Vater zum Lachen bringen konnte. Damals, vor so langer Zeit, war sein Vater ein anderer gewesen. Jack dachte daran, wie seine Mutter bei der Beerdigung von Grampa Joe an seine besondere Weise erinnert hatte, an Thanksgiving zu beten – ein Gebet von epischer Breite, das der alte Mann einmal im Jahr mit endlos vielen Sätzen und unter Einbeziehung aller Nachbarn in großer Sorgfalt komponierte: „… und, Vater, wir danken für den Regen und für die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Feld, denn sie säen nicht und ernten nicht und sammeln auch nicht in die Scheunen …“ – endlos, bis dem siebenjährigen Jack aus Protest der Magen knurrte.

      Er sah Tom noch vor sich, der zunächst befremdet schien, aber schließlich hinter der vorgehaltenen Hand ein Lächeln verbarg. Und dann hatte er wie alle anderen herzhaft gelacht. Gelacht, bis ihm die Tränen kamen, bis er sich setzen musste.

      Das waren bessere Zeiten gewesen.

      Bessere Zeiten.

      4.

      Als Jack wieder aufwachte, war es draußen

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