Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III. Erhard Heckmann
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Dark Ronald vertritt die Hengstlinie Hampton – Newminster – Touchstone, die über Whalebone (1807) und Eclipse (1764) zu Darley Arabian führt. Hampton (1872), der u. a. die Cups zu Goodwood und Doncaster gewann, zählte zu seinen Nachkommen auch Stuten wie Perdita II (die Mutter von Persimmon) oder Maid Marian, die nach Cyllene 1902 Polymelus fohlte. Und dieser, von Lord Crewe gezogene Hengst, auf der Rennbahn unterhalb des klassischen Niveaus, wurde in der Zucht ein uneingeschränkter Erfolg. Sein bedeutendster Sohn war Phalaris, der u. a. Fairway (1925) und Pharos (1920) zeugte, und dieser wurde 1935 Vater von Nearco. Newminster’s (1848) wichtigster Sieg war der im St. Ledger, und als Vater von Hampton (23 Starts; 20 Siege) war er Großvater von drei Derbysiegern. Touchstone (1831; Camel) gilt ebenfalls als einer der großen Zuchthengste des 19. Jahrhunderts. Auf der Rennbahn gewann er das St. Ledger (in dem der Favorit und Derbysieger Plenipotentiary „vergiftet“ gewesen sein soll) und je zwei Ascot Gold- und Doncaster Cups. In der Zucht hinterließ er u. a. die Derbysieger Cotherstone, Orlando (später dreifacher Beschälerchampion in England / Irland) und Surplice, die ihr „Blaues Band“ 1843, 1844 und 1848 gewannen. Touchstone hinterließ aber auch zahlreiche erstklassige Töchter, von denen die 1843 geborene Mowerina 1850, nach Melbourne, den Triple Crown-Sieger West Australian fohlte, dem das als erstem Vollblüter in der Geschichte gelang. „The West“, der sich als Vierjähriger auch noch den Ascot Gold Cup sicherte und die Godolphin Arabian-Matchem-Linie vertrat, wurde bei insgesamt acht Starts nur einmal, in seinem letzten Rennen als Zweijähriger, geschlagen.
Dark Ronalds Mutter Darkie (1889; Thurio) geht in direkter Linie auf die Yorkshire Oaks-Siegerin Toison d’Or (1866; Buccaneer) zurück und fohlte auch die Gimcrack-Siegerin Desiree (1902; Velasquez), die nach Schlenderhan verkauft wurde und dort u. a. als vierte Mutter im Pedigree des 1939er Derbysiegers Wehr Dich (Wallenstein) auftritt. Die gleiche Ururgroßmutter-Position besetzte der Schlenderhaner Englandimport z. B. bei dem 1929 geborenen Prunus-Sohn Widerhall, der sich auch im Henckel-Rennen und dem Großen Preis von Baden durchsetzen konnte. Die Mutter von Toison d’Or, Auld Acquaintance (1840; Birdcatcher – Forget Me Not) ist eine Vollschwester zu J. Bowes Derbysieger Daniel O’Rourke, der 1852 unter Frank Butler gewann und im St. Ledger von Stockwell mit zehn Längen abgefertigt wurde, als auch eine Halbschwester von Vergiss Mein Nicht (1858; The Flying Dutchman – Forget Me Not), die bei Tuki (Gouverneur) als vierte Mutter im Pedigree erscheint, der 1901 für Major Gossler das Derby gewann, und sich auch im St. Ledger, Großen Hansa-Preis und dem Großen Preis von Berlin durchsetzen konnte.
Kurz nach der Gründung des Preußischen Hauptgestüts hatte sich auch der Union Club als übergeordnete Behörde des deutschen Rennsports formiert, und mit der Eröffnung von Hoppegarten 1868 stand nun auch eine Rennbahn zur Verfügung, auf der die Vollblüter auf Herz und Nieren geprüft werden konnten, denn das 775 Hektar große Areal war dem französischen Vorbild Chantilly nachempfunden. In ihren Ställen standen bald 1.500 Pferde, und auf dieser Berliner Bahn schlug jetzt das Herz des deutschen Rennsports. Heute, im dritten Jahrtausend, ist auch hier wieder ein Privatmann mit seinem Team dabei, diese herrliche Anlage wieder in den Mittelpunkt zu rücken.
Auch in Graditz strebte man von Anfang an nach dem Besten, investierte konsequent und sortierte aus, was den Kriterien nicht mehr entsprach. So kamen 1866 im Herbst schon zwei Stuten aus England an die Elbe, und 1867, im Jahr der Gründung des Union-Klubs durch den namhaften Besitzer und Züchter Graf Renard am 15. Dezember, folgten 15 weitere.
Dark Ronald, fünffacher Beschälerchampion in Graditz (Foto: Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)
Zehn Jahre später waren von den ursprünglich 56 Müttern nur noch zwei in der Herde, von denen aber nur eine, die 1858 geborene, aus Neustadt überstellte Touchstone-Enkelin Selima (Rifleman) erfolgreich wirkte und 1869, nach dem Stockwell-Sohn Rustic Sonntag fohlte, der für Graditz die erste „Union“ gewann. Gezogen hatte sie Sir R. M. Tatton Sykes in England, der, gemeinsam mit Lady Sykes of Sledmere, auch solche Pferde zog wie Doncaster (1870), Spearmint (1903), Lady Juror (1919) oder Mumtaz Mahal (1929).
Pro Jahr kaufte Graditz damals im Schnitt jährlich drei Stuten, und von 1866 bis 1945 waren es im In- und Ausland insgesamt 228, die nach Graditz kamen: 157 aus England, 22 aus Frankreich, 23 wurden in Deutschland, 14 in Belgien und neun in Österreich erworben. Die restlichen drei wurden aus den USA (2) und Dänemark importiert. Dass alle zu Familiengründerinnen würden, das war ohnehin nicht zu erwarten, doch wegen einer damals in Graditz grassierenden Anämie starben sogar 210 total aus.
Die längste Lebensdauer für Graditz hatten die Familien der Alveole und der 1872 in Österreich geborene Goura (Buccaneer-Gorse). Diese war eine rechte Schwester von Baron Oppenheims Good Hope (1873), der als Fohlen mit seiner 14-jährigen Mutter und dem Jährling Goura importiert wurde, das Österreichische Derby und die Union gewann, und auf den mecklenburgischen Gestüten des Grafen Hahn und G. von Maltzan deckte. Gorses Tochter, Miss Gorse, wurde Stamm-Mutter von Dorn (1869; Chamant), der für Schlenderhan Henckel-Rennen, Union, den Großen Hansa-Preis, Großen Preis von Berlin und das St. Ledger gewann. Auch bei Schlenderhans 1937 geborenem Oleander-Sohn Samurai (St. Ledger, Großer Preis von Baden) stand Miss Gorse noch als fünfte Mutter im Pedigree.
Zu Buccaneer, der im ungarischen Staatsgestüt Kisber stand, das in Ungarn eine ähnliche Rolle spielte wie Graditz in Deutschland, sei hier angefügt, dass Siegfried von Lehndorff in seinem Buch „Ein Leben mit Pferden“ darauf hinweist, dass seinem Vater Georg durch Graf von der Goltz, der von 1869 bis 1870 die Geschäfte des Oberlandstallmeisters versah, die Benutzung von Buccaneer und seines Stallgefährten Blue Gown ausdrücklich untersagt wurde, obwohl Buccaneer seine Vererberqualitäten bereits bewiesen hatte, was einige Beispiele auch unterstreichen: Formosa (gewann 1868 die 1000 und 2000 Guineas, Oaks und das St. Ledger); Kisber, der selbst ein großer Vererber wurde, holte für A. Baltazzi 1876 das Epsom Derby; Amalie von Edelreich setzte sich als erste Stute im Deutsche Derby 1873 durch; Pirat siegte 1877 zu Hamburg, und Tallos, der 1877 in den Derbys von Österreich und Deutschland den Ehrenplatz belegte, ließ sich 1880 den Großen Preis von Baden nicht entgehen. Und beide, Buccaneer und Kisber, zeugten auch noch weitere große und klassische Sieger nicht nur für die Donau-Monarchie.
Die 1889 geborene Crafton-Tochter Alveole, deren in Ungarn gezogener Graßvater Kisber in England trainiert wurde, kam 1905 nach Graditz, als dieses nach dem Unfalltod von G. von Bleichröder 1902 dessen 1896 gegründetes Gestüt Römerhof übernahm. Mit diesem Kauf kamen zwei Hengste und 16 Stuten in Graditzer Besitz, und zu den Ladies zählte auch die von Bleichröder 1894 importierte Alveole. Ihre Mutter Sainte Alvere (1883) kaufte Baron Eduard von Oppenheim auf einer Auktion des Zuchtvereins für 12.500 Mark für das von ihm gegründete Schlenderhan, denn sie war die Tochter des Newminster-Sohnes Hermit, der als einer der größten Vererber aller Zeiten gilt. Ihr letztes Fohlen, Blaustrumpf (1905; Saphir), lief beim dritten Start in einem Verkaufsrennen, wurde für 6.600 Mark gefordert, gewann in neuen Farben noch 12 Rennen und kam auf Umwegen in die Waldfrieder Zucht, wo sie zur Begründerin der Waldfrieder B-Linie wurde. Über ihre Enkelin Blaue Adria wurde sie dort zunächst Urgroßmutter von dem Alchimist-Enkel Baal (1950), der später in die DDR gelangte, und 1961 gewann ihr Urenkel Baalim das Deutsche Derby unter Gerhard Streit. Und genau wie diese Stute ist auch die vom Römerhof nach Graditz gekommene Alveole eine Tochter der Saint Alvere, aus der das Staatsgestüt 1907 die große Antwort erhielt. Auch Baron