Dantes Inferno I. Akron Frey

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Dantes Inferno I - Akron Frey

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«Du bist durch dich hindurchgekommen!»

       «Was bedeutet ‹durch mich hindurchgekommen›?»

       «Das heißt, daß du durch die Tür gekommen bist!»

       «Wenn ich aber durch die Tür gekommen bin, wie kann ich dann durch mich selbst gekommen sein?»

       «Weil du die Türe selbst bist!»

       «Dann zeig mir diese Tür!» schrie ich erbost.

       Er schmetterte die Tür ins Schloß, und die Bilder versickerten in meinem Hirn. Ganz langsam lösten sie sich auf, und genauso langsam öffnete sich eine Glaskuppel, die aussah wie eine Hirnschale. Ich schwebte auf meinen Körper zu, glitt durch meinen Kopf in ihn hinein und fühlte, wie sich in meinem Gehirn eine Vorstellung formte, die sich in der räumlichen Sphäre manifestierte. Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter. Jemand war durchs Zimmer auf mich zugekommen: «Komm mit!» sagte er. Ich öffnete die Augen.

       «Ich führe dich zur Tür!» Da stand er vor mir, sein Blick traf mich direkt ins Auge, und plötzlich war mir klar, als ich mich durch die Augen von ihm sah, wie großartig das Wesen dieser Illusion sein mußte, die alles andere als Täuschung oder Irrtum war, sondern die Wirklichkeit einer irrealen Sehnsucht, die mich mit ihm verband. Ja, es war mir klar, daß er ein anderer Teil von mir war und daß ich nicht aus ihm herauskommen konnte, ohne mich nicht selbst zu verlieren. Und trotzdem war er mir vertraut, denn zwischen uns war eine Verbindung wie zwischen Zeit und Ewigkeit, und unsere Blicke bildeten die Brücke: «Hör auf, mich anzustarren!» hörte ich ihn sagen, aber meine Gedanken kreisten immer stärker um seine seltsam leuchtenden Augen, denn jetzt wußte ich, sie hatten mich erkannt.

      Die Fische-Vorhölle

      Als Akron mich ansah, wußte ich, wo ich war. Niemals vergesse ich seinen ersten Blick, als er neben mir stand und beiläufig sagte: «Ich bin der Geist, der die Polaritäten überwunden hat, indem er Gott ins Auge blickte und darin die Wahrheit fand. Und du bist der Sünder, der nach einem langen Irrweg wieder zurückgekehrt ist, um vom Ganzen, von dem er sich abgespalten hat, wieder aufgenommen zu werden, damit er das einstmals aus sich selbst Entfernte wieder in sich zurücknehmen kann als das, was es ist, nämlich als einen Teil von sich selbst. Bist du bereit?»

      Als ich freudig bejahte, warf er mir die nächste Frage an den Kopf: «Dann sage mir, wer du bist?!»

      «Wieso? Ist das hier wichtig?» wollte ich wissen.

      «Ich führe dich zu den unergründlichen Tiefen der Seele, deren Ziel es ist, die gefestigte Ordnung aufzuweichen und die Materie in ihre Urbestandteile aufzulösen», psalmodierte er mit glänzenden Augen, «deshalb muß jeder Sünder an dieser Schwelle darüber nachdenken, wer er ist, damit er weiß, was er verliert. Denn hier verlierst du alles, was du bist, und gewinnst alles, was du verlierst. Deshalb möchte ich dich nochmals auffordern, mir hier laut und deutlich zu sagen, wer du bist!»

      «Ich bin ich!» brüllte ich. Langsam wurde ich nervös.

      «Und woher weißt du, daß du existierst?»

      «Es ist eine intuitive Erkenntnis.»

      «Das ist kein Beweis: Was für konkrete Beweise hast du dafür, daß du existierst?»

      «Nun, ich denke, mein sensorisches Empfinden übermittelt es mir.»

      «Gut», er lächelte zufrieden. «Nun denk über die nächste Frage nach: Was ist der Sinn deiner Existenz?»

      «Zu sein!» stieß ich mißmutig heraus.

      «Du lügst! Wenn das der Sinn deiner Existenz wäre, was wäre dann der Sinn dieser Reise? Ich frage dich also: Bist du bereit zu akzeptieren, daß es keinen fixen Ich-Kern gibt, daß das Selbstbild, das du dir aufgebaut hast, eine Illusion ist, die sich nur dadurch nicht auflöst, weil sich dein Bewußtsein um sich selbst drehend in einer fließenden Bewegung dauernd neu manifestiert?»

      «Warum willst du das hören?» fragte ich stöhnend.

      «Der Limbus stellt die große Sehnsucht dar», erwiderte er und holte tief Luft, «in der sich unsere kleine Sehnsucht spiegelt, deren Schatten das persönliche Ego ist. Hier begegnest du nicht nur dem Anfang, der werden will, sondern auch dem Ende, das vergehen muß, damit es wieder werden kann, um aufs neue zu vergehen, denn diese Hölle versinnbildlicht die Drehscheibe im göttlichen Schöpfungsplan, weil sie dem schöpferischen Willen entspricht, der keine Absicht hat und ohne die Strukturen des göttlichen Schöpfungsplanes einfach die Potenz des sich selbst aus sich heraus gebärenden Urnichts darstellt. Nur wer um die Unverrückbarkeit dieser absoluten Wahrheit weiß, ist für die Höllischste aller Reisen bereit!»

      Plötzlich tat sich der Boden vor mir auf und bildete eine steile Teppe, die tief hinab ins Dunkle führte. Die ganze Sehnsucht meiner inneren Hölle schoß hervor, und unendliche Dimensionen taten sich wie ein riesiger Schlund vor mir auf, denn offenbar hatte ich die Grenze erreicht, an der diese Fähigkeit hervortreten konnte. Ich hatte sozusagen den Punkt erreicht, an dem ich in mich selbst hineintreten konnte. Mein ganzes Hirnpotential war auf Empfang ausgerichtet, und ich sog begierig auf, was mir das Unbewußte zuspielte. Irgendwie war ich mir sicher, daß diese Ausstülpung meiner Innenwelt etwas ganz Natürliches war, ein Spiegel gewissermaßen, in dem man seinem unbewußten Schatten bewußt begegnen konnte, und Akron die Ausstülpung eines anderen Teils meiner Persönlichkeit, der durch mein Bewußtsein hindurch die Brücke bildete, die mich mit den irrealen Mysterien meines Unbewußten verband. Er war sozusagen ein Attribut meiner Hingabe an das Höhere in mir selbst, und mir schien, daß alle kreativen Fähigkeiten die Möglichkeit besassen, mich mit den höherdimensionierten Realitäten in Verbindung zu bringen. Ich sollte wegschauen, ihn nicht anstarren, hatte Akron mit blitzenden Augen noch gesagt, bevor er über die Brücke verschwand, als er nämlich sah, daß ich ihm folgen würde, denn jetzt wußte er, daß ich ihn erkannt hatte.

      «Schau nicht hin, während du die Stelle überquerst», hatte er mich gewarnt, als er den Spalt zur Unterwelt am anderen Ende der Brücke öffnete und sich das Nichts drohend vor mir auftürmte, «sonst wird es dein letzter Blick auf den inneren Sternenhimmel gewesen sein, im letzten Moment vor dem Einschlafen, wenn du den Hüter der Schwelle passierst, denn es handelt sich hier um die Sehnsucht deiner Seele nach einem Einblick in ihr eigenes Uhrwerk, der vom rational-logischen Gesichtspunkt aus als unmöglich erscheinen muß. Keiner hält die zersetzenden Dimensionen der Fische mit seinem rational-kausalen Denken aus. Er würde wahnsinnig.»

      Meine Augen waren offen; alle meine Sinne waren wach. Ich strengte mich an, nach vorne zu sehen. Aber da gab es nichts. Oder, falls es doch etwas gab, konnte ich es nicht erfassen. Meine Sinne gehorchten nicht mehr jener Arbeitsteilung, die ich als sinnvoll zu betrachten gelernt hatte. Alles stürzte gleichzeitig auf mich ein, oder besser gesagt, das Nichts stürzte auf mich ein, wie ich es niemals vorher oder nachher erlebt hatte. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Körper entzweigerissen. Eine Kraft aus meinem Inneren drängte hinaus. Ich zerbarst, und das nicht nur bildlich gesprochen. Das Ego zerfiel, und vor meinen inneren Augen stiegen pulsierende Wirbel auf, in denen ich meine äußeren Blicke erkannte, aus denen unendliche Spiralfäden

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