Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941. Группа авторов

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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941 - Группа авторов

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sich die personelle Zusammensetzung des Kommandostabes. Unter dem Vorsitz von Nosske tagten seitdem einmal wöchentlich die Leiter jener RSHA-Referate, die mit Sachfragen der Sowjetunion befaßt waren. Sie erhielten nunmehr von ihren Amtschefs jene Berichtsteile der Einsatzgruppen, die ihr Ressort betrafen, und erarbeiteten daraus redaktionelle Vorschläge. Nosskes Referat IV D 5, dem u. a. auch Fumy und Knobloch unterstellt wurden, nahm dann die Fertigstellung der Meldungen vor.30 Unklar bleibt dabei, ob Heydrich mit dieser Umstrukturierung lediglich ein konzeptionelles Gegengewicht zu Rosenbergs Ostministerium schaffen wollte oder aber eine echte Befehlszentrale für die besetzten Teile in der Sowjetunion intendierte und lediglich durch seinen Tod kurze Zeit später daran gehindert wurde.

      Über die Zusammenstellung der EM aus dem Material, das von den Einsatzgruppen und deren Kommandos nach Berlin gesandt wurde, berichtete der damit einst befaßte Knobloch Ende der 1950er Jahre: „Aus der Flut eingehender Meldungen habe ich jeweils die interessierenden Stellen rot eingeklammert, und unsere Schreibdamen wußten genau, in welche Form diese Meldungen zu bringen seien. […] Rein inhaltlich ist kaum eine Änderung vorgekommen, da die Meldungen aus ‚geklammterten‘ Berichten stammten. Allerdings möchte ich hierzu bemerken, daß SS-Gruppenführer Müller, dem die Matrizen täglich bis 10.00 Uhr vorgelegt werden mußten, sehr oft handschriftliche Änderungen auch sachlicher Natur vornahm. […] Ich halte es aber für ausgeschlossen, daß er an Standorten, Zahlen, Daten und Bezeichnungen der Einsatzgruppen oder -kommandos etwas geändert hat.“31 Daß diese Aussage nur bedingt richtig sein kann, ist oft lediglich anhand mühevoller quellenkritischer Prüfungen nachvollziehbar. Wo aber etwa große inhaltliche Sachkomplexe einer Einsatzgruppe dem jeweiligen ‚Schwesterverband‘ zugeschrieben werden, wird für den Fachmann der redaktionelle Eingriff offensichtlich. Ein Beispiel: In der EM 86 erfolgt eine lange der Einsatzgruppe C zugeordnete Schilderung zur „Lage des Volksdeutschtums in der bisher befreiten Ost-Ukraine“. Anhand der im Bericht genannten Orte wird aber schnell ersichtlich, daß dieser Sequenz ein Rapport der Einsatzgruppe D zugrundelag (zumal deren Chef Ohlendorf auch noch namentlich erwähnt wird), während die Berliner Redaktion der EM feststellte: „Meldungen der Einsatzgruppe D liegen nicht vor.“32 Dies mag ein Exempel dafür sein, wie schnell und deswegen auch fehlerhaft die Auswertung der Berichte erfolgen mußte. Irrtümer, bis hin zur fälschlichen Namensnennung des eigenen Führungspersonals, waren so quasi vorprogrammiert.33

      Knoblochs Referatskollege Rudolf Fumy äußerte sich 1948 weniger dezidiert zur Frage der Korrektheit der EM und verwies auf Fehler, wie sie „bei der notgedrungenen Flüchtigkeit der redaktionellen Arbeit nicht zu vermeiden waren“. Einig waren sich die beiden ehemaligen RSHA-Funktionäre in der Feststellung, daß inhaltliche Eingriffe Müllers darauf abzielten, wie Fumy es ausdrückte, beim Leser den Eindruck zu erhärten, „daß die gesamte geschilderte Tätigkeit auf Rechnung der Sipo und des SD komme“, was zur Folge hatte, daß andere Instanzen selbst dann nicht genannt wurden, wenn ihre Meldungen über ‚Querverbindungen‘ ins RSHA gelangten und dort mit in die EM eingearbeitet wurden.34 Bestandteil der interessengeleitet verzerrten Darstellung war demnach auch die Unvollständigkeit der EM bei der Abbildung besatzungspolitischer Realität. Oft fehlt der Hinweis auf einschlägige Ereignisse in den Berichtszeiträumen – etwa die gerade in der Anfangsphase noch erheblich opferreicheren Massenerschießungen, die Polizeibataillone und Verbände des Kommandostabes Reichsführer-SS vornahmen35 –, wobei unklar bleibt, ob dies Folge der Beschränkung auf den Kernbereich des eigenen Aufgabenkreises, der bewußten Ausklammerung von Aktionen der Konkurrenzinstanzen Ordnungspolizei und Waffen-SS oder lediglich Resultat von mangelhaftem Informationsfluß war.

      Beschränkte sich die Tätigkeit der RSHA-Bürokraten nach Empfang der Meldungen aus dem Osten wirklich nur darauf, einzuklammern, was nach den Vorgaben Müllers wichtig schien? Zur Beantwortung dieser Frage eignen sich jene EM, für die es Entsprechungen in anderen Sipo- und SD-Dokumenten gibt. Das gilt etwa für einen Bericht des Leiters der Stapo-Stelle Tilsit, SS-Sturmbannführer Hans-Joachim Böhme, vom 1. Juli 1941 an das RSHA-Referat IV A 1 „z. Hd. v. SS-Brigadeführer Müller“ mit dem Betreffvermerk „Säuberungsaktionen jenseits der ehemaligen sowjetisch-litauischen Grenze“. Der Bericht beginnt mit einer Aufstellung über die Opferzahlen dreier „Großsäuberungsaktionen“, wonach „am 24. Juni 1941 in Garsden 201 Personen (einschl. 1 Frau), am 25. Juni 1941 in Krottingen 214 Personen (einschl. 1 Frau)“ und „am 27. Juni 1941 in Polangen 111 Personen erschossen“ wurden. Es handelte sich hierbei um drei der frühesten Massenexekutionen nach dem Überfall auf die Sowjetunion.36 Für die hier zu untersuchende Frage sind einige Textpassagen zum Ablauf der Verbrechen wichtig. Im Bericht heißt es: „In Garsden unterstützte die jüdische Bevölkerung die russische Grenzwacht bei der Abwehr der deutschen Angriffe. In Krottingen wurden in der Nacht nach der Besetzung 1 Offizier und 2 Quartiermacher von der Bevölkerung heimtückisch erschossen. In Polangen wurde 1 Offizier am Tage nach der Besetzung ebenfalls von der Bevölkerung hinterhältig erschossen. Bei allen drei Großeinsätzen wurden vorwiegend Juden liquidiert. Es befanden sich darunter jedoch auch bolschewistische Funktionäre und Heckenschützen, die zum Teil als solche von der Wehrmacht der Sicherheitspolizei übergeben worden waren.“ Es folgten nähere Angaben zur Durchführung der drei Aktionen in Verbindung mit Einheiten von Ordnungspolizei und Wehrmacht nach Absprache mit dem Chef der Einsatzgruppe A, Dr. Walter Stahlecker, „der grundsätzlich sein Einverständnis zu den Säuberungsaktionen in der Nähe der deutschen Grenze erklärte“. Gegen Ende erwähnt der Bericht noch weitere „Strafaktionen“ im litauischen Augustowo durch Angehörige des Grenzpolizeikommissariats Sudauen mit dem Zusatz: „Der Reichsführer-SS und der Gruppenführer [Heydrich], die dort zufällig anwesend waren, ließen sich über die von der Staatspolizeistelle Tilsit eingeleiteten Maßnahmen unterrichten und billigten diese in vollem Umfang.“37

      Ein Vergleich dieses Rapports aus dem ostpreußischen Tilsit mit den im RSHA zusammengestellten Meldungen erbringt einige interessante Aufschlüsse. Der als Einschreiben übersandte Bericht brauchte immerhin mehrere Tage, bis er in Berlin verarbeitet werden konnte. EM 11 vom 3. Juli brachte (unter der falschen Rubrik „Einsatzgruppe D“) zwar den Hinweis, daß verschiedenen Sipo- und SD-Instanzen in Grenznähe – BdS Krakau, Stapo-Stellen Tilsit und Allenstein – die „Genehmigung“ erteilt worden sei, „durch zusätzliche vorübergehend wirkende Einsatzkommandos die ihren Grenzabschnitten gegenüberliegenden neu besetzten Gebiete sicherheitspolizeilich zu bearbeiten und zu säubern“, um den Einsatzgruppen „größtmöglichste Bewegungsfreiheit“ zu sichern. Es fehlte jedoch jeder Hinweis auf die aus Tilsit gemeldeten Massenerschießungen. Das änderte sich am 4. Juli mit EM 12, doch wurde die bisherige Opferzahl mit 200 viel zu niedrig angesetzt. Zudem fehlten die aus Tilsit übermittelten Angaben zu den Gründen und zur Durchführung mit der in Augustowo erteilten Billigung durch Himmler und Heydrich als wichtigstem Aspekt. Erst am 6. Juli fanden mit EM 14 die drei „Großsäuberungsaktionen“ der Tilsiter Dienststelle Erwähnung, wobei der Wortlaut zu den Zahlen und zur Begründung weitgehend mit dem des Tilsiter Berichts vom 1. Juli übereinstimmt. Dennoch fehlten auch hier wiederum Hinweise auf Durchführungsmodalitäten, die Erschießungen in Augustowo und auf die Besprechung mit Himmler und Heydrich. Im „Tätigkeits- und Lagebericht Nr. 1“ vom 31. Juli 1941 ist nur en passant und ohne weitere Information zu den Beteiligten davon die Rede, daß in Garsden, Krottingen und Polangen „insgesamt fünfhundert Juden und Heckenschützen liquidiert“ worden seien.38

      Auffällig an der Berichtskette von Tilsit nach Berlin und weiter zu den Empfängern der EM und Sammelberichte ist zum einen die relativ große zeitliche Distanz zwischen Absendedatum und fertiggestellten RSHA-Meldungen. Mag die Übermittlungsform – mittels Einschreiben ohne Geheimhaltungsstufe von der Peripherie in die Hauptstadt – hier eine verzögernde Rolle gespielt haben, so ist andererseits anzunehmen, daß eine Dienststelle im Reichsgebiet, um die es sich bei der Stapo-Stelle Tilsit ja handelte, schneller nach Berlin berichten konnte als frontnahe Einheiten, denen oft ein stabiles Kommunikationsnetz fehlte. Zum anderen scheint der substantielle Informationsverlust bemerkenswert, der sich in der Diskrepanz zwischen dem Tilsiter Bericht und den erwähnten RSHA-Meldungen spiegelt. Zwar erwähnten Müllers Männer die Erschießungen der Stapo-Stelle Tilsit nach drei Tagen in einer EM, doch fehlten zentrale Passagen

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