Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke
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»Ich weiß nur noch immer nicht, wozu der Aufwand gut ist«, brummte er in Richtung Jennifer. »Glauben Sie im Ernst, die Zthronmic werden Ihnen den Gefallen tun und auch diesen Frachter angreifen?«
Jennifer zuckte die Achseln.
»Es ist immer gut, wenn man noch einen Trumpf im Ärmel hat!«
Borissowitsch war zur Tür geschlurft, deren Steuerung schon wieder ausgefallen zu sein schien. Er musste die Flügel mit den Händen auseinander drücken.
»Ioan«, brüllte er in den Gang, der sich dahinter im Halbdunkel verlor, »und bring mir einen Kaffee!«
Damit kehrte er an seinen Hauptbedienplatz zurück und ließ sich schwerfällig in seinen gravimetrischen Sessel fallen, dass der Feldgenerator aufstöhnte und die Federung aus virtueller Schwerkraft nachgab. Er aktivierte die Statusfunktion seiner Konsole und sah regungslos zu, wie seine Männer Reaktoren hochfuhren, Schutzschilde aufbauten und Geschütztürme besetzten.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«, fragte er, während seine fettigen Lippen sich zu einem frechen Feixen aufbliesen.
»Halten Sie einfach die Klappe!«, blaffte Jennifer zurück.
Sie hatte sich wieder umgedreht und musterte die Nachtseite des Planeten, die lautlos unter ihnen in der Finsternis trieb und sich erwartungsvoll dem blutigen Horizont des Morgenrots entgegendrehte.
Pater Bel II
Der Pater hatte die Formel gesprochen, die für die Aufnahme unschuldiger Seelen in das Himmelreich des Einen Gottes bat. Er hatte die Tora dreimal über den frischen Gräbern geschwenkt und den Totengesang angestimmt. Schließlich war er zurückgetreten. Die Särge waren in die sandigen Gruben hinabgelassen worden. Die Angehörigen hatten Erde darauf geworfen. Viele hatten Votivbildchen, Zettel oder Briefe, die ledrigen Glieder von Meditationskakteen oder kostbare Zthrontatkristalle in die Gräber gebettet. Dann waren die Männer vorgetreten, die die undankbare Aufgabe hatten, die Reihe von fünfzig neuen Grabstätten zuzuschaufeln und die provisorischen Grabsteine aus gestanztem Elastil aufzustellen. Kaum jemand hatte geweint. Die Zeremonie war in großer Würde und Stille über die Bühne gegangen. Der staubige Nachmittagswind, der jenseits der großen Palisade durch die Ebenen heulte, war oft das einzige Geräusch gewesen.
Pater Bel hatte sich am Ende der Reihe postiert. Die Trauergäste schritten den ganzen Kordon der schmalen Gräber ab. Dann kamen sie bei ihm vorbei, der sie noch einmal segnete und versuchte, ihnen ein Wort des Trostes mit auf den Heimweg zu geben. Von einem zum anderen wurde es immer noch schwerer.
Die Tradition hatte gefordert, die Toten des morgendlichen Angriffs noch vor Sonnenuntergang beizusetzen. Sie durften nicht unbestattet bleiben, wenn die Nacht hereinbrach. Das war mit knapper Not gelungen. Fünfzig Gräber hatten aus dem steinharten Boden gebrochen werden müssen. Fünfzig Särge hatten gezimmert werden müssen, die meisten von ihnen kleine Kindersärge. Fünfzig Leichen hatten gewaschen und in weißes Leinen gebettet werden müssen. Zuvor waren die Toten zu identifizieren gewesen, was nicht mehr in allen Fällen gelungen war. Viele der Kinder waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. In einzelnen Fällen hatte man sich mit einer Handvoll Asche beholfen, die man auf gut Glück aus den noch immer schwelenden Trümmern der Schule geborgen hatte. Die Zuweisung zu einem Namen erfolgte nach der Schulliste. Irrtümer waren ausgeschlossen. Alle Kinder, die an diesem Tag nicht nach Hause gekommen waren, mussten verbrannt sein, auch wenn man nicht mehr die geringsten Überreste von ihnen fand. In einem Kibbuz mit wenigen Tausend Einwohnern, in dem jeder jeden kannte und der auf allen Seiten von Wüste umgeben war, gab es keine andere Möglichkeit, nichts, woran sich die Hinterbliebenen der »Vermissten« klammern konnten.
Der Pater segnete die Angehörigen. In den meisten Augen las er Trauer und Resignation, aber auch Auflehnung und Trotz. Natürlich wurde kein Wort gesprochen. Dennoch funkelte ihn aus vielen Gesichtern die schwindende Bereitschaft an, all dieses Leid unwidersprochen hinzunehmen. Viele schienen ihn mit zurückgestautem Vorwurf anzustarren. War er denn für das Grauen verantwortlich? In gewisser Weise schon, dachte er, während er wieder und wieder die Segensformel sprach, insofern als er sich zum Fürsprecher eines Gottes gemacht hatte, der Verbrechen wie diese geschehen ließ. Zu einem Gott zu beten, der Akte purer Grausamkeit nicht verhinderte? In vielen der stolzen Mienen, die sich ihm entgegenhoben, zu stolz, um zu weinen, und zu stolz, um anzuklagen, glaubte er so etwas zu lesen. »Wer bist du«, schienen sie zu fragen, »dass du dich zum Anwalt eines solchen Gottes machst?«
Eine der letzten in der Reihe war Shorena. Sie hatte, wie alle anderen Frauen auch, das schwarze Trauergewand angelegt, das ihre dunkle Schönheit noch vertiefte. Ein schwarzer Schleier aus handgestickter amisher Seide fiel über ihren Scheitel, verbarg ihr Gesicht, ihre Schultern und Arme. Dennoch sah er ihre dunklen Augen darunter lodern. Sie deutete die Beugung ihres Knies nur an, als sie den Segen empfing. Dann stand sie da, gab den Weg nicht frei, für die wenigen, die noch nach ihr kamen, sondern musterte den Pater unter ihrem Schleier hervor. Es war eine Herausforderung, ein Affront. Aber dennoch wich sie nicht vor ihm zurück. Sie schlug die Augen nicht nieder, sondern sie forschte in seinem blassen, von Trauer, Schock und Resignation gezeichneten Gesicht. Was suchte sie? Suchte sie die Seele hinter der Maske des Geistlichen, der seine Zuflucht zu Formeln und Ritualen, Dogmen und Zeremonien nehmen konnte? »Du hast nie geliebt«, schien ihr glosender Blick zu sagen, »wie kannst du ermessen, was es heißt, um seine Lieben zu fürchten? Du hast keine Kinder; wie kannst du ermessen, was es heißt, ein Kind zu verlieren?«
»Du musst weitergehen …«, sagte er leise.
Sie ließ es geschehen, dass er sie mit sanftem Nachdruck weiterschob. Aber sie ging nur ein paar Schritte und wartete dann in einer Gruppe von Männern und Frauen, die sich – im Gegensatz zu allen anderen – noch nicht zerstreuten. Der Pater hatte die Segensformel zum letzten Mal gesprochen und den Totengräbern das Zeichen gegeben, dass die Zeremonie beendigt war. Es war keine Minute zu früh. Die Sonne war hinter den Palisaden verschwunden, in deren Schatten es empfindlich kalt zu werden begann. Lediglich die höheren Gebäude und der stumpfe Kegel, der jenseits der Unterstadt ansteigenden Pueblos wurden noch von ihren Strahlen angeschienen. Die weiß gekalkten Flächen wurden zinnoberfarben, als wolle die Wüste alles, was sich über sie erhoben hatte, in sich zurücksaugen. Dann dunkelte das Rot schnell ein, wurde blutig, rostig, purpurn. Am Himmel wurden die ersten Sterne sichtbar. Einer davon schoss mit erheblicher Geschwindigkeit gegen das unbewegte Feld der anderen dahin. Es war eine Raumstation, die auf ihrem Orbit in den Schatten des Planeten tauchte.
Dann fiel die Nacht ein. Der Pater verharrte noch einige Minuten in stillem Gebet vor der endlosen Reihe frischer Gräber.
Als er sich umwandte, war die Gruppe immer noch da. Ein Dutzend Männer und Frauen. Shorena war unter ihnen, Ari ben Guron, der ihm am Morgen das Leben gerettet hatte, und einige andere, deren Namen ihm wieder einfallen würden.
»Pater«, sagte Ari zögernd, »auf ein Wort …«
Er schien sich zum Sprecher der Gruppe gemacht zu haben. Die anderen warteten schweigend ab. Unter den Frauen war Shorena diejenige, die einen Schritt vor den anderen stand. Ihre Haltung drückte Trotz und Unbeugsamkeit aus.
Der Pater nickte. Er führte die Männer und Frauen zum Gemeindezentrum, das nur wenige Gassen entfernt war. Auch hier waren durch die Wucht der morgendlichen Explosion die Scheiben zerborsten. Ein Teil des Daches war abgedeckt. Man hatte die Fenster durch einen provisorischen Schutz aus Elastilfolien ersetzt. Auch das Dach war mit Folien repariert und mit Steinen beschwert, um diese gegen den starken Wind zu sichern. Der Pater ging hinein. Die Gruppe folgte ihm. Er kannte sie alle seit Jahrzehnten. Die meisten hatten von seiner Hand die ersten Sakramente empfangen, waren in die Gemeinschaft der Gläubigen eingeführt worden, er hatte