Verlorener Sohn. Brennan Manning

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verlorener Sohn - Brennan Manning страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Verlorener Sohn - Brennan Manning

Скачать книгу

Vor drei Jahren hatte er an Weihnachten einmal aus Versehen diese Nummer zurückgerufen, nachdem der alte Herr sich endlich ins digitale Zeitalter gewagt hatte.

      Aber so viel zumindest war an den Worten seines Vaters wahr gewesen – er hatte in den letzten beiden Jahren immer zu Weihnachten angerufen.

      Jack hatte jedes Mal ohne ein Wort aufgelegt. Vielleicht saßen sein Vater und Mary und dieser Trottel, ihr Freund Dennis, ja an Heiligabend zusammen vor „Kevin allein zu Haus“. Vielleicht regte sich die unsterbliche Hoffnung in seinem Vater, er müsse einfach nur anrufen und alles, was zwischen ihnen stand, würde sich in einem Augenblick vom Tisch wischen lassen.

      Warum rief er heute an, an diesem Weihnachtstag, an dem die ganze Nation sich über seinen Skandal den Mund zerriss? Vermutlich sogar mit Schadenfreude. Jack hatte es seinem Vater nie recht machen können. Niemand konnte das. Egal, was Jack auch erreichte, wie gut er gepredigt, wie viele Menschen er unterstützt hatte – immer hörte er die Stimme seines Vaters, der kritisierte und von ihm Rechenschaft verlangte.

      Sogar jetzt konnte er ihn hören. Manche Eltern sagten: „Gib dein Bestes.“

      Tom Chisholm hatte immer gesagt: „Du kannst es besser.“

      Okay, Dad, dachte Jack. Ich bin nicht nach Mexiko gekommen, um mein Leben zu vermasseln. Ich kam nicht hierher, um dich in Verlegenheit zu bringen. Ich kam aus guten Gründen. Ich dachte, ich täte das Richtige – bis ich nicht mehr das Richtige tat.

      Das galt doch wenigstens, oder? Er hatte mehr Gutes getan als Dinge verbockt, oder? Grace Cathedral hatte Unsummen an Hilfsgeldern für Projekte in aller Welt aufgebracht. Jeden Sonntag hatte er dazu aufgerufen, Gutes zu tun (es gehörte zu seinem Zwölf-Schritte-Kurs über „Geistliches Wachstum“). Er lehrte seine Gemeinde Hingabe und sich selbst an Gott zu verschenken. Sollten die Kritiker doch nörgeln – über die großen Gebäude, die Fernsehshows, die Werbekampagnen, über sein Gehalt, das schließlich wohlverdient war. Es hatte keine Grace Cathedral gegeben, bis Jack sie gebaut hatte.

      Er hatte in dieser Welt etliches Gute getan.

      Jedes Jahr im August, wenn das Steuerjahr endete, wählte die Gemeinde online zehn gemeinnützige Organisationen aus, die man in diesem Jahr unterstützen wollte, zusätzlich zu den Initiativen für sauberes Trinkwasser („Cleanwater“) und gegen sexuelle Gewalt, die Jack gegründet hatte und die die Gemeinde unterstützte. Jedes Jahr reiste er mit Kamerateams rund um die Welt, um seiner Gemeinde – und den Kritikern – zeigen zu können, was mit ihrem Geld geschah, wie es Menschen aus Bordellen in Thailand rettete, wie es sauberes Wasser in afrikanische Dörfer brachte.

      In diesem Jahr hatte Sally vorgeschlagen, ob man nicht etwas gegen die Drogenkriminalität in Mexiko tun könne. Bei diesem Thema kannte sie sich leider gut aus. Ihr Vater war als unbeteiligter Zuschauer in einer Schießerei zwischen Drogengangs getötet worden; ihre Großeltern lebten noch in einer Stadt im Grenzbereich.

      Jack hatte sie gebeten, der Gemeinde darüber zu berichten, wie Morde und Einschüchterung das Land, das sie liebte, für viele Mexikaner in einen Albtraum verwandelten. „Vielleicht werden wir das Problem nicht an der Wurzel packen können, es ist wohl zu komplex“, hatte sie gesagt, „aber die Frauen und Kinder, die ihre Männer und Väter verloren haben, brauchen dringend Hilfe.“ Was ihn schließlich überzeugt hatte, war, als er hörte, dass in den letzten vier Jahren mehr als achttausend Kinder allein in Ciudad Juárez zu Waisen geworden waren.

      Sallys Worte hatten die Gemeinde ebenfalls bewegt. Man beschloss, die Witwen und Waisen des Drogenkriegs finanziell zu unterstützen und sich außerdem genauer mit der Problematik zu beschäftigen, um zu sehen, ob man noch mehr tun könnte.

      Und so hatte Jack mit einigen Gemeindegliedern und einem Filmteam im Oktober einen einwöchigen Kurztrip nach Mexiko gemacht. Sie hatten ein Lager für Flüchtlinge vor dem Drogenkrieg besucht und ein Waisenhaus in Juárez, das Grace Cathedral jetzt unterstützte. Jack hatte an einer Konferenz mit Lokalpolitikern, Verwaltungsfachleuten und mexikanischen Kirchenvertretern teilgenommen, auf der es darum ging, was US-Amerikaner tun konnten, um zu helfen. Zum Abschluss der Woche hatten sie ein paar Filmaufnahmen in einem Dorf in Yucatán gemacht, wo es dank Cleanwater statt eines verseuchten Brunnens nun eine neue Pumpe gab. Es war eine großartige Gelegenheit für Aufnahmen – jede Menge lächelnde Kinder, die sich um Jack drängten, und etliche Filmmeter mit klarem, glitzerndem Wasser.

      Es war geplant, dass sie an diesem Nachmittag von Cancún zurückfliegen sollten, aber die Fluggesellschaft hatte den Flug gestrichen, ebenso wie etliche andere – es gebe technische Probleme mit den Maschinen.

      „Sie haben fünfzig 757er wegen Notfallreparaturen aus dem Verkehr gezogen“, berichtete Sally Jack, als sie vom Schalter der Fluggesellschaft am Flughafen in Cancún zurückkam. „Unsere auch. Wie es scheint, lösen sich während der Flüge Sitze vom Boden.“

      „Tatsächlich?“ Jack nippte an seinem Starbucks Latte, den er gerade gekauft hatte. „Na, das ist jedenfalls keine gute Nachricht.“

      „Ist wohl eine größere Geschichte“, sagte sie. „Der ganze Flugplan ist wegen der gestrichenen Flüge durcheinander. Sie sagen, über unsere Route über Dallas kriegen sie uns vor Sonntag nicht hier raus, nicht mal in der ersten Klasse, und bei den anderen Fluglinien gibt es bis dahin nur die Chance auf ein Stand-by-Ticket.“

      „Zwei Tage? Und sie können uns keine andere Route anbieten? Ist das denn nicht ihr Fehler?“

      „Ganz sicher. Na ja, vielleicht können sie uns heute Abend oder morgen noch über Miami oder Newark heimbringen.“ Ihr Gesicht war wenig hoffnungsvoll. „Was willst du jetzt machen?“

      Jack grübelte über die Möglichkeit, über Nacht am Flughafen festzusitzen, über drei Anschlussflüge und achtzehn Stunden Flugzeit, über einen Flug zur Ostküste, um an die Westküste zu gelangen, und schüttelte schließlich den Kopf. Wenn man viel reist, wird das Reisen schwieriger, nicht leichter.

      „Vergessen wir das“, sagte er. Plötzlich verlangte es ihn nach etwas Stärkerem als Kaffee. Er sog tief die Luft ein. Dann holte er sein Handy heraus, rief zu Hause an und berichtete Tracy, was los war.

      Sie hatte schon von den lockeren Sitzen gehört. „Ich habe mich schon gefragt, ob dich das betrifft.“

      „Danny predigt am Sonntag“, sagte Jack, „und ich habe vor Dienstag keine Termine. Ich kann also auf einen Direktflug warten. Sally wird das schon hinkriegen.“

      „Wie immer“, sagte Tracy.

      Er hatte nicht daran gedacht zu fragen, wie sie das meinte.

      „Also“, sagte er, nachdem Sally ein Taxi zurück in die Stadt organisiert hatte, „wo ist für uns in Cancún der sicherste Ort?“

      „Wir bleiben nicht in Cancún.“ Sally schenkte ihm dieses Lächeln, bei dem er sich nicht wohlfühlte. „Ich habe für uns Zimmer auf Isla Mujeres gebucht; mit der Fähre kommt man leicht hin. Cancún ist für amerikanische Touristen leidlich sicher, aber kürzlich hat es trotzdem gewaltsame Ausschreitungen gegeben. Die Insel ist viel ruhiger, sicherer, und die Strände sind wunderbar. Wir machen uns eine nette Zeit, bis ich uns einen Rückflug ergattert habe.“

      „Nette Zeit? Ich hab keine Badehose dabei. Und ich bin so blass wie … ich weiß nicht.“ Er betrachtete seine bleiche Hautfarbe. „Wie etwas sehr, sehr Blasses.“

      „Du kannst dich ja unter eine Palme setzen und Cocktails mit kleinen Schirmchen drin bestellen“, sagte sie. „Du verdienst doch mal eine kleine Belohnung,

Скачать книгу