Einfach geh'n: Stefan Wiebels Lebensreise. Hans-Joachim Bittner
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Stefan Wiebel in seinem Element, hier am Rasmustinden (1.224 Meter) über dem Balsfjord in den Lyngenalpen.
Die Ausrüstung, jene, die „seine“ Bilder produziert und das bereits geschulte Fotografenauge mittels unfassbarer Technik so sagenhaft unterstützt, wurde ausgebaut, sukzessive. „Ich habe mich aus dem Fenster gelehnt. Weit, sehr weit“, seufzt Stefan, der Ungewissheit bewusst. „Lohnt sich das? Das alles?“ Kommt hinten raus ein Plus? Muss es überhaupt ein Plus sein? Er muss es tun, ohnehin. „Ich kann nicht mehr anders.“ Das Kamera-Equipment darf und soll Profi-Ansprüchen genügen. Erst recht bei bis zu minus 20 Grad, bei Eis und Schnee, bei Regen und Wind und zuletzt einem Sturm. Einem Sturm, seinem Leben gleich.
Stefan gelang es, Chileflamingos am Chiemsee zu fotografieren.
Viel zu lange spielte die Fotografie eine untergeordnete Rolle: „Damit hab ich mich nie umfassend beschäftigt. Digital schon gar nicht.“ Jetzt bereiten Stefan feinste Pixel und Kontrast aufnahmefähige Sensoren richtig Spaß. Und Unbehagen: „Habe ich alles zusammen, habe ich die für meine Ansprüche bestmögliche Ausrüstung dabei?“ Fotografen-Kollegen verstehen: Hundertprozentig zufrieden sind sie mit ihrer Ausstattung samt Zubehör nie. Stefans Ergebnisse können sich sehen lassen, mehr als das.
Es gelang ihm, fast als Einzigem vom Wasser aus (= hervorragende Perspektiven), vier Chileflamingos zu fotografieren. Ausgebüchst und mehr Rot als Rosa. Mitten in Oberbayern. Sie kommen zurecht, in „seinem“ Revier am Bayerischen Meer, dem Chiemsee. Ansonsten gehört die Saalach oder der Luftraum über dem Berchtesgadener und Salzburger Land zu seinen Kamera-Jagdgebieten.
Stefan hat sich mit der Zeit zu einem echten Profi an der Kamera entwickelt …
Das Unterwegssein stachelt an, so stark, so unverzeihlich, so bebend. Vom „höher, schneller, weiter“ längst getrennt. „Was bringt mir das?“ Die Fragen wiederholen sich. Er will erleben, nicht hetzen, will sehen und nichts versäumen, von den Großartigkeiten der verschwenderisch-verführenden, der faszinationsschwangeren Landschaften. Immer wieder, immer mehr. Er denkt nicht an Rekorde. Körperlich stehenbleiben ja, geistig nie. Gehen, einfach geh’n … Vorankommen. In klarer Luft. Einatmen. Für ewig abgespeichert. So tief. Die Kraft der smogfreien Polarluft. Aufsaugen. Und mit nach Hause nehmen. Die Inspiration, das Schweben auf Wasser, das Gleiten auf Schnee, die unfassbare Stille. Das Knirschen der Schneeschuhe auf Eisboden, der eigene Atem, das Außer-Atem-Sein, die Erschöpfung – die am Ende ein so wohliges Gefühl vom Kopf bis in alle zehn Zehenspitzen zaubert. Letztlich wieder Wärme. Er paddelt, er zeltet und steigt auf (Schnee-)Berge, mit Skiern, fährt wieder elegant ab, klettert, auch mal im Eis. Und er fliegt, immer noch … – all das hat er längst und das andere vorerst für sich entdeckt.
Früher bewegte sich Stefan im Spitzensportbereich: Einmal Deutscher Meister, zu zweit an 20 neonbunten Nylonschnüren hängend, unter einem 26-Quadratmeter-Schirm. Sechsmal beim Dolomiten-Mann dabei, in Lienz, Osttirol, westliches Österreich. Als Paraglider, als Gleitschirmstürmer. Genuss war’s keiner, eher eine Hatz, eine gefährliche. Wie so oft. Das Vergnügen kam danach, am Siegerpodest, zu kurz: zweimal Zweiter mit jenem Schirm, einmal Gesamtdritter im Zwei-Disziplinen-Team, mit Anderl Hartmann, dem inspirierenden Freund und hilfreichen Ideengeber, dem seit 2013 Profi-Mountainbiker, der gute, der immer besser werdende … – von nebenan, aus Bad Reichenhall. Mit ihm er trainiert schon mal, am Hochschwarzeck, Berchtesgadener Land, in tiefen Tälern und auf hohen Bergen.
Profi-Mountainbiker Anderl Hartmann (rechts mit der Startnummer 20).
Kapitel II: Der Wegbleiber
Die Lyngenalpen.
Kapitel II: Der Wegbleiber
Er wollte es schon immer: Unterwegs sein. Es lag im Blut. Stefan musste immer früh raus, nicht erst beim ersten Sonnenstrahl, denn da ist er längst da. Auch der letzte hat seinen ganz besonderen Reiz für ihn, er bleibt bis zum Schluss des Tages, bis zum letzten Lichtschein. Aber er kommt wieder. Zurück, nach Hause, ins Gewohnte, scheinbar Sichere, Geborgene und Warme.
Stefan, gerade fünf geworden.
Hügelig ist’s dort, wo er diese Erde betrat. Maingegend, Weingegend, Fachwerkgegend. Würzburg ganz nah. Karlstadt-Wiesenfeld, der Main gleich nebenan. Unterfranken, Bayern, gerade noch. Heimat der Mutter. Und mal Soldaten-Station des Vaters. Die lernten sich beim Klettern kennen und bald lieben. Aber es ging rasch zurück in die nähere Heimat von Papa Willi, der in Rankham bei Bad Endorf zur Welt kam und später am Bodensee lebte. Sein Vater war schon bei der Bundeswehr und wurde viel versetzt. Über Reit im Winkl und den Chiemsee, dort verbrachte Willi Wiebel den Großteil seiner Jugend, erreichten sie später Bad Reichenhall. Hier kam knapp ein Jahr nach der Geburt Stefans, also im Juni 1971, seine Schwester Simone zur Welt. Beide wuchsen in der Kurstadt auf, im „richtigen Bayern“, wie Stefan sagt. In Oberbayern, mehr Freistaat geht nicht. Richtige Berge, nicht nur Hügel wie am Main, die Felsen schroff und steil, so imposant, so hell der Kalkstein. Er fand das alles immer faszinierend und anziehend. Von Anfang an. Es lag im Blut. Sein Vater war bis 1980 Heeresbergführer bei den Gebirgsjägern, stationiert in der deutschen Hauptstadt des Salzes. Stefan ist ein Reichenhaller: „Ja, ich fühl' mich so, ohne Wenn und Aber“. Seine Schwester Simone lebt heute in Berchtesgaden.
Klettern war schon immer seine Sache.
Die Schule war ihm immer ein Dorn im Auge: „der blanke Horror“. Zwischen den Bänken saß er und schaute aus dem Fenster, träumte von fernen Ländern. Und vom Ende der letzten Stunde: War die geschafft, ging’s sofort raus in die Natur, zum „Staffabrucka Stoabruch“, gefährliche Kletterspiele über der Saalach, zum Streunen und Lausbuben-Geschichten aushecken, im Wald über dem Strailach-Weg – und mit erst zwölf Jahren und Papa Willi das erste Mal durch die berüchtigte Watzmann-Ostwand. Dort, wo Jahr für Jahr mindestens ein Kletterer sein Leben lässt. Nicht nur in der Göll-Westwand ging’s später ordentlich zur Sache, die Schwierigkeitsgrade