Blutholz. Wolfgang Teltscher

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Blutholz - Wolfgang Teltscher

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sich dadurch nicht bei ihrer Suche nach Grünzeug stören ließen. Die Sträucher an den Ufern spiegelten sich auf der Wasserfläche, sie zeigten die ersten Knospen des Frühlings, trugen aber noch keine Blätter. Der kleine See lag offen, vom Rathaus auf der anderen Seite der Straße hatten der Bürgermeister und seine Mitarbeiter einen freien Blick auf die Idylle.

      »Weißt du«, sagte Marder nach einer Weile zu seiner Frau »wenn ich hier bin, muss ich immer wieder über den tragischen Tod von Alfred Matuschek nachgrübeln. Ich frage mich, ob seine Kinder gelegentlich an diesen Teich kommen, um an ihn zu denken. Ich bin mir fast sicher, dass sie das nicht tun.«

      »Das vermute ich auch«, sagte Iris leise. Auch sie wurde offensichtlich von diesem Ort bewegt. Sie fuhr fort:

      »Trotzdem bin ich überzeugt, dass sein Tod die Kinder nicht unberührt gelassen hat, wenn man dann noch bedenkt, dass sich ihre Mutter zwei Jahre danach ebenfalls das Leben genommen hat, nur weil sie sich mit dem falschen Mann eingelassen hatte. Das muss Bertram und Anja tief getroffen haben. Vor allem Anja. Sie wird für den Rest ihres Lebens schwer daran zu tragen haben. Die Beziehungen zwischen Müttern |35|und Töchtern sind eine höchst komplizierte Sache. Ich bin überzeugt, dass Mütter einen größeren Einfluss auf das Leben ihrer Töchter haben als die es jemals zugeben. Ich würde mich nicht wundern, wenn Anja eines Tages daran zerbricht.«

      »Wir wissen das nicht, und ich hoffe, wir werden es nie erfahren«, antwortete Marder und stand abrupt auf. »Komm, lass uns in den Wald gehen. Vielleicht kommen wir dort auf schönere Gedanken.«

      Ein Irrtum. Große Bereiche des Waldes befanden sich im Zustand absurder Verwüstung. Kyrill hatte breite Schneisen der Zerstörung in den Wald gerissen. Es gab kaum Übergänge zwischen den Flächen, wo der Wald gnadenlos abrasiert worden war und denen, wo er beinahe unberührt stehen geblieben war. Vor allem Nadelbäume mit ihren flachen Wurzeln hatten der Gewalt des Windes nichts entgegenzusetzen gehabt. Die Bäume waren aus der Erde gerissen und lagen ineinander verkeilt auf dem Boden. Andere waren abgebrochen, entweder auf halber Höhe oder unterhalb ihrer Krone, ihre bizarren Stümpfe zeigten in den Himmel wie verhöhnend erhobene Finger. Marder musste an die Stahlträger des World Trade Centers in New York denken, die aus den Ruinen der beiden in sich gesunkenen Türme empor ragten. Aus den Wunden der Bäume floss der Saft, der sie am Leben gehalten hatte. Marder musste unwillkürlich an die toten Menschen denken, die er zu oft in seinen Berufsjahren als Kriminalist betrachten musste. Auch aus ihren Wunden war oft der Saft des Lebens geflossen, nur war es nicht Harz, sondern Blut gewesen.

      Den wenigen Laubbäumen, die in diesem Bereich des Waldes gestanden hatten, war es nur wenig besser ergangen. Einige |36|von ihnen waren ebenfalls unter der ungeheuren Wucht des Windes umgestürzt. Die noch standen, hatten zerrissene Kronen, ihre Äste hingen wie Fetzen an den Stämmen herunter. Über allem lag die Stille eines Friedhofs, Geräusche, die das Leben im Wald bezeugten, fehlten. Vögel, die hier gebrütet hatten, mussten woanders neu anfangen, ebenso die Tiere, die auf dem Boden lebten. Seit dem Sturm waren mehrere Wochen vergangen, aber die Forstverwaltung hatte es noch nicht geschafft, die Waldwege freizuräumen, nur der Hauptweg war notdürftig freigemacht. Man hatte die Baumstämme, die darübergefallen waren, durchgesägt, an den Seiten notdürftig gestapelt und dadurch einen Pfad durch das Chaos geschnitten.

      Ein leichter Wind wehte über den Hang. Er brachte den Geruch von frischem Holz mit sich. Der Wald war hier zwar gestorben, aber er hatte noch nicht angefangen zu vermodern. In der Luft schwebte ein Raubvogel, der den Wirrwarr unter sich beobachtete, vielleicht hoffte er auf eine mühelose Mahlzeit – ein verendetes Kleintier, das ein Opfer der umstürzenden Bäume geworden war.

      Während Manfred und Iris Marder dieses Chaos betrachteten, erfüllte ein leises Geräusch die Luft, ein Knistern, als ob sich Elektrizität entlud. Der Ton wurde eindringlicher, aggressiver, ging in ein Krachen über. Er kam vom Rand des zerstörten Gebietes, dort wo der Wald begann, der überlebt hatte. Die Krone einer Fichte neigte sich zur Seite, brach ab und fiel auf den Waldboden. Kyrill hatte den Baum offensichtlich beschädigt, das Werk der Zerstörung aber nicht vollenden können. Das hatte die Natur nun nachgeholt. Marder erschauderte, es hätte ebenso der Baum sein können, in dessen |37|Nähe sie gerade standen. Sie gingen wenige hundert Meter bergauf, dort war die Welt wieder in Ordnung, der Wald friedlich und voller Hoffnung, wie es zu Beginn des Frühlings in jedem Jahr war – so als hätte es den Orkan nie gegeben. Kyrill hatte trotz seiner Wut nur Schneisen von mehreren hundert Metern Breite durch den Deister geschlagen, dort seinen Zorn und Furor ausgetobt und den Rest der Hügel weitgehend verschont.

      Auf dem Weg in die Stadt zurück kam ihnen eine riesige Holzerntemaschine vom Typ »Harvester« entgegen. Die Menschen waren dabei, wieder Ordnung in den deutschen Wald zu bringen.

      |37|9.

      »Bei dem schönen Sonnenschein habe ich den Frühstückstisch im Wintergarten gedeckt und die Zeitung gleich dazugelegt«, begrüßte Frau Thann ihre Gäste, als sie die Treppe herunterkamen.

      Marder hielt den ersten Kaffee des Tages in der rechten Hand, mit der linken blätterte er in der Zeitung und suchte die neuesten Informationen über das blutige Messer am Waldrand. Auf Seite drei wurde er fündig.

      »Es scheint etwas Neues zu geben«, sagte er. «Es ist ein ziemlich langer Bericht. Ich glaube, die lokale Presse ist glücklich, wenn vor Ort etwas Aufregendes passiert, selbst wenn es etwas Schreckliches ist – die Leute lesen dann die Zeitung mit mehr Interesse als gewöhnlich.«

      |38|»Lies laut«, sagte Iris. »Ich schmiere dir inzwischen ein Brötchen. Welche Marmelade willst du?«

      »Das weißt du doch. Ich nehme immer die bittere Orangenmarmelade, wenn es welche gibt.«

      Er zeigte mit dem Finger energisch auf die Schale mit seiner Lieblingskonfitüre.

      »Ich dachte, du wolltest vielleicht mal was Neues probieren, jetzt wo wir Ferien machen. Du könntest manchmal ein bisschen abenteuerlustiger beim Essen sein.«

      »Ich weiß, du meinst es gut, mein Schatz. Aber ich will beim Frühstück keine Abenteuer erleben. Ich will einfach nur bittere Orangenmarmelade. Soll ich nun vorlesen oder nicht?«

      »Entschuldigung. Ich wollte dir deine Marmelade nicht vermiesen. Ich weiß ja, wie sehr du daran hängst. Ich bin jetzt ganz Ohr. Lies bitte vor.«

      Marder las:

       »Das blutige Messer, das vorgestern ein Jogger im Wald am Rand eines Parkplatzes in der Nähe der Freilicht-Bühne gefunden hat, gibt der Polizei weiterhin Rätsel auf.

       Es ist inzwischen bestätigt, dass es sich bei dem Blut um menschliches Blut handelt, wahrscheinlich Blut von einer Frau. Die Polizei vermutet, dass es nicht aus einer zufälligen kleinen Schnittwunde stammt – dafür ist die ursprüngliche Menge des Blutes an dem Messer und dem Baumstamm dem Anschein nach zu groß gewesen. Das Messer hat einen schwarzen Plastikgriff, es ist ein Modell, wie es wahrscheinlich in vielen Haushalten vorhanden ist.

      Die Spurenexperten haben bisher keine Fingerabdrücke am Griff des Messers finden können. Das gibt der Kriminalpolizei |39|besonderen Anlass zur Sorge. Möglicherweise hat der Besitzer das Messer verloren, ohne es zu bemerken, und die Fingerabdrücke sind durch die Witterung beseitigt worden. Es ist jedoch nicht völlig auszuschließen, dass eine Person das Messer dort absichtlich abgelegt hat, nachdem sie eventuelle Fingerabdrücke am Griff und an der Klinge abgewischt hat. Es stellt sich die Frage, warum. Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, dann wäre die Beseitigung der Fingerabdrücke durch den Täter nur logisch.

       Weitere forensische Untersuchungen des Blutes, die Aufschluss darüber geben könnten, wie lange das Messer

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