Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941. Группа авторов

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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941 - Группа авторов

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      Der deutsche Überfall auf den sowjetischen Verbündeten war von vornherein als Vernichtungskrieg geplant. Hitler gab die Marschrichtung vor, indem er im März 1941 nach den Aufzeichnungen von Generalstabschef Franz Halder den „Kampf zweier Weltanschauungen gegeneinander“ mit der „Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der kommunistischen Intelligenz“ verknüpfte; daß diese Gruppe dominant aus Juden bestand, verstand sich innerhalb der Funktionseliten des Regimes von selbst.67 In der Folgezeit einigten sich Wehrmacht und Sicherheitspolizei darauf, für nicht näher spezifizierte „Sonderaufgaben im Auftrag des Führers“ im Interesse der nachhaltigen und raschen „Befriedung“ des von der Wehrmacht zu erobernden Gebietes Einsatzgruppen zu verwenden, die „in eigener Verantwortung Exekutivmaßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung“ ausführen sollten.68 Mit der Wehrmacht vereinbarte Heydrich im März 1941, daß die für das „Unternehmen Barbarossa“ vorgesehenen Einsatzgruppen im Rücken der Front operieren sollten – die Sonderkommandos in den rückwärtigen Armeegebieten, die Einsatzkommandos in den weiter westlich gelegenen rückwärtigen Heeresgebieten –, ohne dem Militär in mehr als logistischer Hinsicht unterstellt zu sein. Absprachen mit den in den jeweiligen Regionen zuständigen Militärkommandeuren erfolgten über die Ic-Offiziere der Wehrmacht. Zu den Aufgaben der Kommandos gehörten im rückwärtigen Armeegebiet die „Sicherstellung“ von Akten und anderen Materialien sowie von „besonders wichtigen Einzelpersonen (führende Emigranten, Saboteure, Terroristen usw.)“, im rückwärtigen Heeresgebiet die „Erforschung und Bekämpfung“ ziviler „Reichsfeinde“ und die „Unterrichtung“ der militärischen Befehlshaber „über die politische Lage“.69

      Ähnlich detaillierte Absprachen, wie sie die RSHA-Führung mit der Wehrmacht traf, sind innerhalb von Himmlers Apparat vor dem Überfall am 22. Juni 1941 sonst nicht dokumentiert. Wesentlich konkreter als in den Vereinbarungen mit Generalquartiermeister Eduard Wagner scheint Heydrich im Vorfeld des Krieges gegenüber seinen Männern in der Beschreibung ihres Auftrags nicht geworden zu sein, auch wenn er bei der Zusammenfassung dessen, was ihm Hermann Göring aufgetragen hatte, deutliche Worte wählte. Aus einem Vermerk Heydrichs über seine Besprechung mit diesem am 26. März 1941 geht hervor, daß der Reichsmarschall ihm gegenüber angeregt habe, „eine ganz kurze, 3–4seitige Unterrichtung“ für „die Truppe“ – gemeint waren in erster Linie Wehrmachtssoldaten, aber wohl auch Angehörige anderer Einheiten – zu erstellen zum Thema „Gefährlichkeit der GPU-Organisationen, der Polit-Kommissare, Juden usw., damit sie wisse, wen sie praktisch an die Wand zu stellen habe“.70 Soweit bekannt, ging Heydrich über diese Formulierung in seinen mündlichen oder schriftlichen Weisungen an die Einsatzgruppen nicht hinaus, sondern blieb im Gegenteil vage. Nachdem Himmler mit der Wehrmachtsführung vereinbart hatte, „zur Durchführung der mir vom Führer gegebenen Sonderbefehle für das Gebiet der politischen Verwaltung“ HSSPF einzusetzen, die – analog zu den Einsatzgruppen – der Armee wiederum lediglich in logistischer Hinsicht unterstanden, teilte Heydrich in einem wahrscheinlich kurz vor dem Überfall in 75 Exemplaren verteilten „Merkblatt für die Führer der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos der Sipo und des SD für den Einsatz ‚Barbarossa‘“ mit, daß diese den HSSPF unterstanden und „loyalste Zusammenarbeit mit der Wehrmacht sicherzustellen“ hatten.71 Über die praktische Arbeit der Kommandos finden sich dort einige knappe Sätze unter der Überschrift „Festnahmen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen“. Des weiteren wurden die Männer „eindringlichst unter Androhung schwerster Strafen auf tadelloses, diszipliniertes, kriegsmäßiges Verhalten“ hingewiesen, wobei „alle Alkoholexzesse“ ebenso untersagt wurden wie „jeder Umgang mit fremdrassigen Frauen“.72

      Ende Juni forderte Heydrich die Einsatzgruppen angesichts der bereits im Abklingen befindlichen Pogrome zwar auf, die „Selbstreinigungsbestrebungen“ der einheimischen Bevölkerung gegenüber Juden unauffällig zu fördern,73 schwieg sich aber ansonsten über das Vorgehen der eigenen Truppe aus. Noch in seinem Schreiben an die HSSPF vom 2. Juli 1941 – zehn Tage nach Beginn des Krieges, als die EM bereits umfangreiche Massenerschießungen vermerkten – beschrieb Heydrich die Zielgruppe derer, die – in Görings markigen Worten – „an die Wand zu stellen“ seien, wie folgt: „Zu exekutieren sind alle Funktionäre der Komintern (wie überhaupt die kommunistischen Berufspolitiker schlechthin), die höheren, mittleren und radikalen unteren Funktionäre der Partei, der Zentralkomitees, der Gau- und Gebietskomitees, Volkskommissare, Juden in Partei- und Staatsstellungen, sonstigen radikalen Elemente (Saboteure, Propagandeure, Heckenschützen, Attentäter, Hetzer usw.), soweit sie nicht im Einzelfall nicht oder nicht mehr benötigt werden, um Auskünfte in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu geben, die für die weiteren sicherheitspolizeilichen Maßnahmen oder für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der besetzten Gebiete besonders wichtig sind.“74 Hätte zu diesem Zeitpunkt schon ein unterschiedsloser Judenvernichtungsbefehl bestanden, wäre die Anordnung sinnlos gewesen, lediglich die „Juden in Partei- und Staatsstellungen“ zu exekutieren. Denn sie wären ohnedies unter einen allgemeinen Befehl gefallen. Zugleich eröffnete das hier offerierte weite Tableau zur Definition der Gegner den Kommandeuren vor Ort einen ungeheuren Interpretationsspielraum.

      Wer waren die Männer, die eigenverantwortlich über die vagen Vorgaben der SS-Spitze zu entscheiden hatten? Das Personal der Sipo- und SD-Führer, die für das „Unternehmen Barbarossa“ Gewehr bei Fuß standen, präsentiert sich, hierarchisch gesehen, mit von oben nach unten abnehmender Geschlossenheit. Mit den vier designierten HSSPF, Hans-Adolf Prützmann (im Bereich der Heeresgruppe Nord), Erich von dem Bach-Zelewski (Heeresgruppe Mitte), Friedrich Jeckeln (Heeresgruppe Süd) und Gerret Korsemann („zur besonderen Verwendung“), hatte Himmler SS-Generäle für Schlüsselfunktionen ausgewählt, deren Regimetreue, persönliche Ergebenheit und exekutive Effizienz außer Frage stand. Auch im Führerkorps der Einsatzgruppen stellten Ausbildung und vorangegangene Karriere sicher, daß die Männer die ihnen übertragene Verantwortung beim Überschreiten der Grenze zur Sowjetunion im Sinne der SS-Führung und nach Maßgabe der jeweiligen Situation eigeninitiativ und aggressiv ausgestalten würden. Dies galt gerade auch für die ersten Einsatzgruppenchefs Dr. Walter Stahlecker, Arthur Nebe, Dr. Dr. Emil Otto Rasch und Otto Ohlendorf sowie für die Führer der einzelnen Kommandos, die allesamt inner- und außerhalb des RSHA hinreichend Erfahrung im Umgang mit „Reichsfeinden“ besaßen und teilweise schon im Polenfeldzug in den Reihen von Sipo und SD eingesetzt gewesen waren.75 Die bereits seit langem eingeübte projektive Schuldumkehr, der zufolge nicht die Juden die Opfer der Deutschen, sondern vielmehr die Deutschen die Opfer der Juden seien, hatte sich bei ihnen zu einem Erlösungsantisemitismus verdichtet, der von der Vorstellung geprägt war, berufen zu sein, die Menschheit von ihrer größten Plage zu befreien.76

      Aufgrund der erwarteten kurzen Feldzugsdauer und der Wichtigkeit der Aufgaben, die die Einsatzgruppen wahrnehmen sollten, ließ die SS-Spitze der Auswahl der ersten Gruppe von Kommandoführern besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.77 Michael Wildt stellte fest, daß in der 18-köpfigen Gruppe der Einsatz- und Sonderkommandoführer sieben und in den Einsatzgruppenstäben mindestens drei Offiziere aus den Rängen der „jungen Aktivisten“ im RSHA stammten. Von den 11 RSHA-Referenten in den Reihen der Einsatzgruppen war keiner älter als 41 Jahre alt, der jüngste nicht einmal 30 und fast alle (bis auf drei) universitär gebildet, vier sogar mit abgeschlossener Promotion.78 Selbst innerhalb dieser Funktionskohorte gab es allerdings Sonderfälle wie Dr. Franz Alfred Six, RSHA-Amtschef VII und Professor an der Berliner Universität, der nach einer kurzen Dienstzeit bei der Waffen-SS als Chef des Vorkommandos Moskau in der Einsatzgruppe B reüssieren sollte, sowie als Nicht-RSHA-Mitglied der bereits 1888 geborene Chef des Einsatzkommandos 3, Karl Jäger.79 Hinzu kam ein ganzer Jahrgang von rund 100 Anwärtern auf den leitenden Dienst im Alter zwischen 25 und 30, die bis zum Beginn des Winter-semesters 1941/42 zum „Osteinsatz“ abkommandiert wurden. Aufgrund ihrer Karriereerwartungen und beruflichen Sozialisierung in der NS-Zeit konnte es nicht überraschen, daß sich diese Männer als Teilkommandoführer besonders aktiv am Judenmord beteiligten; unter ihnen war beispielsweise Joachim Hamann, ein verkrachter Fallschirmjäger, der mit seinem „Rollkommando“ in Litauen kurz nach Beginn des Angriffs zum Massenmörder an Zehntausenden von Juden werden sollte.80

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