Der Engel an meiner Seite. David Frei
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Jan fragte mich, ob wir Interesse hätten, dort zu arbeiten. »Sie brauchen einen besonderen Hund, und so habe ich ihnen gesagt, wir hätten einen für sie.«
Ohne zu zögern, stimmte ich zu.
Cody hatte eine besondere Art, mit Kindern umzugehen, die möglicherweise von unseren Spaziergängen in der Nachbarschaft herrührte. Und obwohl er bei Kindern in seinem Element war, würde dieses Projekt nicht ganz einfach werden. Das merkte ich an der Begrüßung, die wir an unserem ersten Schultag erhielten. Es gab sechs Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren und die meisten von ihnen hatten große Angst vor ihm. Ein paar weinten sogar bei seinem Anblick. Doch Cody zuckte nicht mit der Wimper, und das half uns Erwachsenen, dieselbe richtige Einstellung zu bekommen.
Lehrer, die behinderte Schüler unterrichten, sind selbst etwas Besonderes. Die Lehrer der T. H. Rogers Schule nahmen Dakota sehr herzlich in Empfang. Vielleicht war das aus demselben Grund, aus dem Physiotherapeuten ihn so gern sahen: Er lieferte ihnen den Vorteil, ihnen bei der Motivierung der Kinder zu helfen, ihre Aufmerksamkeit zu fördern und sie dazu zu bringen, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren. Eine der von den Lehrern entwickelten Aufgaben war eine lustige Übung, die den Kindern die Grundfarben beibringen sollte. Dafür brachten wir Dakota hinter eine Leinwand und steckten einen von verschiedenen bunten Schals in den Rucksack, den er trug. Dann führten wir Dakota zu den Kindern, und eins von ihnen öffnete seinen Rucksack und zog den Schal heraus.
»Welche Farbe ist das?«, fragten die Lehrer dann die Kinder. Das Kind, das die richtige Antwort wusste, durfte Dakota umarmen und ihm ein Leckerchen geben. In den ersten Wochen wussten die Kinder nur selten die richtige Antwort. Doch wenn sie kam, war die Freude so groß, dass das Feiern fast in ein Chaos mündete.
Ein Junge namens Brett war der erste Schüler, der die Farbe ohne hilfreiche Hinweise richtig benennen konnte. Er war darüber so aus dem Häuschen, dass er sie ein Dutzend Mal wiederholte: »Rot, rot, rot, rot ...« Er rannte zu Cody, umarmte ihn und gab ihm ein Leckerchen, während die anderen Kinder jubelten und die Farbe wiederholten.
Die Kinder waren grob, laut und kräftig, und es war nicht einfach, sie zu bändigen. Cody half dabei. Mehr als einmal sah ich ein Kind, das ein Büschel von Dakotas rotgoldenen Haaren in der Hand hielt. Das muss ihm wehgetan haben, doch er rührte sich nicht und knurrte auch nie.
Wir gingen zweimal in der Woche für jeweils zwei Stunden in die Schule. Manchmal schien es, als sei jeder Tag dort unser erster. Natürlich erinnerten die Kinder sich an den Hund, doch die Farben waren für sie immer noch ein Rätsel. Die Nachmittage waren lang und voller Wiederholungen einfacher Übungen und die Kinder ermüdeten rasch. Die Lehrer machten häufig eine Pause, damit die Kinder sich hinlegen und ausruhen konnten. Cody legte sich zu ihnen. Er richtete seine ganze Energie und Konzentration auf die Kinder, und ich tat es ihm gleich. Es wurde mein persönliches Projekt - ich wollte unbedingt, dass diese Kinder einen Lernerfolg hatten.
Wir übten zu Hause. Dafür holten wir jedes seiner Spielzeuge aus dem Rucksack, machten Lärm und tanzten um ihn herum, damit er auf alles vorbereitet war. Wie ich sehr schnell merkte, lenkte ich die Energie, die ich früher darauf verschwendet hatte, mir Sorgen um mich zu machen, auf die Vorbereitung unserer wöchentlichen Besuche.
»Komm, wir gehen in die Schule, Cody«, war alles, was er hören musste, um zur Haustür zu gehen. Und wenn wir dort ankamen, ging er schnurstracks zur Tür des Klassenzimmers. Er liebte die Kinder, und ich glaube, er wusste auch, dass er ihnen half. Über die nächsten paar Monate hinweg machten wir allmählich Fortschritte: Nacheinander begannen die Kinder, die Farben korrekt zu benennen. Wenn sie merkten, dass sie es richtig machten, strahlten ihre Gesichter. Ich sah ihr wachsendes Selbstvertrauen und die Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen. Nichts auf der Welt würde ich gegen den Ausdruck auf ihren kleinen Gesichtern eintauschen, den sie bekamen, wenn sie eine Farbe richtig erkannten und zu Dakota rannten, um ihn zu umarmen.
Bald fingen die Lehrer damit an, Buchstaben in Dakotas Rucksack zu packen, und wir begannen, die Namen der Kinder zu buchstabieren. Für mich war das ein unglaubliches Erlebnis. Sobald die Kinder gemerkt hatten, dass sie mit Dakota lernen konnten, wollten sie mehr davon. Auch sah ich die Begeisterung ihrer Lehrer über die Lernerfolge der Kinder. Ein wichtiger Aspekt von Dakotas Rolle war, den Lehrern dabei zu helfen, in ihrem äußerst schwierigen täglichen Job etwas Lohn und Erfolg zu erfahren.
Cody war nach den zwei Stunden erschöpft, doch die Kinder wollten ihn nie mehr gehen lassen. Sie bettelten ihn an, zu bleiben und noch weiter mit ihnen zu spielen. Und auch wenn ich die Arbeit stressig, doch befriedigend fand, musste ich sie nur zwei Mal in der Woche leisten. Für die Lehrer der Kinder - und für ihre Eltern - war es eine tägliche Herausforderung.
Um die Fortschritte zu feiern, die wir an der T. H. Rogers Schule machten, kaufte ich vor Weihnachten einen großen roten Sack und füllte ihn mit Teddybären für jeden der Schüler. Cody und ich saßen im Klassenzimmer, und jedes Kind kam zu uns, um seinen Bären abzuholen. Ich ließ es mir seinen Namen sagen, bevor es den Teddy überreicht bekam. Jedes Kind schaffte es. Mein schönstes Weihnachtsgeschenk aller Zeiten war eine Sammlung von Karten, die die Kinder für uns gemacht hatten - selbst geschrieben!
Auch eine andere Schule für Kinder mit ähnlichen Behinderungen besuchten Dakota und ich. Die behinderten Schüler waren in die normale Schule »integriert«, was jedoch leider zur Folge hatte, dass sie beinahe täglich von Mitschülern gemobbt wurden. Als diese Mitschüler herausfanden, dass Dakota ihre behinderten Klassenkameraden einmal in der Woche besuchte, wollten auch sie sich mit ihm anfreunden. Cody kümmerte sich um alle, da er alle Kinder gleich liebte. Hunde machen keinen Unterschied, ob jemand behindert oder anders ist. Ich glaube, seine bedingungslose Akzeptanz der Kinder, die anders waren, war für die anderen Kinder eine lehrreiche Erfahrung.
Ich brauchte nicht viele Besuche im Krankenhaus und den Schulen, bevor ich feststellte, dass auch ich eine lehrreiche Erfahrung machte: Jetzt, da ich es freiwillig tat, konnte ich plötzlich meine Probleme bewältigen und mein Leben leben. Im Gegensatz dazu mussten diese Kinder jeden einzelnen Tag gegen ihre Behinderungen ankämpfen. Ich lernte viele Kinder kennen, die nur wenig Hoffnung auf eine schmerzfreie Zukunft oder ein einfaches Leben hatten. Und trotzdem konnten sie lächeln, vor allem wenn Cody auftauchte. Bei unserer Ankunft wollten die Kinder immer wissen, was wir an dem Tag mit ihnen anstellen würden. Und sie arbeiteten daran. Sie schienen bei jedem Schritt auf Dakotas Zustimmung zu warten und teilten ihre Erfolge mit ihm. Es war ein beeindruckendes Erlebnis, das ich fast täglich machte.
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Wir haben auch viele Senioren besucht. Das war natürlich ein ganz anderes Szenario als das mit den Kindern. Hier erlebten wir Reaktionen, die von reiner Freude über Codys Gegenwart bis hin zu therapeutischen Wirkungen reichten, die durch Streicheln und Umarmungen erzielt wurden.
Alle Senioren wollten sich mitteilen. Manchmal waren sie melancholisch und manchmal wollten sie glückliche Erinnerungen mit uns teilen. Cody erinnerte James an den Hund aus seiner Kindheit, doch für Sylvia war er wie der Hund ihrer Kinder, was sie daran erinnerte, dass sie von den Kindern nicht oft genug besucht wurde.
»Schwimmt er gern?«, wollte Donald wissen und dachte an seine Jagdzeiten zurück. »Kann er Vögel apportieren?«
»Klar, er ist ein ausgezeichneter Jagdhund«, erzählte ich ihm. Soweit ich wusste, hatte Cody zwar noch keinen Tag in seinem Leben gejagt, aber was machte das schon? Meine Antwort brachte Donald dazu, sich ausführlich mit mir über Jagdhunde, Vögel und die Jagd zu unterhalten.
Das Wichtigste war nicht das, was sie sagten, sondern dass sie überhaupt etwas sagten. Dakota lockte sie aus ihrer Innenwelt heraus und brachte sie dazu, ihre Gefühle auszudrücken - etwas, was ein Therapeut nicht immer schafft. Viele Fachleute