Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille. Tobie Schmack

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille - Tobie Schmack страница 13

Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille - Tobie Schmack

Скачать книгу

dünn?«, brülle ich zu meinem Kumpel, der gerade den femininen Neuzugang mustert und mich bestens ignoriert.

      Was bitte fesselt ihn eigentlich an seine poppend abgegraste Heimat? Er müsste doch wirklich schon jede dunkle Ecke gesichtet haben. Allein bei dem Bild will ich weg aus meinem Kopf. Mann, wir waren uns doch so einig. Wann immer wir nachts zur Tanke liefen, weil uns der Wodka ausgegangen war, waren wir wie zwei einsame Wölfe auf der Suche nach Menschenfleisch. Nicht zum Fressen, versteht sich. Wir fühlten uns so häufig – unausgesprochen – einfach allein in dieser Provinzklitsche, von deren höchstem Punkt, einer längst geschlossenen Müllkippe, jeder Tourist eindrucksvoll die zerrissene Kultur nachwendezeitlicher Stadtplanung erblicken kann. Die leergewohnten Ratio-Bauten, zwischen denen wir als Kinder bis weit nach Sonnenuntergang unbesorgt herumtoben konnten, weichen Grünflächen, die niemand pflegen wird. Wer auch immer noch etwas auf sich hält, flüchtet halbherzig, an den Rand der Stadt oder pfercht sich in das hippe Wohnviertel im Norden. Wenn es die oberste Bürgermeisterpflicht ist, ein neues Tankstellenklo einzuweihen, ansonsten dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr den frisch gebackenen Hundertjährigen den selbst gezauberten Streuselkuchen wegzufressen und die Sahne vom Törtchen zu lutschen, dann ist dieses Glück nicht von Dauer. Noch aber brennen die Lichter der Stadt, auch wenn es vielleicht selbst gelegte Brände sind, aus Angst, im Dunkel der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Lichter, Leuchten, Blinken. Blink, Blink, Blink.

      Der Automat verspricht bei bestem Diodentheater schon wieder die große Chance. Mit einem kurzen Knall gehen schlagartig die Lichter aus. Bumms – aus – Nikolaus! Das Gedudel versiegt und wir hören nur noch die sich selbst feiernde Menge.

      »Na bitte, geht doch!«, stellt Tacko johlend fest.

      Der soeben verstummte Kasten hat ausgespielt. Eigentlich logisch, immerhin ist mein bester Kumpel unter diesen Voraussetzungen klar im Vorteil und hat seine Fähigkeiten, auch in der dunkelsten Ecke erfolgreich herumzufingern, schamlos eingesetzt. Tacko beendet seinen Tauchgang und hockt sich neben mich, wobei er der Maschine einen Blick völliger Missbilligung zuwirft.

      »Ich konnte die Dinger noch nie leiden. Wenn ich was brauche, wo ich Geld reinstecke und nichts rauskriege, kann ich auch heiraten, was!«, brüllt er mir schallend ins Ohr.

      Intakte Trommelfelle werden eben echt überschätzt! Da ich mir leider nicht sicher bin, ob die meinigen gerade einen ungünstig irreparablen Dauerschaden genommen haben, versuche ich mit aller Kraft das Lüftungssurren seines Computers einzufangen. Natürlich muss Mandy genau jetzt was frisch Gezapftes auf der Tischplatte abstellen. Rumsen würde ich noch mitkriegen, aber mir geht’s um die feinen Töne.

      Mit ordentlichem Schwung haut sich Tacko das Bier rein. »Echt lecker!«

      Unnötig zu fragen, wen er meint und wovon seine gierigen Augen sprechen.

      »Mann, Henry! Weißte …«, will er jetzt galant einleiten, dass die gerade entflohene Bar-Maus, eine ganz besondere Nummer im Bett und vielleicht auch in seinem vor lauter One-Night-Stand ausgewaschenen Herzen haben könnte. Aber das wäre nicht drin, weil er sich ja nicht aufheben könne, weil ihn alle verdienen, und dass er sie fast alle schon hatte, die Brünetten, die Blondchens, die mit oder ohne Hängebrust, Selbstwertgefühl, Vaterkomplex und Wohlfahrts-Tattoo, ja auch mal einen Dreier mit zwei verwarzten Zwergen, gefesselt, mit Ketten und Wachs … Bondage! Hauptsache, immer was mit Bondage. Und jetzt, da mir diese ganzen Protzmärchen der Gebrüder Knick & Knack aus meinen zum Teil tauben Ohrmuscheln rausquellen, fällt mir ein, was ich ganz unbedingt will.

      »Tacko, ich brauch einen Freund, was ganz Normales. Einen, der einfach mal stino bleibt, der genauso langweilig sein kann wie ich.«

      Mit versöhnlich einlullendem Blick drückt er seinen Kopf an mich heran. »Aber Henry! Okay, alles, was du willst! Kein Thema. Und auch wenn du das nicht glauben kannst, wenn du frühmorgens an dir runterschaust, aber auch du … bist ein Mann.«

      Während er nun meinen Kopf abtätschelt und nach zerrissenen Wortbrocken immerzu meinen Namen einbindet, beginnt eine Reise durch die Menschheitsgeschichte à la Tacko, wobei die Fakten sehr großzügig kombiniert werden. Ich bin mir streckenweise nicht sicher, ob ich aus diesem Monolog lebend herauskomme, als Tacko unerwartet die Biege macht und mich mit einem deftigen Ruck gegen die Schulter zurück in die Realität holt.

      »So, Schmucker! Ta-ta! Dein neues Profil, willkommen in der Welt der Beischläfer. Schau’s dir an und dann feiere mich!«

      Tackos Bescheidenheit kann mich noch immer überrumpeln.

      »Profil? Neu? Wusste gar nicht, dass ich überhaupt eines habe!«

      Eingehüllt in die schummerige Muschebubu-Beleuchtung bemühe ich mich, meinen Blick gespielt dankbar interessiert auf den grell leuchtenden Netbookmonitor zu richten.

      »Nee, nett ist das nicht«, schießt es mir durch den Kopf, in dem Bewusstsein, dass »nett« jene berühmte kleine Schwester von »große Scheiße« ist.

      Mein neues Ich, das definitiv schon seit Stunden online ist, geht mir überhaupt nicht leicht runter. An meinen echten Namen hat sich ein beeindruckendes Profilbild angeheftet. Fragt sich nur von wem. Da thront ein James-Bond-Body-Double mit makellos enthaarter Brust in einem roten Sportflitzer. Ein Torso, der ganz zufällig mein Haupt samt Krater-Grübchen und gezupften Brauen auf den in der Sonne glänzenden, eingeölten Schultern trägt. Ich muss echt aufpassen, dass diese Version von mir mich nicht selbst anmacht. Würde sich Tacko mal gepflegt seine Pimperbrille runterreißen, er würde endlich den lieben Bubi aus dem Briefmarken-Kaupel-Club erkennen, den ich mir trotz des mühsam wachsenden Drei-Tage-Barts optisch nur schwerlich abstreifen kann.

      »Tacko, echt lieb! Verstehe ja, du willst mir helfen. Aber das hier ist absolut ›emotionaler Pflegefall in der Endstufe‹. Hier, das Bild! Echt jetzt! F40 und Hostessen? Zugepiercte Pobacken? Tacko, dir haben sie doch echt ins Hirn … Das kauft mir doch keiner ab! Und seit wann habe ich Tribals am Oberarm?«

      »Ab Mittwoch! Und mach dir mal keine Platte. So genau nimmt das im Netz eh keiner. Ey, das ist jetzt schon seit ’ner Woche online. Und bis jetzt kommt’s an. Allein gestern haben dich vierzehn Chicks geliked.«

      »Vierzehn!«

      Tackos Sinn für welche Realität auch immer muss im virtuellen Nirwana elendig abgekratzt sein. Ich habe also nun offiziell ein Tattoo, das ich jetzt sehen müsste. Immerhin geht es bis zur Kragenkante und müsste seine leuchtende Speerspitze blutgierend in meine Halsschlagader bohren. Tacko sieht das alles äußerst locker.

      »Hey, am Computer war das ganz schnell gezogen.«

      Das glaub ich gern. Was er sich möglicherweise sonst so reinzieht, weiß ich wohl weniger.

      »Ja, ja«, lenkt er ein und zieht mit seiner Masche galant aus der Spielstraße wieder direkt auf die Autobahn. »Alles schick, Großer! Also, die Maus hier legt keinen Wert auf Einzelheiten, die ist an Primärem interessiert.«

      Bei »primär« legt sich ein gieriges Lächeln um seine vor Sabber tropfenden Zähne. »Henry, locker! Die will dich gleich abchecken und danach bestimmt nur knallen, mit oder ohne Waschbrettbauch. Und da hat der Tacko keinen Pfennig dazubezahlt, verstehste?«, versucht er mich appetitanregend auf etwas einzustimmen, wobei die Worte »die« und »gleich« in meiner Hose das völlige Gegenteil auslösen.

      »Lass gut sein, Alter! Du, ehrlich, ich hatte echt schon genug Stress.«

      In mir brodelt der vierzehnköpfige Hexenkessel und angesichts Tackos aktuellen Kreativitätswahns schwant mir nichts Erlösendes. Was hat Tacko für gleich klargemacht? Power-Panik kommt in mir hoch

Скачать книгу