Nina und die Sphinxwelt. Sarah Nicola Heidner
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„Woher hast du die Kette?“, wollte Frau Barinkson wissen, als Nina sich besser fühlte.
„Welche …?“ Das Mädchen sah an sich herunter. An seinem Hals hing eine wunderschöne, silberne Kette mit einem roten Anhänger in Form eines Feuers. Darauf stand ein großes N und Nina wusste, dass sie diese Kette noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Sie versuchte, die Kette abzumachen, doch sie klebte förmlich auf ihrer Haut. Gerade wollte sie etwas erwidern, als Jana und Mia auf sie zustürmten.
„Wie geht es dir?“, fragte Jana, während Mia sie stürmisch umarmte.
„Ganz gut. Nur etwas kalt ist mir“, sagte Nina und lächelte.
Die Lehrer zogen sich zurück und ließen die fünf allein.
„Mensch, wir haben uns solche Sorgen gemacht! Du warst total unterkühlt“, sagte Maria, als Jana die Kette auffiel, die um Ninas Hals hing.
„Sie war plötzlich da“, sagte Nina, die den Blick bemerkte. „Einfach so – schwupp! Ich weiß wirklich nicht, woher ich sie habe“, fügte sie hinzu. „Ich habe sie vorher noch nicht umgehabt, echt, Leute!“
„Na gut“, sagte Jana.
„Wir glauben dir ja. Aber komisch ist es trotzdem, oder?“, warf Mia ein.
„Auch schon bemerkt? Cool, Blitzmerkerin“, meinte Jana und zwinkerte.
„Blitzmerkerin, du Schlange? Weißt du eigentlich, wie fies Schlangen sind und wie dumm im Gegensatz zu Blondinen?“
„Oh nein!“, stöhnten Maria und Nina gleichzeitig.
„Bewahrt uns!“, flehte Pia.
Herr Malan kam wieder zu den Mädchen. „Könnt ihr diese Angaben bestätigen?“, fragte er. „Zwei große, schlanke Frauen, ein Mann. Alle schwarz und mit Regenmänteln bekleidet?“
„Sie hatten … Dolche bei sich.“ Pia erschauderte.
„Diese eine Frau“, fiel Nina ein. „Sie hatte rote Haare.“
„Gut.“ Herr Malan nickte ihnen dankend zu. „Wir werden natürlich sofort die Polizei verständigen, aber als Pia und Maria uns geholt haben, waren die drei schon verschwunden. Weiß jemand von euch, weshalb das Feuer ausgebrochen ist und wieso es so schnell wieder aus war?“, fragte er. „Das ganze Gras war versengt und Rauch hing in der Luft.“
„Feuer?“, fragte Nina verwirrt.
„Plötzlich hörten wir eilige Schritte“, sagte Maria, „und wir haben uns umgedreht. Anscheinend war Feuer ausgebrochen und der Mann und die Frauen liefen davon, ebenso die Jungs. Aber bevor Pia und ich etwas tun konnten, war es plötzlich weg – einfach so.“
Herr Malan nickte ernst. „Wir werden uns langsam auf den Rückweg zur Fähre machen. Die sechs Jungen sind gerade aus der Stadt eingetroffen.“
Die Mädchen verließen die Fähre als Erste und liefen voraus zur Jugendherberge und in ihr Zimmer.
Nina duschte sich, während die anderen noch einmal rausgingen und Federball spielten. Etwas später verschwanden nacheinander Jana, Mia, Pia und Maria im Badezimmer, während Nina nach Schneewittchen suchte, die sich anscheinend davongemacht hatte. Ob es ihr gut ging? Wo sie wohl war? Und was hatten bloß die beiden Frauen und der Mann von ihnen gewollt? Als sich Nina nach erfolgloser Suche unter die Eiche setzte, schnurrte es neben ihr und ein weiches Fellbündel sprang ihr in den Schoß.
„Schneewittchen!“, flüsterte Nina. „Was geht hier vor? Was wollten diese Frauen und der Mann? Worüber reden Herr Malan und Blyn – wer immer sie auch sein mag? Und was bedeutet diese Kette an meinem Hals?“ Nachdenklich berührte sie den Anhänger.
Die Katze sprang von ihrem Schoß und tauchte eine Minute später mit einem Blatt Papier im Maul wieder auf. Sie sprang erneut auf Ninas Schoß und hielt ihr das Blatt vor die Nase.
Nina nahm es und erkannte, dass es aus einem Buch herausgerissen worden war. „Warst du das? Böses Schneewittchen“, tadelte sie und runzelte die Stirn, als sie die Überschrift gelesen hatte. „Das Zeichen der Sphinxen?“, fragte sie. „Sind Sphinxen nicht diese Orakeldinger aus Ägypten?“ Sie erinnerte sich vage an eine Geschichtsstunde in der fünften Klasse, in der es irgendwie um Sphinxen gegangen war, aber dann hatte Jana ihr unbedingt von ihrem neuem Hobby, Volleyball, erzählen wollen und sie waren sogleich vom Thema abgekommen.
Gerade als Nina weiterlesen wollte, fragte jemand: „Mit wem sprichst du?“
Mist! Es war Jana, die frisch geduscht und mit nassen Haaren in die Nachmittagssonne blinzelte.
„Ich? Ähm … mit Schneewittchen“, sagte Nina ausweichend.
Die Katze miaute zustimmend und lief wieder weg.
„Was hast du da gemurmelt?“, fragte Jana misstrauisch.
„Etwas über Sphinxen … aber nur so. Allgemeinwissen, meine ich“, antwortete Nina hastig. „Geschichte … Ägypten … du weißt schon …“
„Aha.“ Jana zog die Brauen hoch, sagte aber nichts weiter.
Nina war froh darüber. Sie murmelte, sie müsse sich eine Sonnenbrille holen, und lief fort von ihrer Freundin. Als sie an dem Bungalow ihrer Klasse angekommen war, ging sie langsam auf ihr Zimmer zu und versuchte sich zu beruhigen. Die Fragen in ihrem Kopf ließen sie nicht los. Was ging hier vor? Wer hatte es auf sie abgesehen? Was hatte diese Kette zu bedeuten? Und – die wichtigste Frage, fand sie – von wem hatten Herr Malan und diese Blyn gesprochen? Es hatte sich nicht gut angehört. Und was war mit Schneewittchen? Sie benahm sich irgendwie komisch. Eigentlich hatte es eine stinknormale Klassenfahrt werden sollen, doch sie entpuppte sich als alles andere als normal!
Um ihren Freundinnen zu entgehen, schloss sich Nina auf der Mädchentoilette ein und las den Zettel, den Schneewittchen ihr gebracht hatte. „Sphinxen (aus dem Griechischen: ‚erwürgen‘ oder ‚mit einem Zauber festbinden‘ oder aber auch aus dem Ägyptischen: ‚das, was Leben empfängt‘) waren Statuen eines Löwen mit einem Menschenkopf, es waren aber auch Widder- und Falkenköpfe gebräuchlich. Im 2. Jahrhundert v. Chr. wurden Sphinxen von vorderasiatischen Völkern wie den Phönikern übernommen, häufig sind Sphinxen auf Wandmalereien geflügelt dargestellt. Auch die Griechen übernahmen Sphinxen mit Flügeln. Die Ägypter nannten Sphinxen auch ‚Hu‘.“
Nina runzelte die Stirn. Dieser Text hatte ihre Geschichtskenntnisse wieder wachgerufen, aber dennoch wunderte sie sich, warum Schneewittchen ihr das Blatt gebracht hatte.
Als sie in ihr Zimmer trat, sah Nina auf ihrem Bett einen weiteren Zettel liegen. Sie trat näher und las: „Deine Kette heißt Ignis. Ich hoffe, deine Rätsel sind damit gelöst. Malan.“
Nina schnaubte ärgerlich. Was dachte sich ihr Lieblingslehrer eigentlich? Sie wusste nicht, wer oder was Ignis war, und deshalb war natürlich keines ihrer Rätsel gelöst. Und was die Kette zu bedeuten hatte, war ihr auch nicht klar geworden. Nina beschloss, Herrn Malan beim Abendessen darauf anzusprechen. Wut kam in ihr hoch. Er gab ihr sogar noch ein zusätzliches Rätsel auf! Zornig stampfte sie aus dem Zimmer, das Papier zusammengeknüllt in ihrer Hand. Als sie aus der Tür des Bungalows trat, öffnete sie die Faust, die sie auf dem Weg nach draußen geschlossen gehalten hatte. Asche rieselte auf den Boden, doch von