Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941. Группа авторов

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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941 - Группа авторов

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die mörderische Realität der von ihm gebilligten, ideologisch legitimierten und in ihrer Dynamik geförderten „Endlösung der Judenfrage“ konkret zur Kenntnis zu nehmen, ein Detailinteresse des „Führers“ an den Einsatzgruppen-„Aktionen“ unwahrscheinlich erscheinen.52

      Himmler und Heydrich muß klar gewesen sein, daß gerade der Redaktions- und Verteilungsmodus der EM eine Schwachstelle im Deich eingedämmter Wahrheiten bildete. Denn neben dem Dienstweg sorgten auch andere Kanäle dafür, in der Partei- und Ministerialbürokratie bekannt zu machen, wie sich die „exekutive Tätigkeit“ der Einsatzgruppen konkret gestaltete. Auch angesichts der zwar in weitaus geringerer Frequenz, aber größerer Zahl (je etwa 100 Ausfertigungen) verbreiteten „Tätigkeits- und Lageberichte“ kann als sicher gelten, daß die in den EM gesammelten Informationen mehr Instanzen erreichten, als im Verteilerschlüssel oder aufgrund der Geheim-Klassifizierung vorgesehen, ohne daß sich der Leserkreis exakt quantifizieren läßt.53 Anders als in Bezug auf die SD-„Meldungen aus dem Reich“, die von Goebbels, Bormann und anderen NS-Spitzenfunktionären mit fortschreitender Kriegsdauer immer stärker als „Defaitismus“ und „Stänkereien“ gewertet wurden,54 sind weder negative noch positive Reaktionen auf die EM überliefert. Dies sagt insofern wenig aus, als inner- und außerhalb des dienstlichen Bereichs „Mundfunk“ und andere Formen informeller Kommunikation umso nachhaltiger für eine Verbreitung von Geheimsachen sorgten, je öffentlicher ihr Gegenstand war. Soweit sich der Wissensstand der Bevölkerung zur „Judenfrage“ rekonstruieren läßt, scheint erwiesen, daß die von deutschen Soldaten, Polizisten und anderen Funktionsträgern im Reich verbreiteten Gerüchte über die Ereignisse im Osten im Zusammenhang mit von den offiziellen Medien verbreiteten Andeutungen im Laufe des Jahres 1942 ein zwar nicht vollständiges, aber doch in Umrissen erkennbares Bild der Wirklichkeit lieferten.55 Die Regierungsspitzen der Westalliierten kannten Deutschlands „offenes Geheimnis“ schon früh aufgrund der Abhörerfolge des britischen Geheimdienstes, bewahrten aber über ihr Wissen Stillschweigen, bis die in der Öffentlichkeit immer mehr an Verbreitung gewinnenden Nachrichten über die deutsche Vernichtungspolitik gegenüber den europäischen Juden klare Stellungnahmen erzwangen.56

      Trotz der immanenten Gefahren, die die EM für die Geheimhaltung des Massenmords aufwarfen, geht die Vermutung, Himmler habe mit ihnen schon ab Sommer 1941 darauf abgezielt, die Mitwisserschaft innerhalb des Regimes an den Verbrechen im Osten zu verstärken, in die falsche Richtung. Statt dessen scheint es angesichts der im nächsten Abschnitt näher beleuchteten Ausgangskonstellation zu Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ wahrscheinlicher, daß die höchste SS-Führung keine klare Vorstellung davon hatte, was die Einsatzgruppen im Einzelnen tun und melden würden. Daß Himmler und Heydrich die EM im Vorfeld des Angriffs nicht als Statistik über die Massenexekution von Juden und anderen Zivilisten ansahen, läßt sich schon am Format der Meldungen ablesen, in denen eine spezielle Rubrik mit Exekutionszahlen fehlt und diesbezügliche Informationen in jeweils wechselndem Kontext, oftmals gleichsam beiläufig eingestreut, auftauchen. Auf eine rigide, weitgehend effiziente Handhabung von Geheimsachen im bürokratischen Verkehr deutet neben dem Fehlen der Hauptmasse der von den Einsatzgruppen erzeugten Dienstakten die Tatsache hin, daß bei Kriegsende von den vielen Kopien der EM nur ein Satz (und auch dieser nicht ganz vollständig), ansonsten nur einzelne Nummern übrigblieben.57

      Während die von den Alliierten abgefangenen Vollzugsmeldungen aus Himmlers SSund Polizeiapparat erst vor wenigen Jahren der Forschung zugänglich gemacht wurden, konnte jeder, der dies wollte, schon kurz nach Kriegsende erfahren, was dessen Zentrale über die Gewalttaten der Einsatzgruppen zusammengetragen hatte. Als im Zuge der Nürnberger Verfahren in Vorbereitung einer von Chefankläger Telford Taylor geplanten Anklage gegen leitende SS-Führer Ende 1946 oder Anfang 1947 ein Dutzend Leitz-Ordner mit der Serie der EM gefunden wurde, war all jenen, denen es um die justitielle und historische Aufarbeitung des Judenmords ging, sofort bewußt, welch reichhaltige Quelle die Dokumente boten.58 Anders als das Internationale Militärtribunal und die anderen, unter amerikanischer Regie verhandelten Nürnberger Nachfolgeprozesse, die umfangreiche Aktensammlungen unterschiedlichster Provenienz zur Grundlage der Anklage machten, basierte der im Sommer 1947 von Ankläger Benjamin Ferencz vorgebrachte und im April 1948 abgeurteilte „Fall 9“ mit seinen ursprünglich 24, bei Urteilsverkündung 21 Angeklagten aus den Reihen der Einsatzgruppen ganz überwiegend auf den EM. Dem Gericht war die Beweislast drückend genug, um eine im Vergleich zu den anderen US-Verfahren ungewöhnlich hohe Zahl von Todesurteilen – 14 – auszusprechen. Daß dennoch eine Reihe der Mörder im Laufe der 1950er Jahre auf dem Gnadenweg freikam, resultierte aus dem westdeutschen Bestreben, die Remilitarisierung im Rahmen der NATO von einer Amnestie der „Kriegsverurteilten“ abhängig zu machen,59 und hatte nichts mit Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der EM zu tun.

      Das Gleiche gilt für die Spruchpraxis westdeutscher Gerichte. Wenngleich die Morde einer im Rahmen der Einsatzgruppen eingesetzten Sipo- und SD-Einheit – des sogenannten Tilsiter Sonderkommandos – 1957 für die Wiederaufnahme von NS-Ermittlungen in der Bundesrepublik eine erhebliche Rolle spielten, kamen Einsatzgruppenangehörige in aller Regel strafrechtlich glimpflich davon. Dabei kam ihnen die Berufung auf einen vor Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ ergangenen und von den Historikern damals weitgehend kritiklos angenommenen, in Wahrheit aber gar nicht existenten Judenvernichtungsbefehl Hitlers zuhilfe. Dr. Martin Sandberger – Chef des Sonderkommandos 1a und KdS in Estland – starb im März 2010, ohne daß ihm nach seiner Entlassung aus US-amerikanischer Haft im Jahre 1958 von deutschen Staatsanwälten mehr als oberflächliches Interesse entgegengebracht worden wäre.60

      Die Idee, relativ kleine, hochmobile Einheiten mit besonders qualifizierten Gestapo-, Kripo- und SD-Männern zur raschen Bekämpfung sicherheitspolizeilich gefährlicher Gegnergruppen einzusetzen, kam der SS-Spitze nicht erst im Krieg. Einsatzgruppen fanden beim „Anschluß“ Österreichs im März 1938 erstmals Anwendung und gehörten seitdem bis unmittelbar vor Kriegsende zum Standardrepertoire nationalsozialistischer Herrschaftspolitik, mit tödlichen Folgen für alle als „Reichsfeinde“ stigmatisierten Personen.61 Daß die Einsatzgruppen auf dem Boden der Sowjetunion im Zusammenwirken mit der Wehrmacht anders verfahren würden als 1940 in Westeuropa, wo Heydrich seine Untergebenen angewiesen hatte, „jederzeit und in jeder Lage, besonders der einheimischen Bevölkerung gegenüber, sich vollständig einwandfrei und zurückhaltend zu verhalten“,62 stand schon in der Planungsphase des „Unternehmens Barbarossa“ fest. In Osteuropa galten nach Einschätzung der deutschen Verantwortlichen – von überzeugten Nazis über nationalkonservative Militärs bis hin zu ordnungsliebenden Bürokraten – andere Regeln. Sipo und SD bildeten dort die Speerspitze im Kampf gegen all jene, die der deutschen Gewaltherrschaft gefährlich werden konnten, unabhängig davon, ob das eroberte Gebiet unter militärischer oder ziviler Verwaltung stand.

      Schon der Überfall auf Polen 1939 brachte massive, teilweise von Wehrmachtseinheiten, besonders aber von den Einsatzgruppen verübte Gewaltexzesse mit sich, denen allein in den annektierten Gebieten mehr als 60000 Menschen zum Opfer fielen.63 Himmler stellte durch die Etablierung von HSSPF sicher, daß im Besatzungsgebiet alle Teilinstanzen seines Apparats – Sipo, SD, Ordnungspolizei und Waffen-SS – über die Kontrolle durch die betreffenden Berliner Hauptämter hinaus funktional verschränkt wurden, auch wenn diese Doppelunterstellung gelegentlich für Unklarheiten sorgte. Auf schriftliche Anordnungen konnten und wollten sich die Einheitsführer vor Ort nicht verlassen, denn Realität und Rahmenbefehle klafften bereits 1939 weit auseinander. In den Richtlinien, die die Führer der fünf Einsatzgruppen vor Kriegsbeginn erhalten hatten, war von Massenerschießungen keine Rede, sondern lediglich von der „Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente“; „Misshandlungen oder Tötungen festgenommener Personen“ waren „strengstens untersagt“ und, sofern von anderen geplant, „zu verhindern“.64 Die Kluft zwischen dem Wortlaut der Befehle und der Wirklichkeit im Umgang mit „Reichsfeinden“ blieb bestehen, wurde jedoch den Bedürfnissen angepaßt. Für den Feldzug auf dem Balkan im April 1941 nannte der Einsatzbefehl des Oberkommandos des Heeres erstmals „Kommunisten

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