Italien - Gefangen in Land und Liebe. Alexander Frey
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Ich wurde herumgereicht, als wäre ich der Stolz der ganzen Sippe, alle drückten mir die Hand, jeder wollte mich küssen.
Meine Ankunft muss sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben. Es kamen immer mehr Verwandte in die Küche, in der wir uns aufhielten, um mich zu begrüßen. Ich wusste gar nicht, dass die Familie so groß war.
Nach dem ersten Getränk und ein bisschen Stärkung kamen die Herren der Schöpfung ins Haus. Zu meinem Entsetzen hatte jeder eine Pistole am Gürtel hängen.
Ich kannte mich nicht mehr aus, was sollte das nun wieder? Für mich waren sie immer Zivilisten und brave Bürger gewesen, die sich um Krieg und Politik nicht kümmerten. Nun standen sie als Freiheitskämpfer vor mir. Und ich war ihnen in jeder Weise ausgeliefert. Sie konnten mit mir machen, was sie wollten.
„Was soll das Zeug?“ fragte ich besorgt, in dem ich auf ihre Waffen deutete.
„Das hat nichts zu sagen“, antworteten sie freundlich, mich beruhigend. „Freiheitskämpfer ist jeder von uns hier immer gewesen.“
„Und was soll jetzt werden?“ fragte ich, immer noch unsicher.
„Mach Dir keine Sorgen, Du hast nichts zu befürchten“, gaben sie mir aufmunternd zu verstehen. „Du hast Dich als Soldat in unserem Land uns gegenüber immer anständig geführt, also werden wir es Dir gegenüber auch so halten. Das ist doch selbstverständlich.
Du bleibst unser Gast.“
Trotz dieser gastlichen Herzlichkeit war ich mir nicht ganz sicher.
Sollte das wirklich eine Garantie für mich sein? Ich hatte kaum noch Hoffnung.
Am nächsten Morgen kam der Onkel, seines Zeichen Zweiter Bürgermeister der Stadt. Er redete auf mich ein.
„Es tut mir leid, aber Du kannst nicht bleiben, es hat keinen Sinn.
Es gibt zu viele Denunzianten, die Dich jeden Augenblick verraten könnten. Auf jeden deutschen Soldaten ist eine Kopfprämie ausgesetzt, wenn er bei Zivilisten gefunden wird. Die Gefahr ist zu groß für Dich, aber auch für die Familie. Du verstehst?“
„Ja, ich verstehe“, antwortete ich völlig niedergeschlagen.
„Unter diesen Umständen bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Ich werde also in ein Lager gehen.“
Ich war an einem Tiefpunkt angelangt, den auch die Wiedersehensfreude nicht mehr aufhellen konnte.
Aus der Traum von der Freiheit, der Traum, früher nach Hause zu kommen.
Ich hatte keine Lust, noch einmal Schiffbruch zu erleiden, wie hier in Mantua. Wieder auf meinen Drahtesel steigen und allein in Richtung Deutschland fahren? Am Brenner wurden alle Deutschen in Empfang genommen. Das wussten meine Bekannten und ich auch. Es war also unmöglich, auf eigene Faust weiterzumachen.
7
Noch am selben Abend führte man mich in ein provisorisches italienisches Lager. Hier waren Soldaten, Eisenbahner, Transportarbeiter. Alles, was deutsch war, hatte man hier gesammelt.
In einem großen Raum lagen sie auf dem nackten Boden. Ein Teil döste vor sich hin, andere schliefen, wieder andere unterhielten sich oder knobelten mit Holzstückchen.
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Mir taten sämtliche Knochen auf diesem harten und kalten Boden weh. Außerdem fieberte der ganze Raum förmlich in einer unbestimmten Unruhe. Aus allen Ecken hörte man die undefinierbarsten Geräusche. Der italienische Wachmann bot mir an, Kaffee für die Kameraden zu kochen. Dankbar für diese kleine Abwechslung nach dieser eintönig langen, schlaflosen Nacht nahm ich dieses Angebot erfreut an. Der Wachhabende sah mir bei der Arbeit zu und schien sehr zufrieden mit mir. Als ich fertig war, erklärte er mir: „Ich muss mal schnell zu meiner Braut, pass auf, dass niemand rausgeht.“
„Klar, mach ich“, antwortete ich.
Hinter ihm verriegelte ich die Tür von innen. Dann wartete ich einige Minuten. Von draußen war nichts mehr zu hören. Mein Entschluss stand fest. Ich muss hier raus. Und zwar so schnell wie möglich. Eine weitere Nacht in diesem Loch würde ich nicht aushalten. Die Gelegenheit war günstig.
Vorsichtig öffnete ich die Tür. Nichts. Draußen wie drinnen rührte sich nichts, blieb alles still. Ich verschwand um die nächste Ecke.
Ohne von jemanden aufgehalten zu werden, gelangte ich auf die Straße.
Dort orientierte ich mich, wo ich mich befand, und ging ruhigen Schrittes in Richtung Via Cairoli. Ohne weiteren Zwischenfall erreichte ich mein Ziel.
Die Überraschung war perfekt. Ich stand in der Tür und machte den Leuten klar: „Nicht mit mir, so nicht!“
Wieder erschien der Onkel. Es wurde lange palavert, bis wir uns einig wurden.
Ich sollte im Gefängnis „Aufseher“ werden. Hier vermutet man am wenigsten einen deutschen Soldaten.
Es ging alles sehr schnell. Von irgendwo hatte man einen Wagen bestellt. Ein herrliches Auto, ein Opel „Admiral“. Mir war unbegreiflich, wo sie das Auto in dieser Zeit aufgetrieben hatten. Ich stieg ein und man fuhr mich bis vor die Gefängnistür. Dort wurde ich von dem Direktor auf das Herzlichste empfangen. Als ich durch das große Tor ging, wurde mir unbeschreiblich zumute. Kalte Schauer liefen mir über den Rücken. Am ganzen Körper bekam ich eine Gänsehaut.
Durch einen schmalen Gang in einem Zwischenhof angelangt, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben diese kleinen vergitterten Fenster. Natürlich hatte ich schon oft darüber reden hören, mir aber weiter keine Gedanken darüber gemacht. Jetzt erst wurde mir bewusst, was sich dahinter, in diesen kleinen Löchern, an menschlichem Schicksal abspielen mochte.
Der Direktor blieb auch weiterhin freundlich. Er zeigte mir die Anstalt und ihre Sicherungsmaßnahmen. Er versuchte, sich dabei fast zu entschuldigen, um mir die Berechtigung und Notwenigkeit zu erklären. Dann machte er mich mit den Zentralbeamten bekannt und verabschiedete sich mit den besten Wünschen.
Von der Zentrale bekam ich dann die nötigsten Anweisungen. Sicherheit und Ordnung waren hier das oberste Gebot. Doch sehr schnell merkte ich, dass die Wirklichkeit dagegen ganz anders aussah. Auf der Station, der ich zugeteilt wurde, wies mich ein uralter Mann ein, der noch aus der Römerzeit zu stammen schien, mich aber um so besser in die Praxis einführte. Der alte Kauz schien die Ruhe in Person. Und das war auch für ihn das oberste Gebot: Ruhe und nochmals Ruhe. Mit allen gut auskommen und gut Freund sein. Das aber war gar nicht einfach. Doch er hatte seine Erfahrungen darin.
Ich bekam auch sehr schnell mit, wie er das schaffte.
Die Gefangenen hatten unzählige Wünsche und Anliegen, die sich nicht mit der üblichen Dienstvorschrift vereinbaren ließen. Er aber machte den Briefträger, machte alle möglichen Besorgungen und versuchte so auf seine Art, jedem gerecht zu werden. Schiebung und Bestechung hatten für ihn die Bedeutung reinster Menschlichkeit. Er wollte helfen. Ihm kam es tatsächlich nicht darauf an, sich zu bereichern. Er schien unfähig dazu, obwohl gerade in dieser Zeit die größten Möglichkeiten für Geschäfte aller Art bestanden. Sehr bald versuchten die Gefangenen, auch mich für ihre Zwecke zu gewinnen.