Ein Sommer in Berlin. Beate Vera
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Mir gefiel unser neues Zuhause genau so, wie es war, denn es war ganz nach meinem Geschmack eingerichtet. Es war das erste Zuhause, dessen Einrichtung ich alleine bestimmt hatte. Damals, nachdem ich bei meinen Eltern ausgezogen war, war ich zu Quinn gezogen. Warum kam der mir denn schon wieder in den Sinn? Beinahe hätte ich vergessen, dass meine Mutter noch am Telefon war.
»Mama, wolltest du etwas Bestimmtes?«, unterbrach ich ihren immer noch anhaltenden Redefluss.
»Ja, ich wollte dich an unser Hochzeitstagsessen am Wochenende erinnern. Hanno und Dana können leider nicht, sie verreisen, auf die Malediven. Ein Geschenk von Danas Eltern. Stell dir mal vor!«
Das konnte ich nicht, denn ich war fassungslos. Ich hatte schon lange aufgegeben, von meiner Mutter echte Unterstützung zu erwarten, mit einem solchen Hinterhalt hatte ich jedoch nicht gerechnet. Vielleicht hatte ich mich ja verhört. »Du hast nicht wirklich Hanno eingeladen, oder?«, fragte ich deshalb nach.
Meine Mutter verstand diese Frage offenbar nicht. »Natürlich habe ich das!«, erwiderte sie mit der Inbrunst einer Selbstgerechten. »Er ist immerhin der Vater deiner Kinder, und es ist ein wichtiger Tag für uns. An Feiertagen sollte die ganze Familie zusammen sein. Das hast du doch selber immer gesagt, als ihr noch dieses wunderschöne Haus in Kleinmachnow hattet.«
In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es würde sich nie etwas ändern, wenn ich mich nicht änderte. Mich aufzuregen wäre nur Wasser auf ihre Mühlen, ich brauchte eine andere Taktik. Die würde ich mir später überlegen. Erst einmal legte ich wortlos auf.
Das Telefon klingelte noch fünfmal, und jedes Mal ließ ich den Anrufbeantworter anspringen, dessen Lautstärkeregler ich auf stumm gestellt hatte.
Helene sah mich fragend an, als ich zurück in die Küche kam. »War das Oma?«
»Ja, das war deine Oma, meine Mutter, auch wenn das häufig schwer zu glauben ist …«
»Macht sie zum Hochzeitstag etwa wieder Lammbraten?«
Helene war seit unserem Umzug Vegetarierin. In dieser Haltung unterstützte ich sie, auch deshalb, weil unser Geld zu knapp war, um jeden Tag Fleisch auf den Tisch zu bringen, das nicht durch Hormone oder Antibiotika verseucht war. Also gab es bei uns eine Vielzahl von Eintöpfen, Gemüseaufläufen, Quiches und Pastagerichten, meist begleitet von grünen oder Rohkostsalaten. Spiegeleier – Eier waren immer im Haus – mit Kartoffeln und gemischtem Gemüse waren ebenfalls ein Renner, und meine Kinder aßen alle gerne Fisch. Selbst Helene verzichtete nicht darauf. Als selbsterklärte Ernährungsexpertin wusste sie um die wichtigen Omega-3-Fettsäuren im Lachs. Meine Kinder waren keine mäkligen Esser. Sie aßen beileibe nicht alles, aber sie probierten alles erst einmal. Vincent, mein Zehnjähriger, mochte das Gelbe vom gekochten Ei nicht, wenn es zu trocken war, Helene aß wie erwähnt kein Fleisch mehr, und Daniel verabscheute Fett, so dass er jede einzelne Scheibe Aufschnitt oder Braten gekonnt sezierte, seit er ein Messer halten konnte. Ich setzte deshalb große Hoffnung in eine Chirurgenkarriere. Alle drei liebten meine Gemüselasagne, mochten aber zu meinem Leidwesen keinen Rosenkohl, den ich sehr gerne aß. Jedes zweite Wochenende hatte ich nun ausreichend Gelegenheit dazu.
Doch zurück zu Helenes Frage nach der großmütterlichen Menüplanung. »Vermutlich gibt es wieder Lammbraten. Den macht sie ja jedes Jahr. Dieses Jahr isst sie den aber alleine. Wir gehen nicht zu Oma und Opa.«
Paps würde uns wirklich vermissen, es tat mir ein wenig leid seinetwegen, aber meine Mutter musste endlich begreifen, dass sie ständig zu weit ging und ich nicht mehr gewillt war, hinter ihr herzutrotten.
»Wir gehen nicht zu Oma und Opa? Mama, wir gehen da doch jedes Jahr zum Hochzeitstag hin!«
»Ja, und jedes Jahr essen wir Lammbraten, den keiner von uns mag, und hören Oma zu, wie sie von den Nachbarn erzählt, die sie allesamt nicht leiden kann. Von mir erwartet sie, dass ich nach dem Essen die Küche aufräume, während ihr in euren gruseligsten Klamotten dasitzt, klaglos hinnehmt, dass Oma beim Mensch-ärgere-dich-nicht schummelt, und das Ende des Abends gar nicht abwarten könnt. Das brauch ich nicht! Du etwa?«
Helene starrte mich wieder mit offenem Mund an. »Aber dann ist Oma doch tierisch sauer auf uns.«
»Auf mich, Schatz, auf mich ist sie dann sauer. Aber weißt du, was? Das ist mir egal. Ich will an dem Wochenende mit euch was Schönes unternehmen.«
»Was ist denn mit Papa?«, fragte meine große Tochter vorsichtig.
»Papa ist verreist – laut Oma«, antwortete ich lapidar. »Hat er euch beim letzten Besuch nichts davon erzählt?« Ich konnte mir die Frage selber beantworten. Vermutlich bekäme ich in den nächsten Tagen eine E-Mail von seiner Sekretärin, Frau Rückert, in der sie mir mitteilte, dass Herr Hecht sie gebeten habe, mich zu bitten, seinen Kindern mitzuteilen, dass er über die Osterfeiertage verreisen würde. »Nein. Er hat nichts gesagt. Ist mir auch egal.«
Schon tat es mir leid, ihr das nicht schonender gesagt zu haben. Helene war dreizehn, das war kein leichtes Alter, und dann trennten sich auch noch die Eltern. Ich war überrascht über mich selbst, denn das Wort »trennen« hatte ich bislang nicht gewählt. Ich war schließlich »verlassen worden«. Speziell meine Mutter ließ daran keinen Zweifel aufkommen.
»Schatz, wir machen was Tolles am Wochenende, versprochen! Wir essen was richtig Leckeres, es wird Unmengen an Eiskrem geben, und ich werde nicht meckern, wenn ihr zu viel davon esst. Vielleicht können wir baden gehen oder mal wieder ins Kino …« Wie ich das finanzieren sollte, war mir zwar ein Rätsel, aber notfalls würde ich Paps anpumpen.
Helene zog einen Flunsch. »Is’ mir egal!« Und damit verdrückte sie sich in ihr Zimmer. Zwei Minuten später dröhnte Musik von Coldplay durch die Wohnung.
Ich ließ sie gewähren. Mir half Musik schließlich auch, wenn ich traurig war. Ich öffnete wieder das Fenster, die mediterran anmutende Geräuschkulisse, die vom Bürgersteig nach oben drang, war beruhigend. Ich schnitt die Möhrchen fertig und schälte danach die Kartoffeln. Heute war Spiegeleier-Tag.
GERDA THOMAS
Meine Tochter? Ich bitte Sie, meine Tochter war schon immer kapriziös – oder weniger höflich formuliert: neurotisch. Sie ist sehr intelligent, hat zwei Klassen übersprungen und ein exzellentes Abi gemacht. Sie hatte einen glatten Einserschnitt. Aber hat sie etwas daraus gemacht? Nein. Natürlich war sie damals zum Studieren noch etwas zu jung – aber musste es denn eine betriebliche Ausbildung sein? Natürlich lese ich auch gerne einmal ein Buch, aber muss man deswegen gleich hinter einem Tresen stehen und Bücher verkaufen? Da könnte man ja auch gleich Brötchen verkaufen. Oder Stoffe. Oder Gemischtwaren.
Als Catia dann auch noch eine Affäre mit ihrem Chef anfing, da … Nein, dazu fallen mir keine höflichen Formulierungen ein. Und, Grundgütiger, dann ist die Chose holterdiepolter wieder vorbei und das Kind kreuzunglücklich. Aber kommt sie zu uns? Nein, Gott bewahre, sie zieht lieber zu einer Freundin. Und keine drei Monate später präsentiert sie uns ihren Neuen, und die verloben sich auch gleich noch.
Immerhin taugte der was als Mann.