Schlacht um Sina. Matthias Falke
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»Ich kann nur hoffen«, fuhr Seine Eminenz fort, »dass Sie sich dessen bewusst sind.«
Jennifer ließ sich einen Rhabarber-Kiwi-Drink mixen, während ich befand, dass ich einen Whisky brauchen konnte. Kauffmann bestellte einen Mokka. Der Kanzler blieb beim Wein, zündete sich aber eine Zigarette an.
»Das Schicksal einer großen Flotte liegt in ihren Händen. Vielleicht das der ganzen Menschheit.« Er paffte blaue Rauchwolken und sah mich durch die kreisförmigen Kringel durchdringend an.
»Selbstverständlich sind wir uns darüber im klaren«, beeilte ich mich zu sagen.
Ich wählte den Plural, weil mir aufgefallen war, dass er mit einer Miene zwischen Jennifer und mir hin und her blickte, die zu besagen schien, dass er sie für die eigentliche Antreiberin des ganzen Unterfangens hielt. Was nicht falsch, aber auch nicht vollkommen richtig war; ich stand durchaus hinter ihren Überlegungen.
»Wenn ich recht informiert bin«, sagte Cole Johnson mit einem Seitenblick zu seinem Sekretär, »ist den Sinesern bisher sowohl der Aufenthaltsort der MARQUIS DE LAPLACE als auch die Position der von Ihnen neugegründeten Kolonien unbekannt.“ Er zögerte, als denke er über etwas nach, das ihm entfallen war.
»Die Region Eschata«, warf Kauffmann ein, »im Nebel M42.«
Jennifer und ich nickten.
»Wenn Sie nun dorthin fliegen«, fuhr der Kanzler nach einem Moment der Zerstreuung fort, »werden Sie die Aufmerksamkeit der Sineser unweigerlich auf diese Regionen lenken.«
Jennifer machte eine Bewegung, als wolle sie das Wort ergreifen, aber der Kanzler ging nicht darauf ein. Ich berührte sie am Arm, um sie zurückzuhalten.
»Wir können nur hoffen«, seufzte Johnson, »dass sie das nicht als aggressiven Akt auffassen. Ich werde deshalb ein diplomatisches Kommuniqué übermitteln, in dem ich die friedlichen Absichten dieser Kolonisierung und den rein defensiven Charakter unserer Wiederbewaffnung herausstreiche und auf eine Wiederaufnahme der Gespräche dringe.«
Er schwieg und sog an seiner Zigarette, die er dann im Aschenbecher ausquetschte. Der Geruch von echtem verbranntem Tabak, der in dem geschlossenen Raum noch sehr viel intensiver war, faszinierte mich. Allerdings war ich so schwach auf dem Magen, dass mir der bloße Gedanke daran, auch nur eine Runde zu Qatten, beinahe übel werden ließ.
»Schließlich haben wir ja nicht vor, Sina zu überfallen oder so etwas.«
Der Satz des Kanzlers hallte in der betretenen Stille wider. Wir mussten etwas entgegnen, aber mir fiel nichts ein. Glücklicherweise ergriff Kauffmann das Wort und wies darauf hin, dass die Sineser nach Lombok alle Verhandlungen abgebrochen hatten und seit dem Jupiter-Ereignis auf allen diplomatischen Kanälen geräuschvoll schwiegen.
»Das muss ja nicht immer so bleiben«, murmelte Seine Eminenz.
Ich konnte ihm unumwunden beipflichten. Er hatte recht: unser Verhältnis zu Sina musste auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Was seinen Argwohn, wir könnten die Kolonien verraten, anging, konnten wir ihn beruhigen. Dieser Punkt hatte uns selbst die meisten Kopfschmerzen bereitet, und wir konnten nur hoffen, dass wir uns nicht selbst belogen, wenn wir seine Zweifel zerstreuten. Wir hatten vor, zunächst die Dunkelwolke anzufliegen. Die besonderen Eigenschaften der Dunklen Materie brachten es mit sich, dass Warpsignaturen geschluckt wurden. Zwar wussten wir nichts über den aktuellen Aufenthaltsort der MARQUIS DE LAPLACE. Sie musste sich aber in der Nähe der Dunkelwolke im Kleinen Korridor befinden. Und wenn ich Wiszewsky richtig einschätzte, bzw. wenn er die Situation ebenso einschätzte, wie ich es an seiner Stelle getan hätte, gab es sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass er das Mutterschiff selbst in die Dunkelwolke verlegt hatte. Das war nach unserem Verschwinden und in Anbetracht der sinesischen Späher, die den Kleinen und den Großen Korridor durchforschten, die einzige logisch erscheinende Möglichkeit. Nachdem wir unser Geschwader dorthin verlegt und den Kontakt zur MARQUIS DE LAPLACE hergestellt hatten, würden wir weitersehen. Über unsere Planungen, die über diesen Punkt hinausgingen, schwiegen wir uns wohlweislich aus.
Wenig später hob der Kanzler die Runde auf. Er verabschiedete sich feierlich und ein wenig müde von uns. Wir dankten ihm förmlich für sein Entgegenkommen und das in uns gesetzte Vertrauen. Dann packte ich Kauffmann an der Schulter. Ohne ihn hätten wir es nicht bis hierher geschafft. Die körperliche Geste war ihm unangenehm. Aber die Anerkennung für seine unermüdliche Unterstützung schmeichelte ihm sichtlich. Schwer zu sagen, wofür er uns eigentlich hielt. Für Abenteurer, Haudegen, Wahnsinnige. Für verantwortungsbewusste Leute ganz sicher nicht. Und dennoch hatte er in die Wege geleitet, dass uns Machtmittel in die Hand gegeben wurde, die kaum ein anderer Kommandant in der noch jungen interstellaren Geschichte der Unierten Menschheit jemals auf sich hatte vereinen können. Selbst General Rogers hatte erst auf dem Höhepunkt der Schlacht von Persephone, im Angesicht der drohenden Niederlage, als er alle Kompetenzen über die Flotte an sich zog und den bis heute umstrittenen völkerrechtswidrigen Antimaterieangriff befahl, eine vergleichbare Armada seiner Person unterstellt gehabt. Schon eine Stunde später, nach dem Untergang der Großen Sinesischen Flotte, hatte er einen Großteil der Befehlsgewalt wieder abgeben müssen.
»Ist das herrlich«, jubelte Jennifer. »Endlich ein Schiff, mit dem man online kommunizieren kann, ohne sinesische Hieroglyphen. Und ordentlich aufgemotzt haben sie die Alte!«
Obwohl wir auf der Passage eigentlich nur Gäste waren und die ENTHYMESIS offiziell dem Kommando eines altgedienten Captains unterstellt war, hatte sie es sich nicht nehmen lassen, selbst den Hauptbedienplatz einzunehmen und den Piloten dazu zu verdonnern, die zweite Konsole einzunehmen.
»Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, meldete sie. »Aber wir haben jetzt wesentlich mehr Saft unter der Haube. Von den militärischen Spielereien ganz zu schweigen.«
Ich ging auf der Brücke hin und her und registrierte die sanften Erschütterungen, mit denen der Reaktor des Explorers anlief. Noch konnte ich es nicht glauben. Alles war unwirklich. Die wohlvertraute Umgebung kam mir fremdartig und phantastisch vor.
Nachts hatten erschreckende Albträume mich gequält. Sinesische Geschwader waren ins Sonnensystem eingebrochen. Überall, von der Merkurbahn bis zum Uranus-Orbit, öffneten sich Warpkorridore aus denen unzählige schnelle Jäger hervorquollen wie Wespen aus ihrem Nest. Schwere Schlachtschiffe tauchten in die Erdumlaufbahn ein und nahmen die Batterien in den Ringen unter Feuer. Ikosaeder-Kampfstationen wälzten sich über ganze irdische Flottenverbände und vernichteten alles, was in ihre Reichweite kam. Warpraumsonden materialisierten sich vor sämtlichen Planeten und attackierten sie mit Annihilationswaffen. Eine Welt nach der anderen wurde aus ihrer Bahn geworfen und stürzte in die Sonne. Am Ende war auch die Erde nicht mehr als eine zerstäubte Partikelwolke, die flirrend im Raum hing und von den Protuberanzen unseres Zentralgestirns aufgeleckt wurde.
Ich erwachte um sechs Uhr morgens, maltraitiert und zerschlagen, wie ich es von keiner schlaflosen Nacht hätte sein können. Draußen graute gerade ein kalter Morgen. Vielleicht der letzte, den ich über einen irdischen Horizont würde steigen sehen. Das Bett neben mir war leer. Ich fand Jennifer auf dem Balkon, wo sie nackt in der Frostluft saß und meditierte.
Kaufmann erwartete uns im Elevatorschacht. Er geleitete uns noch bis zur ENTHYMESIS, die aufgetankt und vollständig munitioniert im Zentrum des großen Kuppelkreuzes stand. Wir verfolgten gemeinsam, wie das sinesische Shuttle verladen wurde. Auf einer komplizierten Abfolge von Generatorschächten, Kraftfeldern, Hebebühnen und Schwenkkränen hatte