Winterwundernacht. Группа авторов

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Winterwundernacht - Группа авторов

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so vollbracht hat … falls sie nicht gerade schlafen. Sie sehen, wie Kranke gesund werden und wie ihr Getreide auf den Feldern wächst. Und wenn sie nur ein bisschen genauer hinsehen würden, hätte nicht nur der Herr Küster bemerkt, dass mit uns was nicht stimmt.“

      „Was soll denn bitte mit mir nicht stimmen?“, fragte Maria säuerlich.

      „Ich meine, dass wir leben und eben nicht tot sind, wie sie vermuten“, versuchte Gabriel es noch mal.

      „Du bezeichnest dich also ernsthaft als ein Wunder?“, kiekste das Jesuskind. Gabriel sprang aus der Krippe und beugte sich drohend über Jesus.

      „Du kleiner, unnötiger Holzkopf …“

      „Er kommt!“, schrie Josef und löste damit eine Hektik aus, die man Holzfiguren gar nicht zugetraut hätte. Der Hirte jagte hinter seinem Lämmchen her, das keine Lust hatte, wieder einen Tag auf seinen Schultern zu verbringen.

      „Wir reden heute Abend weiter!“, zischte Gabriel Jesus zu und eilte zu seinem Platz. Maria stellte hastig das Traktat zurück und flitzte zum Altarraum, als der Küster den Kirchhof bereits halb überquert hatte.

      „Hey“, quiekte Jesus, „würde mich bitte jemand zurück in die Krippe legen?“

      Die drei Weisen stolperten über die Säume ihrer Gewänder, rempelten sich gegenseitig an und stritten darum, wer welches Gefäß in die Hände nehmen musste, als der Küster den Schlüssel im Schloss drehte. Gabriel versuchte sich zu erinnern, wie er seine Arme zu halten hatte. Josef nahm widerwillig seinen Platz ein und seine Laterne auf. Und gerade, als der Küster das schwere Portal der Kirche öffnete, ließ Maria sich auf die Knie nieder.

      Der Herr Küster schritt langsam das Kirchenschiff hinunter und sah eine Weile die heilige Familie an. Er nahm das Jesuskind hoch und bettete es sanft in der Krippe. Dann strich er über Marias absolut starre, unbewegliche, hölzerne rechte Hand, die gestern noch so ehrfürchtig gefaltet gewesen war, nun aber auf dem Rand der Krippe ruhte.

      Noch knappe drei Wochen, dachte er müde, dann stecke ich sie alle wieder ins Stroh!

      HEIKE BINDER

      23 Kerzen für Fiete

      Ein eisiger Wind wehte durch die Straßen Hamburgs. Der Winter kam früh in diesem Jahr. Fiete drückte sich an den Getreidespeichern herum, um ein wenig Schutz zu finden. In seinen durchlöcherten Taschen hatte er nur einige Kohlen, zwei Zündhölzer und ein Stück Brot für die Nacht. Nun hoffte er darauf, ein paar Holzscheite in der verlassenen Speicherstadt zu finden.

      Kein gutes Jahr, dieses 1839. Im Januar war sein Vater auf See geblieben, bei einem Sturm um Kap Horn war sein Schiff untergegangen. Dann war auch noch die Mutter bei der Geburt der kleinen Schwester gestorben. Der Säugling hatte keine Chance gehabt zu überleben. Es gab niemanden in der Familie oder in der Nachbarschaft mehr, der sich um ihn und seinen großen Bruder Jan gekümmert hatte.

      Eine Generation vorher war die Familie vom Land gekommen. Als der Gutsherr den Pachthof freigab, blieb nur genügend Land für den ältesten der Söhne. Fietes Vater zog in die Stadt. Aus der Landratte, die nichts so sehr wie den Duft der Erde liebte, war ein Seemann geworden. Die große Stadt versprach anfangs viel – und hielt dann wenig. Reichlich Arbeit für einen mageren Tageslohn. Und so kamen alle, für die es kein Land mehr zu bewirtschaften gab, in die Fabriken der Städte. Wer die Zwölfstundenschichten nicht durchhielt, wurde durch einen anderen Arbeiter ersetzt. Alle mussten ran, Frauen, Kinder, Alte. Der Wohnraum war knapp. Einige Arbeiter schliefen mit ihren Familien in den Maschinenhallen. Fietes Familie hatte ein Quartier in einem der Armenviertel gefunden. Die Mutter verdiente ein paar Kreuzer als Wäscherin. Hier war Fiete geboren worden. Das Leben auf dem Land, auf dem Bauernhof, die Namen der Großeltern und Verwandten kannte er nur vom Hörensagen. Er wusste nur zu gut, dass es für ihn und Jan dort nichts zu holen gab.

      Nach dem Tod der Eltern war Jan und ihm nur die Straße geblieben. Ab und an hatten sie sich ein paar Groschen fürs Säckeschleppen verdienen können, wenn die Ladung eines Schiffs gelöscht wurde.

      Aber vor zwei Wochen hatte er auch noch seinen großen Bruder verloren. Typhus.

      Fiete war mit seinen acht Jahren ein dürres, blasses Bürschchen, das in seiner Filzhose und den viel zu großen Holzschuhen verloren aussah. Die Schuhe hatten Jan gehört. Bevor der Bestatter mit dem Sarg Jan abgeholt hatte, hatte Fiete seinem Bruder die Schuhe ausgezogen, denn seine waren ihm schon lange zu klein. „Im Himmel ist es weich und warm, da brauchst du keine Schuhe, Jan.“

      Da war sich Fiete ganz sicher, und außerdem waren sie das einzige Andenken, das ihm von seinem großen Bruder geblieben war.

      Ohne ihn fand Fiete keine Arbeit. „Verschwinde, du Laus!“, lachten diesselben Männer ihn aus, die ihn und seinen Bruder vor einigen Wochen noch hatten mitarbeiten lassen, wenn sie um Arbeit gefleht hatten.

      An diesem Novemberabend war seine Schlafnische schon belegt. „Hau ab, oder es gibt was!“, riefen die großen Bengel hinter ihm her.

      „Gott sei Dank! Sie haben meine Taschen nicht durchsucht!“, dachte Fiete erleichtert und spürte die Kohle, die Zündhölzer und das Brot zwischen seinen Fingern. Er probierte es an seiner zweiten Schlafstelle am Hafen. Zwischen den Salztonnen und Heringsfässern fand er Platz auf einer Holzkiste. Geschickt zündete er ein kleines Feuer an und aß das trockene Stück Brot zur Nacht. „Jetzt bloß schnell einschlafen, bevor das Feuer ausgeht“, dachte er sich. Kaum hatte er sich zusammengerollt, überkam ihn der Schlaf.

      In dieser Nacht träumte Fiete etwas Seltsames; von einem wohlig warmen Haus. Jungen standen an Fenstern und lachten ihn an, als er dort an die Tür klopfte. Ein Mann öffnete ihm, gab ihm eine heiße Suppe und einen sauberen Strohsack für die Nacht. Und da war dieser Gesang. Fiete folgte ihm, die Treppe hinunter kam er in eine große Halle. Von einem großen Rad, das wie ein Kronleuchter unter der Decke hing, leuchteten viele Kerzen, und Knabenstimmen sangen: „Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn.“ Ein Mann nahm seine Hand und lächelte ihn an …

      „He! Steh auf, du Wurm! Los jetzt! Hier schlafe ich!“ Unsanft hatte die Stimme des Einbeinigen Fiete aus seinen Träumen geweckt. „Kannst du nicht hören?“

      „Bitte lass mich hierbleiben. Es sind meine Kohlen. Wir können doch zu zweit am Feuer sitzen.“

      „Verschwinde oder ich erschlag dich mit meiner Krücke!“, drohte der Mann. Fiete wollte nicht weinen, aber Angst und Kälte trieben ihm die Tränen ins Gesicht. Gemäß dem Gesetz der Straße nahm der Stärkere mitleidlos seinen Platz am Feuer ein.

      Der Schnee ließ nicht nach. Jeden Tag schneite es mehr. Müde und hungrig strauchelte Fiete durch die Straßen. Ihm war heiß, trotz der Kälte. Gegen Hunger und Durst aß er Schnee.

      Am Ewigkeitssonntag brach er hustend vor einer Kirche zusammen. Im Pfarrhaus rang er mit dem Tod. Fiete hatte eine schwere Lungenentzündung. Pfarrer Lütke und seine Frau versuchten alles, um ihm das Leben zu retten. „Es ist noch zu früh für dich!“, hatte Jan ihm im Traum während der Krankheit gesagt. „Du wirst noch lange leben, Fiete!“ Fiete überlebte tatsächlich – dank der fürsorglichen Pflege, vieler Gebete

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