Blutholz. Wolfgang Teltscher

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Blutholz - Wolfgang Teltscher

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mal Manfred, worüber grübelst du die ganze Zeit?«

      Marder wollte gerade protestieren.

      »Und sage nicht, dass du nicht grübelst. Beim Grübeln atmest du nämlich ganz anders als beim Schlafen.«

      »Über nichts Besonderes.«

      Das war eine Antwort, die zum Nachfragen aufforderte.

      »Du denkst doch wohl nicht schon wieder über deine Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis nach?«

      Richtig. Darüber hatten sie sich gestern unterhalten. Das hatte er ganz vergessen. Marder legte einen Arm um seine Frau und schob sich näher an sie heran. Iris fiel noch etwas ein, das sie ihrem Mann vorher mitzuteilen hatte.

      »Übrigens, bevor ich es vergesse. Gisela Falkenberg hat heute angerufen und gefragt, ob wir am Wochenende zusammen Rad fahren wollen.«

      »Um diese Jahreszeit? Es ist doch fast noch Winter. Gestern hat es sogar ein bisschen geschneit.«

      »Ja, aber heute ist alles wieder geschmolzen und am Wochenende sollen es über zehn Grad werden.«

      »Und was hast du Gisela gesagt?«

      »Dass ich erst einmal mit dir sprechen will und ich sie morgen wieder anrufe.«

      »Und was wirst du ihr sagen, wenn du sie anrufst?«

      »Dass wir uns beide sehr darauf freuen, mit ihr und Erich Rad zu fahren.«

      |20|»Aber du hast mich doch gar nicht gefragt, ob ich mich darüber freue.«

      »Warum sollte ich das? Ich weiß immer, was du willst, ohne dich zu fragen.«

      |20|6.

      Es war ein ganz gewöhnliches Messer, ein Messer wie es tausendmal vorkommt. Es hatte seine Arbeit getan, seine Schneide war von Blut verschmiert. Blut, das noch nicht trocken war, als das Messer neben dem toten Baumstamm auf den Boden fiel. Die Hand, die das Messer fallen gelassen hatte, trug Gummihandschuhe, an denen ein Finger fehlte. Die Person, der das Messer gehört hatte, steckte die Handschuhe in eine Plastiktüte. Sie wollte nicht riskieren, dass sie gefunden wurden.

      |20|7.

      Die Marders waren zweimal für Kurzurlaube zum Wandern im Deister gewesen, dabei hatten sie jedesmal in der Pension Marianne bei Frau Thann übernachtet. Von Stade in den Deister war es eine Fahrt von zwei Stunden, sie hofften, dadurch den Winternebeln am Ufer der Elbe für eine kurze Zeit zu entkommen, vielleicht sogar einen ersten Frühlingstag am »nördlichsten Berg Deutschlands« zu erleben. Die |21|Autobahnausfahrt nach Barsinghausen hatte sich seit ihrem Besuch verändert. Nicht zu ihrem Besten, fand Marder. Für ihn gehörten Sexshops und Spielhallen in die dunklen Ecken einer Stadt, hier boten sie sich offen und freizügig dar. Zielgruppe waren wohl die Fahrer, die ihre Lastwagen auf dem Autohof abstellten und während ihrer Ruhezeiten einen sinnvollen Zeitvertreib suchten.

      Iris saß am Steuer und ignorierte die verwerflichen Etablissements. Das Auto bog in die Landstraße nach Bantorf ein. Die kleinen Ortschaften, durch die sie auf dem Weg nach Barsinghausen fuhren, waren ihrer dörflichen Vergangenheit treu geblieben. Hier schien die Zeit still zu stehen. Lediglich die Schaufenster der Lebensmittelgeschäfte, die es früher gegeben hatte, waren mit alten Zeitungen verklebt. Kurz vor dem Ortsschild von Barsinghausen verlangsamte Iris die Geschwindigkeit und wandte sich an ihren Ehemann.

      »Bist du ganz sicher, dass Frau Thann uns heute erwartet? Nicht dass du das Datum durcheinander gebracht hast.«

      »Du kannst ganz beruhigt sein. Ich habe erst vor ein paar Tagen das Zimmer bei ihr gebucht und gestern habe ich sie noch einmal angerufen und ihr gesagt, wann wir heute ungefähr ankommen. Und sie hat gesagt, sie freut sich sehr darauf, uns noch einmal zu sehen, bevor sie die Pension zumacht. Wir werden uns in Zukunft eine andere Unterkunft suchen müssen, wenn wir Ferien in den Bergen machen wollen

      »Eigentlich schade, dass es die Marianne bald nicht mehr geben wird. Aber ich kann gut verstehen, dass es Frau Thann langsam zu viel wird und sie keine Lust mehr dazu hat. Sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste«

      Marder nickte zustimmend.

      |22|»Mehr als die Pension werde ich Frau Thann vermissen. Sie war wirklich eine ideale Herbergsmutter, wenn man sie so bezeichnen darf.«

      »Das glaube ich dir aufs Wort. Du hast ja schon von ihr geschwärmt, als du wegen Matuscheks Tod zum ersten Mal in Barsinghausen warst. Erst dachte ich, ich müsste eifersüchtig sein.«

      »Ein bisschen Eifersucht kann nie schaden.«

      »Im Prinzip schon, aber bei Frau Thann war das wohl nicht nötig. Außerdem schwärmst du sowieso eher für jüngere Frauen, so wie mich.«

      »Ich habe doch immer gesagt, dass es außer dir keine Frauen in meinem Leben gibt – jedenfalls keine, die ich liebe.«

      »Das hat auch der Prinz zu Dornröschen gesagt, bevor er Aschenputtel hinterherlief.«

      »Der Trick mit dem Schuh war ja auch perfide. Pass auf, da vorne musst du rechts rein. Marianne liegt oben am Hang.«

      »Ich fahre erst mal geradeaus.«

      Marder war verwirrt.

      »Warum denn das? Wenn ich sage rechts, kannst du mir es glauben, ich kenne mich hier aus.«

      »Wenn wir schon das letzte Mal bei Frau Thann wohnen, können wir ihr wenigstens ein paar Blumen mitbringen«, verkündete Iris. »An solche Kleinigkeiten muss immer ich denken?«

      Marder seufzte. Iris hatte recht, aber sie war in der Familie immer für auswärtige Angelegenheiten zuständig gewesen. Ihm unterstanden vor allem die Ressorts Finanzen und Verteidigung.

      Im Stadtgebiet lenkte er seine Frau zu dem kleinen See, wo |23|sein Kollege Matuschek vor einigen Jahren gestorben war. Er wusste, dass es dort einen Parkplatz gab, der selten voll belegt war, da er für die meisten Besucher der Fußgängerzone am falschen Ende der Stadt lag. Drei Autos standen auf dem Platz, wo es Raum für fünfzehn oder mehr gab. Unter den Scheibenwischern von zwei von ihnen klemmte ein Strafbescheid. Neugierig nahm er einen davon in die Hand. Dem Fahrer wurde eine Strafgebühr aufgebrummt, weil er keine Parkscheibe hinter der Windschutzscheibe ausgelegt hatte. Die dementsprechende Anweisung stand kaum lesbar auf einem verschmutzten Schild, das zur Hälfte von einem Busch verdeckt wurde. Ähnliches war Marder in Stade auch passiert, es ärgerte ihn vor allem dann, wenn es keinen Mangel an freien Parkplätzen gab, er also lediglich wegen einer unbarmherzigen Politesse eine Strafe zahlen musste.

      »Lächerliche Bürokratie«, schimpfte er. Vorsichtshalber legte er die Parkscheibe in seinem Auto deutlich sichtbar aus. Dabei schummelte er um eine halbe Stunde.

      Der Weg zur Fußgängerzone führte zwischen Rathaus und Stadtkirche den Hang hinab und endete auf dem zentralen Platz des Ortes. Marder und seine Frau blieben stehen, um nach einem Blumengeschäft Ausschau zu halten. Er spürte einen heftigen Stoß in den Rücken und wäre gestürzt, wenn er sich nicht geistesgegenwärtig an seiner Frau festgehalten hätte. Ein Inline-Skater hatte beim Überspringen einer flachen Mauer die Kontrolle über seine Skates verloren, war durch die Luft getaumelt, hatte nach einem Halt gesucht und dabei Marder mit einem Arm getroffen. Der junge Mann rollte weiter, ohne sich

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