Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941. Группа авторов

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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941 - Группа авторов

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in den EM die „SD-mäßige“ Tradition vermeintlich „objektiver“ Berichterstattung sowie der Versuch erkennbar, einen Eindruck vom Regionalkolorit im Osten zu vermitteln. Beides zeigt sich in der starken Betonung kulturpolitischer, besonders kirchlich-religiöser Aspekte und dem Bemühen, die Stimmung in der einheimischen Bevölkerung – vor allem in nationalistischen Kreisen oder in Gruppen, die entweder als besonders kollaborationsbereit oder als potentiell feindlich eingestellt galten – zu sondieren. Es kann nicht überraschen, daß dabei Sipo und SD fast immer als das Geschehen kontrollierende Akteure oder zumindest aktive Beobachter, nie als auf äußeren Druck einheimischer Interessengruppen Reagierende erscheinen. In die Kategorie „Volkstum“ lassen sich zahlreiche Berichte einordnen, die bestimmte Ethnien – mit den Volksdeutschen an der Spitze – in ihren Spezifika betrachten und bewerten, gleichzeitig aber auch die politischen Konsequenzen reflektieren, die sich aus dem Verhältnis der je nach Region relevanten, trotz des erkennbaren Bestrebens nach ‚reinlicher Scheidung‘ nicht immer klar voneinander abgrenzbarer oder auch nur definierbarer Gruppen ergaben: in Ostpolen und der Westukraine Polen, Litauer, Weißrussen und Ukrainer; in den baltischen Staaten Letten, Litauer, Polen, Esten und Russen; in Weißrußland Polen, Weißrussen und Russen. Was Juden anging, bemühten die Sipo- und SD-Funktionäre andere Kategorien und konstruierten dabei einen im „jüdisch-bolschewistischen Feindbild“ der Vorkriegsphase angelegten Kontext, der schon in der Beschreibung das sonst übliche Vorspiegeln sachlicher Distanz unterließ: Juden waren demnach „frech“, „dreist“, „anmaßend“ oder renitent bis aufsässig und wurden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Partisanenlage, den Aktivitäten von Kommunisten oder mit anderweitig deutschfeindlichen Vorgängen erwähnt. Andere Volksgruppen fanden in diesem Kontext meist dann Erwähnung, wenn es um die von Heydrich angeordnete Förderung von „Selbstreinigungsbestrebungen“ ging – entweder lobend, wie in Litauen und der Westukraine, wo Pogrome schätzungsweise 40000 Todesopfer forderten, oder ungläubig-konsterniert in Regionen wie Weißrußland, in denen die Bevölkerung trotz deutscher Animierung antijüdischen Gewaltmaßnahmen in der Regel ablehnend gegenüberstand.99

      Das Bestreben, für die Zukunft der besetzten Regionen die Weichen neu, in Richtung einer im Sinn der NS-Politik positiven Entwicklung zu stellen, zeigte sich auch in dem Versuch, den Anschein von‚ Überparteilichkeit‘ und sensibler Sorge im Bemühen um eine möglichst effiziente Einbindung der Einheimischen zu erwecken. Für Weißrußland etwa wurde Anfang September gemeldet: „Bleibt allerdings die in der Stadtbevölkerung allgemein erwartete Hilfe der Versorgung durch die deutschen Besatzungsbehörden aus oder hält die Ungewißheit über die allgemein erhoffte Regelung der Landfrage allzu lange an, dann muß mit einer Vertrauenskrise gerechnet werden, die einen geeigneteren Nährboden für die Feindpropaganda schaffen kann.“ Entscheidend sei darum „die Frage, ob das weißruthenische Gebiet lediglich ausgebeutet oder für das Reich auf die Dauer nutzbar gemacht werden soll. Ist das Letztere Zweck und Inhalt unserer Politik, dann muß die Bevölkerung zur Mitarbeit gewonnen werden, und hier ist eine ausreichende Versorgung wichtige Voraussetzung.“100 Derartige Versuche, sich als Sprachrohr einer langfristig ausgerichteten, fürsorglich bemühten Okkupationspolitik zu präsentieren (und dabei andere deutsche Instanzen explizit oder implizit in schlechteres Licht zu rücken), artikulierten sich gelegentlich auch in konkreten Forderungen, etwa nach „Betreuung der Jugend“, um sie „auf diese Weise von der Strasse fern zu halten“.101 Direkte Handlungsappelle an die Adresse der SS-Spitze oder andere NS-Instanzen blieben dagegen die Ausnahme.102

      Die Widersprüchlichkeit der EM-Berichterstattung läßt sich auf den immanenten Gegensatz zwischen eigenem Wahrnehmen und Wollen auf der einen Seite, objektiver und als solcher nur bedingt ignorier- und verzerrbarer Realität auf der anderen zurückführen. So war etwa Ende Oktober die Rede von der „Furcht vor den Partisanen, deren Bedeutung aber durchaus im Schwinden ist“: „Eine deutschfeindliche Stimmung [sei] eigentlich nur noch in den Kreisen festzustellen, die unter dem bolschewistischen Regime eine bevorzugte Behandlung genossen haben oder irgendwelche Aufstiegsmöglichkeiten vor sich zu sehen glaubten.“ Fanden Juden in diesem Kontext interessanterweise keine Erwähnung, tauchten sie wenig später unter der Rubrik „Propaganda“ als Trägergruppe von „Gerüchtemacherei“ auf.103 Wenig Sinn angesichts der Standardbehauptung, hinter den Partisanen stünden immer und überall Juden, machte es auch, in einem Atemzug die „Fluchtbewegung und die planmäßige Evakuierung der Juden nach Osten“ und die immer drängendere „Partisanengefahr“ zu nennen, zu deren Bekämpfung die Wehrmacht „die Unterstützung durch die Kommandos der Sicherheitspolizei“ angefordert habe.104 Die mittels Zahlenangaben und Detailinformation vorgespiegelte empirische Solidität und Verläßlichkeit war Teil des Bemühens um Selbstdarstellung und Kaschierung ideologisch verzerrter Wahrnehmung. Nicht immer finden sich Zahlen dort, wo man sie erwartet; bisweilen enthalten die EM sogar das Eingeständnis fehlender Faktenbasis. Der Wahrheitsgehalt der Meldungen zu einer Vielzahl von Themen ist jenseits des engen Kreises von Ereignissen, für die ergänzende Quellen gesicherte Erkenntnisse bieten, nicht nachprüfbar. Wunschdenken und Eigeninteresse der EM-Autoren sind in jedem Fall aber in Rechnung zu stellen und müssen umso stärker veranschlagt werden, je näher ein Sachverhalt im Zentrum sicherheitspolizeilich sensibler Politikfelder stand.

      Das herausragendste Merkmal der EM findet sich in der Berichterstattung zur „Judenfrage“ und leitet gleichzeitig über zu einigen Bemerkungen über die historische Relevanz dieser Quelle. Auf deren Auskoppelung aus dem „Volkstums“-bezogenen Berichtskontext und ihre Einbettung in den „Gegner“-Zusammenhang wie auch auf den Versuch, das Mordgeschehen durch die Wegstreichung beschreibender Textpassagen aus den Berichten zu beschönigen, sowie auf die Reduktion des Sachverhalts auf das numerische Ergebnis wurde bereits hingewiesen. Signifikant ist auch, daß für die ersten sechs Wochen des Ostfeldzuges in den EM zwar zahlreiche Exekutionen jüdischer Menschen gemeldet wurden, man jedoch offensichtlich bewußt den Eindruck vermied, es handele sich lediglich um Erschießungen aus rassischen Gründen. Statt dessen verortete man sich in jenem Rahmen, den Heydrich in seinem Schreiben an die vier HSSPF am 2. Juli vorgegeben hatte. Erst etwa Mitte August verzichtete man in den EM mehr und mehr auf die Angabe von Gründen für die Mordaktionen. Dies deutet darauf hin, daß der rassische Gesichtspunkt allgemein ausschlaggebend geworden war und durch Begriffe wie „judenfrei“ auch nicht mehr verschleiert wurde. Auffällig an den EM ist darüber hinaus, daß in ihnen der Konnex zwischen „Judenfrage“ – d. h. der ideologischen und parteiprogrammatischen Stilisierung der Thematik zum Hauptproblem der NS-Politik – und der jüdischen Bevölkerung im sowjetischen Besatzungsgebiet erst relativ spät, im zeitlichen Umfeld der Umstellung des Berichtsformats Ende Oktober, deutlich gemacht wurde. Statt dessen präsentierten die EM gerade in der Frühphase deutscher Okkupation vorgeschobene, widersprüchliche und selbst dem gutgläubigsten Leser leicht als konstruiert erkennbare Gründe für die Ermordung jüdischer Zivilisten. Von Wohnungsmangel über sanitäre Gefahren, Renitenz und Widerstand der Juden bis hin zum Partisanenkrieg reichten die Begründungszusammenhänge, während legitimatorische Hinweise auf die seit Jahren angestrebte und gerade von Heydrichs Männern maßgeblich mitbetriebene „Endlösung der Judenfrage“ weitgehend fehlten.105

      Hans Mommsen hat darauf hingewiesen, daß angesichts der „chiliastische[n] Dimension“ von Hitlers Antisemitismus den Vorwänden, die die Einsatzgruppen für die Ermordung der jüdischen Bevölkerung anführten, besondere Bedeutung zukommt als Ausdruck des Bedürfnisses nach „Rechtfertigung des Verbrechens, die über den rassenbiologischen Begründungszusammenhang hinausreichte“.106 Da sich die Einsatzgruppenführer wie gezeigt auf keinen formalen Befehl berufen konnten und die NS-Programmatik zu vage blieb, um jenseits der bekannten, oft wiederholten und vielzitierten „Prophezeiung“ Hitlers einer „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ im Falle eines erneuten Weltkrieges konkrete Handlungsanweisungen zu enthalten, bemühten Heydrichs Männer Phantasieargumente, die sie einerseits aus dem ideologisch überformten militärisch-politischen Konzept des Vernichtungskrieges, andererseits aus Gegnerstereotypen entlehnten, wie sie insbesondere in der SS seit Ende der 1930er Jahre zum festen Bestandteil institutioneller Kultur gehörten. Mommsen, der das „Klischee vom ‚jüdischen Bolschewismus‘ und den Juden als Unruheherd“ als entscheidenden Faktor für die „Einübung

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