Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke

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Der Zthronmische Krieg - Matthias Falke

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baute sich das HoloBild auf. Franks graublaue Augen waren auf einmal ganz nahe vor ihr.

      »Ich wollte dich noch einmal sehen«, sagte er linkisch. Immer wenn er den großen Buben spielte und sich seiner Sentimentalität hingab, war er besonders süß. Natürlich wusste er das auch.

      »Da bin ich«, gab Jennifer zurück. Sie registrierte, dass sie einen Kloß im Hals hatte.

      Über einen Abgrund von abertausend Lichtjahren sahen sie einander an.

      »Pass auf dich auf!«, sagte Norton leise.

      Dann war die Übertragung beendet.

      Am Morgen marschierte Jennifer alert auf die Brücke der Raumstation Alpha Ceti Tau. Während der Nacht war nichts vorgefallen. Jetzt begab sie sich zu Kommandant Borissowitsch, um gemeinsam mit ihm das Eintreffen des Versorgungsfrachters ENCOURAGE IV abzuwarten.

      Der Kommandant saß vor seiner Konsole und studierte die hereinkommenden Meldungen. Dabei mampfte er etwas aus einem selbsterhitzenden Elastilbehälter in sich hinein. Es sah aus wie recyceltes Müsli, in dem kleine Fleischstückchen trieben. Jennifer hätte sich beinahe der Magen umgedreht.

      »Wie war die Nacht?«, fragte sie, bemüht, sich die Irritation nicht anmerken zu lassen.

      Borissowitsch sah kaum von seinem Frühstück auf. In zusammengesunkener Haltung, die seinen runden Rücken noch runder, die hängenden Schultern noch hängender erscheinen ließ, schlang er vor sich hin.

      »Angenehm ruhig«, sagte er undeutlich. Dennoch schien er die Worte zu betonen. »So ruhig, wie wir es vor Ihrer Ankunft immer hatten.«

      Jennifer zuckte die Achseln.

      »Und unten?«

      Sie trat an die mächtige, konvex gekrümmte Scheibe aus polarisiertem Elastalglas. »Unten«, das war der Planet Zthronmia, dessen zinkoxidfarbene Wüsten und Gebirge in der Tiefe dahinzogen. Rostrote und ockerbraune Landstriche, die so menschenleer und gottverlassen waren, als hätte nie ein lebendes Wesen diese Welt betreten. Und doch war sie zum Zankapfel geworden. Möglicherweise zum Auslöser eines interstellaren Erbfolgekrieges.

      »Erstaunlich friedlich«, kaute der Russe. »Ein paar Scytherangriffe auf amishe Kibbuze. Die Opferzahlen werden gerade kompiliert.« Er schlürfte geräuschvoll den Grund der Schüssel aus und wandte Jennifer sein aufgedunsenes Gesicht zu. »Nicht halb so schlimm wie gestern, beispielsweise.«

      Die Daten würden aufbereitet und komprimiert, auf eine Warpdrohne überspielt und zum Torus gefeuert werden. Dort würden sie automatisch ins StabsLog überschrieben und auf diese Weise »veröffentlicht« werden. Jeder, den es interessierte, würde sich ein Bild machen können. Auch in dieser Nacht war es auf Zthronmia nicht ruhig geblieben. Ruhiger als in der vorangegangenen Nacht allerdings, und das würde in der an prozentualen Verschiebungen und Ableitungen orientierten Öffentlichkeit als Erfolg erscheinen.

      »Es gab Opfer«, stellte sie nüchtern fest.

      »Ein paar.« Borissowitsch ließ die Elastilschüssel auf den Boden gleiten. Aus irgendeinem Versteck kam die Katze Morgan hervor und stürzte sich darauf, um sie genüsslich auszulecken.

      In einer Welt der Statistiken und der elegant aufbereiteten dreidimensionalen Diagramme, die ohnehin niemand las, spielten absolute Zahlen keine Rolle, und wenn sie Menschenleben repräsentierten.

      »Was wollen Sie?«, rief der Kommandant, der sich den Mund an seinem schwarzen Pullover abwischte. »So geht das hier seit ich weiß nicht wie vielen Jahren – seit ich denken kann. Und noch nie hat sich irgendjemand darüber aufgeregt. Nicht einmal die Amish selbst. Sie nehmen es hin wie Sandstürme, Grubenbeben und andere Misslichkeiten ihrer selbst gewählten Existenz hier draußen auch.«

      »Aber wir nehmen es nicht hin«, sagte Jennifer knapp. Sie stand breitbeinig, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, an der Panoramascheibe und blickte hinunter. Sie passierten gerade wieder die Tag-und-Nacht-Grenze, die ihre Flugbahn in einem spitzen Winkel schnitt. Dort unten lagen Mütter in ihren Betten und trauerten um ihre Kinder, die im Aerosol verbrannt waren. Und gleich nebenan, von hier oben aus nur einen Steinwurf entfernt, ließen die Scythergeschwader vielleicht schon wieder die Turbinen warm laufen, um im Morgengrauen anzugreifen.

      Die Tag-und-Nacht-Linie wanderte erstaunlich schnell über die rötlichen Gebirgszüge, wenn auch nicht ganz so schnell wie Alpha Ceti Tau auf ihrer elliptischen Bahn, die den Planeten alle siebenundneunzig Minuten umrundete. In der dünnen Atmosphäre Zthronmias, in der es kaum Dämmerungszonen zu geben schien, war die Schattenlinie scharf ausgeprägt, wie auf einem Mond ohne schützende Luftschicht. Es gab Licht und es gab Schatten. Dazwischen war nichts.

      Im wirklichen Leben, dachte Jennifer, zumal im komplexen Feld der interstellaren Politik, war es leider nicht so einfach. Recht und Unrecht, Gut und Böse, Freund und Feind waren oft kaum voneinander zu unterscheiden. Die Welt schien in einem beständigen Zwielicht dazuliegen, einem moralischen Claire obscure, in dem die Konturen verschwammen und die Gegensätze sich ineinander auflösten.

      Die Schattenlinie, die über die Bergkämme und Geröllwüsten kroch, war gezackt. Sie wirkte wie ein Sägeblatt, das den Planeten Nacht für Nacht in zwei Hälften schnitt.

      »Nun, darum kümmern wir uns später …«

      Jennifer wandte sich um. Borissowitsch hatte die Katze Morgan auf den Arm genommen und kraulte sie. Dabei begegnete er ihrem Blick. Seine Miene war vollkommen ausdruckslos.

      »Sie wissen Bescheid.« Jennifer sah nach der Uhr. »Wenn der Frachter attackiert wird, fordern wir Geleitschutz an. Ich möchte, dass Sie auch hier die Geschütze bemannen und alle Stationen besetzt halten …«

      Der Kommandant wollte einen Einwand vorbringen, aber Jennifer verurteilte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen.

      »… soweit es Ihre knappen Ressourcen an Mannschaften, über die Sie mich nicht belehren müssen, gestatten.«

      Sie funkelte ihn finster an.

      »Die drei Mann«, Borissowitsch zelebrierte jedes einzelne Wort, »der Frühschicht haben in diesem Augenblick Feierabend. Sie haben die ganze Nacht nicht geschlafen …«

      Jennifer stieß amüsiert die Luft durch die schmale Nase.

      »Sie werden Feierabend bis ans Ende ihres Lebens haben«, sagte sie. »So oder so.«

      Ihr Blick bohrte sich in die schwammige Visage des Kommandanten.

      »Ich befehle Ihnen, sämtliche relevanten Stationen zu bemannen und die Station gefechtsbereit zu machen.«

      Borissowitsch feuerte die Katze quer über die Brücke; sie fing sich mit einem Salto ab, schüttelte sich einmal und ging dann unter einem der Konsolenpulte in Deckung. Der Kommandant erhob sich schwerfällig, bückte sich keuchend, hob den Elastilbehälter auf und stopfte ihn mit ostentativem Seitenblick in einen der schwarzen Kompressionssäcke. Jennifer verfolgte das umständliche Manöver ungerührt.

      »Und dann haben wir ja noch immer etwas in der Hinterhand«, sagte sie fröhlich.

      Borissowitsch aktivierte die Durchsagefunktion der Automatik.

      »Alle Mann auf Gefechtsstation«, sagte er emotionslos. »Der Schichtplan ist aufgehoben. Ich wiederhole: Alle Mann auf Gefechtsstation. Dies ist keine Übung!«

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