Italien - Gefangen in Land und Liebe. Alexander Frey

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Italien - Gefangen in Land und Liebe - Alexander Frey

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lebe der Frieden!“ „Auf das Leben!“ - „Cosi la vita bene!“ sprachen die Italiener mit glänzenden Augen. Bis spät in die Nacht dauerte das kleine Volksfest. Alle schienen Freunde zu sein. Keine Spitzel mehr, kein Hass, nichts als Freude.

      Am nächsten Morgen begann für ans wieder die raue Wirklichkeit. Der „Patrone“ machte uns klar, dass wir weiter müssten, da mit Verrat zu rechnen sei und er uns nicht vor der Rache der Partisanen schützen könne.

      Er schlug vor, dass wir uns trennen sollten. Jeder für sich alleine hätte um so größere Chancen.

      So schwer es uns fiel, mussten wir doch einsehen, dass er Recht hatte. Einer allein konnte sich immer besser durchschlagen und fiel nicht so sehr auf, wie alle drei zusammen.

      Wir nahmen ohne viel Worte Abschied voneinander.

      Der Patrone gab jedem von uns noch einige gute Tipps, wie wir uns am besten verhalten sollten und versorgte uns mit Verpflegung.

      Ich bekam eine schöne Signorina zu diktiert und radelte mit ihr ihn Richtung Mantua. Dort wohnte die Familie von Flora, deren Adresse ich hatte und die ich ja alle gut kannte. Von da aus wollte ich mich später weiter in Richtung Alpen durchschlagen.

      Wir fuhren munter drauf los, nebeneinander, hintereinander, wie es sich gerade ergab und die Straßenverhältnisse es zuließen. Während dieser Fahrt wurde mir zum ersten Mal die veränderte Kriegslage so richtig bewusst. Das ganze Gebiet, das noch bis vor wenigen Tagen von deutschen Truppen beherrscht wurde, hatten jetzt amerikanische Einheiten eingenommen.

      Bei dem ersten Konvoi, dem wir kurz nach unserer Abfahrt begegneten, hatte ich noch ein ziemlich ungutes Gefühl. Da ich aber merkte, dass sie kaum Notiz von uns nahmen, hatte ich auch das schnell überwunden. Immer wieder begegneten wir neuen Fahrzeugkolonnen. Es waren hunderte von Wagen und es schien kein Ende zu nehmen.

      Die Amis, mit ihren riesigen Mengen an Nachschub, wirbelten auf den trockenen Straßen hohe Staubwolken auf. Der feine Staub bedeckte unsere Gesichter und Kleidung. Wir sahen aus wie die Mehlwürmer, aber das störte uns nicht. Auch nicht das Gelächter der Fahrer, die sich über unser Aussehen amüsierten. Wir spielten ein Liebespaar und das gab mir ein beruhigendes Gefühl der Sicherheit.

      Andere der Soldaten winkten uns zu, wir erwiderten lachend ihre Grüße. Ich hatte nicht mehr die geringste Befürchtung, dass noch etwas schief gehen könnte. Bisher ging alles wunderbar glatt.

      In mir jubelte es. Ich hätte dieses schöne tapfere Mädchen vor lauter Freude küssen mögen. Leider blieb mir dazu keine Zeit. Wir mussten so schnell wie möglich Mantua erreichen. Ich durfte den Anschluss nicht verpassen.

      Zu früh gejubelt. Ein Zivilist kreuzte unseren Weg, richtete die Maschinenpistole auf uns und zwang uns zum Absteigen. Unzählige Gedankten schwirrten mir durch den Kopf. Nur mit aller Ruhe gelang es mir, meine Aufregung zu verbergen. Was blieb mir noch übrig? Links führte der Weg nach Ostiglia, rechts die Straße nach Mantua. Es war nur noch ein Katzensprung. Sollte ich jetzt, so kurz vor dem Ziel, noch aufgeben müssen?

      Meine Begleiterin spurte sofort! Sie war einfach fabelhaft, ein wahres Prachtmädel. Sie redete wild auf den Zivilisten ein, ließ ihn kaum zu Wort kommen, gestikulierte mit ihren Händen in alle Himmelrichtungen. Obwohl ich kaum ein Wort verstand, war mir klar, dass sie das Blaue vom Himmel beschwor.

      Ich pfiff währenddessen das italienische Kampflied „Avanti Popolo, Banderi-rosso“. In meinem Äußeren unterschied ich mich nicht von einem Italiener. Schon in der Heimat hatte man mich oft wegen meines dunklen Typs für einen Ausländer gehalten.

      Der Zivilist nickte mir zu, er glaubte, in mir einen Landmann zu sehen und ließ uns passieren.

      Erleichtert setzten wir unsere Fahrt die nächsten Kilometer fort. Auf der schönen, gut ausgebauten Straße, fünfzehn Kilometer vor Mantua, trennte ich mich von meiner tapferen Begleiterin.

      Wir kamen überein, dass ich jetzt sicher ohne weitere Gefahr mein Ziel erreichen würde.

      Sie hatte ihre Sache gut gemacht. Mit einem unbestimmten Gefühl zwischen Melancholie und Hoffnung nahm ich in dem Bewusstsein, sie nie wieder zu sehen, von ihr Abschied. Ein Gefühl, das ich schon so oft in diesen letzten Jahren verspürt hatte, wenn ich mich von Menschen, die ich nur flüchtig kennengelernt hatte, mir aber so vertraut waren, wieder trennen musste. Gleichsam ein Gefühl von Glück und Schmerz, einem Menschen begegnet zu sein, der dieses Leben um so vieles bereicherte. Allein! Aber ich hatte keine Zeit, diesem Gedanken nachzuhängen.

      Das letzte Stück bis zur Stadt verlief ohne weitere Zwischenfälle.

      Nur flüchtig nahm ich beim Näherkommen die Schönheiten dieser altertümlichen, romantischen Stadt wahr. Die alten Türme und Kuppeln, die Mauern des Kastells vermittelten den sicheren Eindruck über Urzeiten währender Beständigkeit.

      Als ich die Brücke erreichte, die zur Stadt hereinführte, hätte ich weinen mögen. Von Niedergeschlagenheit und Verzweiflung gepackt, hielt ich wie gelähmt an.

      Die Brücke, die von deutschen Soldaten gesprengt worden war, wurde nun von deutschen Gefangenen, unter Bewachung der Amerikaner, wieder repariert. Es waren die ersten deutschen Gefangenen, die ich zu Gesicht bekam. Das war endgültig das Ende.

      Ich ließ mich etwas unterhalb der Brücke von einem Fischer in seinem Kahn über den See setzen, zahlte in Lire und dankte ihm dann kurz.

      Auf dem Deich auf der anderen Seite stand ein Zivilist und kontrollierte die Papiere. Wieder pfiff ich das Lied der „Banderi rosso“, zupfte mein weißes Taschentuch höher aus der Revers-Tasche, „das Erkennungszeichen der Partisanen“, wie mir der Patrone versichert hatte und drückte mich um den Posten herum, als er gerade die anderen Passagiere überprüfte. Schnell radelte ich in die Stadt.

      Ein unbeschreibliches Gefühl der Freude, nun endlich in Sicherheit zu sein, überkam mich.

      Wenige Augenblicke später kam auch schon die Ernüchterung. Was ich nun erlebte, erforderte wirklich das Äußerste an Beherrschung, um nicht endgültig aufzugeben.

      Wo ich hinsah, Soldaten über Soldaten. Die ganze Stadt schien eine einzige Lagerstätte von Militär zu sein. Auf dem großen Marktplatz vor dem alten Kastell saßen die Soldaten bei ihren Fahrzeugen. Ich schätzte ungefähr tausend. Ein wahrer Hexenkessel. Hier im Hof des Kastells zu Mantua wurde Andreas Hofer erschossen. Hier musste ich vorbei. Vorbei an den feindlichen Soldaten, die auf der Straße herum saßen. Ihre Augen fragend, lauernd und abschätzend auf mich gerichtet, beobachteten sie mich genau. Ich kam mir vor, als müsste ich Spießrutenlaufen. Ein Entkommen wäre unmöglich gewesen. Also Ruhe bewahren. Singen, pfeifen, weiterfahren, nur keine falsche Bewegung. Aber mein Äußeres gab wohl den Anschein, dass ich wie ein echter Italiener wirkte. Und das, obwohl ich noch immer meine Sprungstiefel von brauner Farbe und mein Kaki-Hemd an hatte. Nur die Jacke und Hose waren von dem Bauern. Das Haar dunkel und wellig, wie bei einem Südländer, alles dick eingepudert mit weißen Straßenstaub. An der Querstange des Rades war in einer alten Decke ein ganzes Paket Nazionali-Zigaretten eingewickelt, damit ich was zum Tauschen hatte, wenn mein weniges Geld ausgehen sollte.

      Aber auch diese bangen Minuten meines jungen Lebens gingen vorüber. Es war mir kostbar. Mit meinen 21 Jahren hatte ich ja gerade erst angefangen zu leben, es erst durch die Gefahren, Ängste und Entbehrungen des Krieges richtig schätzen gelernt. Ungefähr 100 Meter hinter dem Marktplatz fand ich die Via Cailori.

      Ich holte noch einmal tief Luft, bevor ich mich in das Haus wagte, in der Hoffnung, dort keinem Soldaten mehr

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