Verlorener Sohn. Brennan Manning
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„Okay“, sagte er und hob die Hände. „Ich ergebe mich. Ich werd mir einen Margarita bestellen. Vielleicht ein paar Stunden am Strand. Wir sind in Mexiko, also lass uns Mexiko erleben.“ Er brachte von irgendwoher sogar ein winziges Lächeln zustande. „Ich meine, wie viel Ärger können wir schon kriegen, während wir hier auf Stand-by sind?“
Nicht viel.
Nur allen Ärger dieser Welt.
2.
Sie nahmen die Fähre über das klare blaue Wasser zur Isla Mujeres, wo Sally ihnen einen Golfwagen mietete, das Haupttransportmittel auf der Insel. Sie checkten in einer Hotelanlage am Nordende der Insel ein, nicht die teuerste, sagte sie ihm, aber die beste Unterkunft. Grandiose Aussicht auf die felsige Küste zur einen und weiße Sandstrände zur anderen Seite. Man war ganz für sich. Jedes ihrer Zimmer hatte einen geschützten Balkon, von dem aus man aufs Meer sah.
Am Abend fuhren sie zum Essen in die Stadt, und Jack fand sich dicht neben Sally an der Bar eines Open-Air-Restaurants auf der Avenida Hidalgo wieder.
„Jetzt werden wir uns diesen Margarita genehmigen“, sagte sie. „Und danach gibt’s Ceviche.“
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter.
Er sah ihre Hand an.
Er sah sie an.
Und das, so überlegte er später, war der Moment, in dem es passierte.
Der Moment, wo er alles hätte abbrechen können, wenn er es wirklich gewollt hätte.
Nachdem Jack seinen Margarita getrunken hatte, überredete Sally ihn noch zu einem Mezcal aus Merida, von dem der smarte junge Barkeeper sagte, er sei so glatt wie Glas. Der erste ging aufs Haus.
„Es ist das reinste Produkt der Agave“, erzählte sie ihm. „Es tut einem gut. In Mexiko haben wir ein Sprichwort: Para todo mal, mezcal, y para todo bien, también.“ Sie lachte über seine hochgezogenen Augenbrauen. „Für alles Schlechte Mezcal und für alles Gute ebenso.“
„Es wäre wohl unhöflich, das abzulehnen“, sagte er. Er fühlte sich schon ein wenig angeheitert nur von dem Margarita, nur von ihrem Lächeln, und er nahm das kleine Glas von ihr entgegen, trank und fühlte, wie er rot wurde. Ja, das war gut.
Er gestattete sich noch einen zweiten Schluck. Und dann einen dritten.
Bevor der Abend um war, fanden sie sich mitten in einer italienischen Hochzeitsgesellschaft wieder, der sie eifrig zuprosteten. Der größte Teil des Abends war in seiner Erinnerung verschwommen – oder fehlte schlicht ganz –, aber er wusste noch, dass sie alle Krabben mit Tequila-Geschmack gegessen und ordentlich mit Mezcal nachgespült hatten, unter begeisterten Zurufen einer Menge von Passanten in der Straße. „Gringos“, hatte der Barkeeper glücklich vor sich hin gemurmelt, als er sein Trinkgeld überschlug.
Irgendjemand hatte sie mit dem Golfwagen in ihr Hotel zurückgefahren, und Sally hatte ihn gestützt und im Wagen gehalten, wenn der Wagen durch Schlaglöcher oder über Bodenschwellen auf der gepflasterten Straße ruckelte.
Irgendjemand hatte ihm in den zweiten Stock hinauf und in sein Zimmer geholfen.
Und spät am nächsten Morgen war er aufgewacht – in hellem Sonnenschein und zum Geräusch der Brandung. Mit dröhnendem Kopf hatte er sich aufgesetzt – in einem Bett, das ein wenig zu verwühlt war, als dass es nur von einer Person benutzt sein konnte.
Er zog seinen Pyjama an, tastete sich langsam ans Fenster, um es zu schließen – der Lärm der Wellen setzte seinen Kopf in Flammen. Dann klopfte es an der Tür. Sally öffnete, die Schlüsselkarte in der Hand. „Alles okay, Chef?“
Er rieb sich die Stirn und blinzelte sie an. „Was … was ist eigentlich passiert?“
„Ah, querido“, sagte sie und berührte seine Stirn sanft mit ihrem Zeigefinger – die Geste einer Geliebten, nicht die einer Angestellten. „Du hattest etwas mehr als einen Margarita.“ Sie seufzte, ließ ihre Hand fallen und wandte sich ein wenig ab. „Und ich ebenfalls.“
Einen Moment lang glaubte er, er würde sich übergeben. Das hatte er nicht gewollt. Oder doch? „Bitte, Gott“, stöhnte er, obwohl er sich nicht sicher war, worum er eigentlich bitten wollte.
Er begann Sally die Fragen zu stellen, die gestellt werden mussten. Was hatten sie getan? Und was sollten sie jetzt tun? Wie konnten sie die Dinge wieder in Ordnung bringen?
Aber plötzlich sagte Sally: „Die Fluggesellschaft hat gerade angerufen. Ich habe meine Verbindungen spielen lassen und uns im nächsten Flieger, der abgeht, zwei Plätze in der ersten Klasse besorgt. Die Fähre geht in einer Stunde, bis dahin müssen wir gepackt haben.“
„Okay“, sagte er. Er sah sie an. Sie blickte zurück. „Ich treffe dich unten in der Halle.“
Sie nickte, durchquerte den Raum, schloss die Tür. Sein Kopf dröhnte noch immer und ihm war übel, aber er ging zurück ans Fenster und öffnete es. Der Salzgeruch und der Lärm der Brandung schlugen über ihm zusammen. Und nicht zum letzten Mal fragte er sich, wie es wäre, einfach ins Wasser da unten hineinzugehen und nicht mehr zurückzukommen, einfach an einen Ort hinabzusinken, wo es weder Gedanken noch Erinnerung gab.
Während der Überfahrt nach Cancún sprachen sie nicht über das, was geschehen war; auch im Taxi nicht und auch nicht auf dem Rückflug nach Seattle.
Und so hatten sie an diesem Sonntag, als er seiner Gemeinde von seiner Reise berichtete, nichts gesagt, und daher war auch nichts geschehen. Und wenn nichts geschehen war, gab es keinen Grund, warum jemand davon erfahren musste.
Jedenfalls hatte er das geglaubt. Bis am nächsten Tag Martin Fox in Jacks Büro hineinmarschierte und die Tür hinter sich schloss. Martin war Investmentbanker in Seattle und gehörte zum Ältestenkreis von Grace Cathedral, dem Laiengremium, das die Gemeinde leitete.
Jack selbst hatte Martin die Hände aufgelegt, als er ihn für den Dienst als Gemeindeleiter gesegnet hatte. Er hatte gedacht, sie stünden einander so nahe, wie es zwischen ihnen überhaupt nur möglich war. Aber jetzt stand Martin vor ihm und warf ihm grimmige Blicke zu, als hätten sie nicht gerade die beste Jahresbilanz in der Geschichte von Grace Cathedral vorgelegt, als wüchsen die Mitgliederzahlen und Initiativen in der Gemeinde nicht stetig, als wären sie nicht eine der bekanntesten Gemeinden im ganzen gottvergessenen Nordwesten.
Plötzlich schoss Jack die Erinnerung an den Druck von Sallys Hand auf seiner Schulter durch die Erinnerung, an den Anblick des zerwühlten Bettes, und er fühlte, wie sich ihm der Magen zusammenzog vor etwas, das sich sehr stark wie Angst anfühlte.
Martin setzte sich, ohne zu fragen, und redete, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. „Warum bist du nicht zu mir gekommen, als noch Zeit gewesen wäre, den Schaden etwas zu begrenzen?“
Jack spürte wieder, wie sich sein Magen zusammenkrampfte, aber es gelang ihm, ein ahnungsloses Gesicht zu machen. Fragend zog er die Augenbrauen hoch. „Wovon redest du überhaupt?“
„Ich hätte es wissen müssen“, sagte Martin. „Niemand kann die Maßstäbe, die du predigst, erfüllen. Du hast uns lächerlich gemacht, Jack. An den Stammtischen zerreißen sie sich den Mund über uns.“
„Martin“,