Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941. Группа авторов

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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941 - Группа авторов

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Auftrags erzielten. Denn trotz der wachsenden Bedeutung von Himmlers Apparat im NS-System hatte der Reichsführer-SS vor Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ Anlaß zur Sorge, bei Hitler gegenüber Rivalen – vor allem Alfred Rosenberg, dem designierten Reichsminister für die besetzten Ostgebiete – an Einfluß zu verlieren. Eine zeitnahe Aufbereitung des von den eigenen Männern Erreichten und die gezielte Auswahl von Erfolgsmeldungen konnten also helfen, intern Kohärenz herzustellen und gegenüber anderen Institutionen Kompetenzen zu verteidigen, auszuweiten oder neu geltend zu machen.17

      Angesichts der von Himmler gegen Kriegsende unternommenen Versuche, durch ausgestreutes Mitwissen um den Judenmord Komplizenschaft herzustellen und so das Regime zu stützen, ist der Gedanke nicht ganz abwegig, daß die EM auch als systemstabilisierende Maßnahme gedacht waren. 1941/42 ging es jedoch primär darum, durch einheitliche Nachrichtenübermittlung an jene Instanzen inner- und außerhalb des SS- und Polizeiapparats, die an der dynamischen Ausgestaltung deutscher Herrschaft beteiligt waren, ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen. Konzeptionell lieferten die EM gleichsam eine Art Frontberichterstattung vom Kampf gegen den „jüdisch-bolschewistischen Weltfeind“, die deutlich tiefer ging und weniger platt daherkam als die in der internen Schulung oder in der Öffentlichkeit propagierten Parolen. Die Rahmenbedingungen des „Barbarossa“-Einsatzes – Verwendung der Einsatzgruppen im operativen Zusammenhang mit Wehrmacht und Einheiten der Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) auf der Basis weitreichender, in ihrer konkreten Bedeutung allerdings unspezifischer Weisungen – setzten dem Bestreben der Berliner Zentrale, die Aktivitäten der Truppe zu steuern und gegebenenfalls korrigierend eingreifen zu können, von vornherein enge Grenzen. Frontbesuche Himmlers und Heydrichs waren für die Abstimmung zwischen Zentrale und Peripherie wichtig, doch konnten sie funktionierende Kommunikationsnetze im Alltagsbetrieb nicht ersetzen. Überlastete Nachrichtenverbindungen und geringe Meldedisziplin bei den Einheiten vor Ort, Übermittlungs- oder redaktionelle Fehler im RSHA und Schwierigkeiten bei der Kompilierung taten ein Übriges, daß die EM am Ende nicht selten statt zeitnaher und verläßlicher Informationen unvollständiges, veraltetes oder sachlich falsches Material enthielten.

      Die EM entstanden unter spezifischen, erst seit Kriegsbeginn vorhandenen institutionellen Bedingungen mit der für das NS-System typischen Mischung von Staats- und Parteiaufgaben. Im Herbst 1939 gegründet, vereinte das RSHA zwei verschiedene, von Rein-hard Heydrich geleitete Institutionen: zum einen die aus Gestapo und Kripo bestehende Sicherheitspolizei mit primär exekutiven Funktionen, zum anderen den Sicherheitsdienst (SD) als Nachrichtendienst der NSDAP.18 In der Verwaltungsstruktur des RSHA mit den Ämtern I/II (Verwaltung und Personal), III (SD-Inland), IV (Gestapo), V (Reichskriminalpolizeiamt), VI (SD-Ausland) und VII (Weltanschauliche Gegnerforschung) spiegelte sich noch die Trennung zwischen den beiden Teilbereichen. Maßgeblich im Berichtswesen war bis dahin der SD gewesen, der sich – in Abgrenzung vom bürokratischen Diskurs der Staatsverwaltung wie auch von den Tiraden der NS-Propaganda á la Streicher – einen bewußt „sachlichen“, um Faktentreue bemühten Informationsstil über ein breites, mit dem nebulösen Begriff „Lebensgebiete“ vage umrissenes Themenspektrum zugute hielt. In der Praxis jedoch blieb von der vorgeblichen Sachlichkeit der SD-Berichte wenig übrig, denn sie verdankten ihr Entstehen primär dem Interesse von Heydrichs Nachrichtendienst, sich im Kompetenzgerangel mit anderen Institutionen durchzusetzen und zusätzliche Funktionen an sich zu ziehen.19 Da in den Einsatzgruppen die ohnehin nur unscharf gezogenen Trennlinien zwischen den Teilbereichen verschwammen und gerade in den einzelnen Kommandos Personalknappheit zum multi-tasking zwang, wich die Organisationsstruktur von der Funktionsweise der Zentrale ab, anders als es die Nachkriegscharakterisierung der Einsatzgruppen als „wanderndes RSHA“ und „Gestapo auf Rädern“ suggeriert.20 Auch wenn die einzelnen Abteilungen gemäß ihrer Bezeichnung (also III, IV oder V) und ihres jeweiligen Aufgabengebietes berichteten,21 waren längst nicht immer die entsprechenden Mitarbeiter aus SD, Gestapo oder Kripo die Autoren.

      Darüber, wie die Berichte von den Kommandos zu den Einsatzgruppenstäben und von dort ins RSHA gelangten und wie sie dort jeweils weiterbearbeitet wurden, ist nur wenig bekannt. Hinreichend aussagekräftige Quellen aus der Kriegszeit fehlen weitgehend, und die Nachkriegsvernehmungen ehemaliger RSHA-Akteure sind von unterschiedlicher Verläßlichkeit. Dennoch ist anzunehmen, daß es bereits nach Erhalt der Kommandoberichte durch die Gruppenstäbe dort zu mehr oder weniger signifikanten Textrevisionen kam. Dabei wurden mit Sicherheit jene Dinge besonders hervorgehoben und betont, von denen man sich vor Ort versprach, daß sie im RSHA sowie bei Himmler guten Eindruck machen würden. Nach Berlin gesandt wurde das Material dann auf Wegen, die sich aufgrund der vorhandenen nachrichtentechnischen Verbindungen, der hohen Geheimhaltungsstufe und der jeweiligen Länge anboten: kurze Berichte wurden via Funk und Fernschreiben gesandt, längere per Kurier übermittelt.22 Das Melderaster mit den Rubriken, die die EM intern gliederten, soll Nachkriegsaussagen zufolge von Gestapo-Chef Heinrich Müller stammen, der auch auf die Redaktion selbst Einfluß nahm. Es folgten Textauswahl und -verarbeitung, vom Tippen auf Matrizen bis zum Weiterleiten nach Verteilerschlüssel.

      Wie war diese Arbeit im RSHA organisiert? Wie und durch wen entstanden die EM? Am 28. Juni 1941 – sechs Tage nach Kriegsbeginn – ordnete Müller an: „Als zentrale Dienststelle für den Einsatz Rußland wird das Referat IV A 1 bestimmt.“ Alle diesen Komplex betreffenden Sachvorgänge des Amtes IV seien ihm zuzustellen.23 Genau eine Woche später verfeinerte Heydrich persönlich die Strukturen: Müller wurde zum Leiter eines Kommandostabes für das „Unternehmen Barbarossa“ ernannt, der sich seitdem wohl aus den damit schon befaßten Sachbearbeitern des Kommunismus-Referats IV A 1 zusammensetzte. Dies war eine naheliegende Entscheidung, da Müller als Amtschef IV ohnehin deren Vorgesetzter war und die exekutive Tätigkeit der sämtlich bereits in die Sowjetunion eingerückten Kommandos inzwischen begonnen hatte. Parallel dazu wurde die Institution eines Einsatznachrichtenführers geschaffen, der bei der RSHA-Gruppe II D ressortierte, jedoch Müllers Weisungsrecht unterstand. Dieser hatte die „Aufgabe, alle Standorte, Marschziele und Richtungen der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, alle technischen Nachrichtenverbindungen (Funk, Fernschreib- und Fernsprechverbindungen), Kurier- und Nachschubmöglichkeiten, Feldpostnummern usw. zu erfassen und auf den jeweilig zutreffenden Stand zu bringen“, war also als Nachrichtenoffizier konzipiert, der Kommunikation und Logistik sicherstellen sollte, ohne mit der Zusammenstellung der EM befaßt zu sein. Mit dieser Aufgabe eines Einsatznachrichtenführers wurde SS-Hauptsturmführer Dr. Theodor Paeffgen betraut, der bislang SD-Referent beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) in Metz gewesen war.24 Er richtete sich im RSHA ein Lagezimmer ein, wertete die täglich eintreffenden Funkberichte der Einsatzgruppen und -kommandos für seine Zwecke aus, steckte auf einer Rußland-Karte deren jeweilige Positionen mit Fähnchen ab und fertigte daraus Standortberichte, die er jeweils bis 9.30 Uhr Müller vorzulegen hatte, von denen sich jedoch keinerlei dokumentarische Spuren erhalten haben.25 Mit Wirkung vom 26. Oktober 1941 wurde diese Dienststelle aufgehoben und deren Aufgaben vom Kommandostab „mit wahrgenommen“. Seitdem oblag diesem damit „sowohl die technische, als auch die sachliche Auswertung der Meldungen der Einsatzgruppen und Kommandos“.26

      Die Redaktion der EM erfolgte also von Anfang an – kontrolliert durch Müller – beim Referat IV A 1. Geleitet wurde es damals von SS-Sturmbannführer Josef Vogt, einem Karrierepolizisten, der bereits 1935 als Kriminalkommissar der Stapo-Stelle Düsseldorf Folter von Gefangenen gedeckt hatte, im Juni 1942 zum Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) im slowenischen Marburg/Drau (Maribor) avancierte und 1947 in Jugoslawien hingerichtet wurde.27 Bei seinem Weggang aus dem RSHA stieg SS-Sturmbannführer Kurt Lindow zu seinem Nachfolger auf, der als Vogts Stellvertreter im Referat IVA 1 jedoch gleichfalls schon seit Sommer 1941 mit den EM befaßt gewesen war.28 Als deren eigentliche Sachbearbeiter haben indes die Kriminalräte Dr. Günter Knobloch und Rudolf Fumy zu gelten. Ungeachtet einiger Unstimmigkeiten in ihren Nachkriegsaussagen erscheint Fumys Behauptung durchaus plausibel, er habe den Eindruck gehabt, „daß den örtlichen Führern im Rahmen der ihnen erteilten Grundsatzbefehle absolute Ermessensfreiheit zustand“.29

      Mit dem Ersatz der EM durch die „Meldungen aus den besetzten Ostgebieten“ am 1. Mai 1942 wurde

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