Führung - Bildung - Gesundheit. Robin J. Malloy
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Die Auswirkungen der Arbeit auf die körperliche und seelische Gesundheit des Menschen hängen sehr stark von den Bewältigungsstrategien ab, die dieser besitzt, um mit den alltäglichen psychischen Belastungen umgehen zu können. Von sehr großer Bedeutung sind dabei die kognitiven Interpretationen des Selbst, der Situationen und der Beziehungen, die von den lebensgeschichtlich entwickelten Deutungsmustern bestimmt werden. Der Deutungsmusteransatz stellt eine Theorie dar, um die kognitiven Interpretationen zu verstehen und die Entstehung von mentalen Bewertungen nachzuvollziehen. Fraglich ist, inwiefern der Deutungsmusteransatz von Arnold die emotionalen und körperlichen Konstitutionen ausreichend berücksichtigt, die maßgeblich darüber bestimmen, inwiefern bestimmte Einflüsse zu psychischen Beeinträchtigungen führen.
So wird bei der Depression von den „zwei Seiten der Medaille“ gesprochen, der psychischen und der körperlichen Seite (vgl. Hegerl 2004, S. 19), wobei die psychische Seite u. a. die psychosozialen Aspekte wie die Lebenserfahrungen, Einstellungen und kognitiven Bewertungen umfasst (Deutungsmusteransatz von Arnold), während die körperliche Seite die neurobiologischen Aspekte wie die genetischen Faktoren, die Überaktivität der Stressachse bis hin zu neurochemischen Dysfunktionen berücksichtigt.
Für eine Reflexion des Umganges mit psychischen Belastungen im Rahmen einer Maßnahme der Erwachsenenbildung greift meines Erachtens der klassische Deutungsmusteransatz zu kurz, da er überwiegend kognitive Strukturen, aber kaum emotional-neurochemische Strukturen in die Reflexion einbezieht.
II. Auf welchen theoretischen Hintergründen, Bezugsdisziplinen und didaktischen Prinzipien würde solch eine Erwachsenenbildung aufbauen, die die psychischen Belastungen reflektiert und die Entwicklung geeigneter Bewältigungsstrategien fördert?
An dieser Stelle müsste der Deutungsmusteransatz also um Erkenntnisse über die Funktion von Emotionen sowie von neurobiologischen und neurochemischen Prozessen ergänzt werden, wenn das Ziel der Bildung das Verstehen von eigenen psychischen und körperlichen Konstitutionen ist, die eine psychische Beeinträchtigung bis hin zu einer psychischen Erkrankung hervorrufen. Arnold erweiterte seinen Deutungsmusteransatz um genau diese emotionale Dimension zum „Emotionslernen“, welches im Zusammenhang mit der Fragestellung dieser Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden soll.
III. Mit welchen didaktischen Methoden wäre eine solche Erwachsenenbildungsmaßnahme praktisch umsetzbar?
Das Deutungslernen von Schüßler stellt einen didaktischen Rahmen dar, der es ermöglicht, Deutungsmuster in einem interaktiven und kommunikativen Prozess zu differenzieren und auszutauschen. In Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit soll zur Veranschaulichung besonders auf einige Aspekte der 2. und 3. Dimension des Deutungslernens eingegangen werden:
Zur 2. Dimension: Prozessgeschehen:
a) Teilnehmer bringen bestimmte lebensgeschichtliche Wertvorstellungen, Handlungsorientierungen und Interpretationsmuster (Deutungsmuster) in den Lehr-/Lernprozess ein. Diese Deutungsmuster werden bei der Verarbeitung des Seminars aktiviert.
Die Teilnehmer bringen ihre Wertvorstellungen etc. mit, aber auch ihre spezifischen neurobiologischen Voraussetzungen, wie z. B. genetische Faktoren, Aktivitäten der Stresshormone sowie ggf. neurochemische Dysfunktionalitäten und ihre Emotionen. Diese müssten im Prozessgeschehen ebenfalls gebührend berücksichtigt werden, um die Reaktion auf psychische Belastungen verstehen zu können.
b) Auch der Lehrende verfügt sowohl über biografisch als auch professionell erworbene Deutungsmuster, welche sein pädagogisches Handeln prägen und Interventionen bestimmen. Da eine spontane Reflektion des Prozessgeschehens nicht möglich ist, greift der Lehrende im Interaktionsprozess auf routinierte Interpretations- und Handlungsmuster seiner Alltagssituation zurück.
Der Lehrende verfügt über Interpretations- und Handlungsmuster, aber auch über Emotionsmuster und, wie o. g., über genetische Faktoren, Aktivitäten der Stresshormone sowie ggf. neurochemische Dysfunktionalitäten, die im Lehr-/Lernprozess eine wichtige Rolle spielen könnten.
Zur 3. Dimension: Lernmotivation & Lernfähigkeit:
a) Sowohl im Alltag als auch in institutionalisierten Lernangeboten wird nach Kommunikationsmöglichkeiten gesucht, um neue (viable) Deutungsmöglichkeiten zur privaten oder beruflichen Alltagsbewältigung aufzuspüren oder aber sich des eigenen Deutungsmustersystems zu vergewissern.
Dieser Aspekt des Deutungslernens greift unmittelbar in die Fragestellung dieser Arbeit ein. Deutungslernen eröffnet die Chance, die Deutungsmöglichkeiten zur privaten und beruflichen Alltagsbewältigung aufzuspüren. Wenn dieses noch um die Reflexion der emotionalen und neurochemischen Prozesse erweitert würde, könnte ggf. ein professioneller Umgang mit psychischer Beeinträchtigung im Rahmen von Maßnahmen der Erwachsenenbildung gewährleistet werden.
b) Der Lernprozess ist somit nicht allein von den Deutungsmustern der Beteiligten beeinflusst, sondern auch von dem Bedürfnis der Lernenden, die eigenen Deutungs- und Handlungsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten bzw. weiterzuentwickeln.
Besonders im Zusammenhang mit der Reflexion von psychosozialen und neurobiologischen Aspekten, die zu psychischen Beeinträchtigungen führen, kann es keine Form von Überstülpen geben, denn dies würde wiederum im Lehr-/Lernprozess selbst zu psychischer Beeinträchtigung führen. Allein das Bedürfnis des Lernenden selbst, seine Deutungsmuster und andere Voraussetzungen zu reflektieren, eröffnet die Chance zur Veränderung.
4 Theoretischer Ausgangspunkt III:
Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit und Emotionslernen nach Arnold
Der 1985 von Arnold publizierte und dann ständig weiterentwickelte Deutungsmusteransatz basierte im Wesentlichen auf phänomenologischen, wissenssoziologischen und zuletzt konstruktivistischen Konzepten (vgl. Siebert 1996), deren Dreh- und Angelpunkt hauptsächlich die im biografischen Lebenslauf und in der Sozialisation entwickelten kognitiven Strukturen, d. h. Deutungsmuster waren. Die Ebene der Emotionen blieb dabei jedoch weitestgehend unberücksichtigt. Arnold bezeichnet diesen „Überhang“ der Kognition im gesamten Bereich der Erwachsenenpädagogik – nicht nur in dem von ihm entwickelten Deutungsmusteransatz – als den „kognitivistischen Bias“: „Damit wirkte sich auch im Deutungsmusteransatz der kognitivistische Bias der Erwachsenenpädagogik aus, der darin begründet liegt, dass ihr ein Begriff des Emotionalen weitestgehend abgeht“ (Arnold 2005, S. 64). Ausgehend von neueren Erkenntnissen der Emotionspsychologie, der Neuropsychologie sowie den Arbeiten von Maturana zur Autopoiesis entwickelte Arnold weitergehende Gedanken zur emotionalen Konstruktion der Wirklichkeit und deren Bedeutung für die Erwachsenenbildung.
4.1 Definition von „Emotion“ bei Arnold
In seinen Erörterungen zur Begriffsdefinition von Emotionen führt Arnold zunächst einmal verschiedene Definitionen aus dem Kontext der Emotionspsychologie (Mandl u. Huber 1983; LeDoux 2001; Alston 1981; Kleinginna u. Kleinginna 1981; Ulich 1995) auf, um aus diesen ein zusammenhängendes Konzept der Emotion zu präsentieren. Emotionen sind für Arnold „einerseits ein physiologischer Erregungszustand, andererseits aber auch und gleichermaßen ein subjektives Erleben. Während der physiologische Erregungszustand neurophysiologischen bzw. medizinischen Erklärungen zugänglich ist, ist das subjektive Erleben in starkem