Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke

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Der Zthronmische Krieg - Matthias Falke

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Bel begab sich zu der Seitenkapelle, murmelte die rituelle Formel vor dem Meditationskaktus und zündete einige Lichter an.

      Dann sah er sich nach denjenigen um, die er im Stillen schon die Verschwörer nannte. Was wollten sie von ihm? Trost? Mehr Trost, als er es gerade getan hatte, konnte er nicht spenden. Auflehnung, Anklagen und Fragen? Sie vertieften nur das Leiden, waren wie das Stochern und Wühlen in einer Wunde, die allenfalls die Zeit schließen konnte.

      Der kleine Gemeinderaum bot einen trostlosen Anblick. An den Fenstern und der niedrigen Decke zeichneten sich die Spuren der Verheerung ab. Man hatte einige halbverkohlte Schulbänke und andere Zeugen des morgendlichen Angriffs untergestellt. Ansonsten war er leer. Kein Schmuck, keine Bildnisse. Die Schritte und Stimmen klangen hart und kalt. Die Luft roch brandig und schal.

      »Was wollt ihr?«, fragte der Pater. Ihm war bewusst, dass es barsch klingen musste. Aber er brauchte diese Schutzhaltung, um den letzten Rest des eigenen Lebenswillens aufrechtzuerhalten.

      Sie standen um ihn herum. Wie von ungefähr hatten sie einen Halbkreis gebildet. Die düstere Atmosphäre in dem kleinen Saal schien ihre aufrührerische Stimmung, die er draußen an den Gräbern gespürt hatte, zu dämpfen. Plötzlich waren sie alle wieder die Kinder und Jugendlichen, die er hier in den Glauben eingeführt hatte. Sie waren verstockt wie damals, als sie ein Kapitel auswendig hersagen sollten und es nicht gelernt hatten.

      Endlich trat Shorena vor. Sie legte den Schleier ab und sah ihn trotzig an.

      Die Erde auf dem Grab ihrer Tochter war noch nicht festgestampft und sie warf schon die Trauerkleidung ab. Es war ein furchtbarer Affront, eine fürchterliche wortlose Klage.

      Zugleich sah er, dass der tiefe Ernst noch ihre Schönheit verstärkte. Shorena war seit je die schönste Frau des ganzen Kibbuz S’Deró gewesen. Alle Männer hatten für sie geschwärmt und alle waren auf ben Cyrion neidisch gewesen, als er sie heimgeführt hatte, als blutjunges Mädchen noch. Wenn ben Cyrion nicht so angesehen gewesen und bei allen im höchsten Respekt gestanden wäre, hätte der Neid böse Früchte tragen können. So war die allgemeine Empfindung gewesen, dass die beiden einander angemessen waren. Sie waren das schönste und angesehenste Paar im Kibbuz und im ganzen Distrikt Kirjasch Moná. Sie hatten sieben Kinder gehabt …

      Der Pater bemühte sich, Shorenas anklagenden Blicken standzuhalten. Er fühlte sich erschöpft und ausgebrannt wie seit Langem nicht mehr. Die Last der Jahre lag auf ihm und drückte ihn zu Boden. Doch in der Schönheit dieser Frau lag auch etwas, das ihm Kraft gab. Er war alt und er hatte das Gelübde gesprochen. Aber er war auch ein Mann und er hatte Augen im Kopf.

      »Wie lange sollen wir das noch hinnehmen?«, sagte sie leise und mit drohendem Unterton.

      Auch die anderen Frauen legten jetzt die Schleier ab. Die Männer zogen die schwarzen Kippas von den Köpfen. Der Pater erstarrte. Wollten sie den Glauben abtun?

      »So kann es nicht weitergehen, Pater!«, sagte Ari, der neben Shorena getreten war und sie am Unterarm fasste. Ihre Hand zu nehmen, hätte er nicht gewagt. Sie war eine verheiratete Frau. Schon, dass er sie auf diese Art berührte, kam einem neuerlichen Tabubruch gleich.

      Wollen sie alles über Bord werfen?, durchzuckte es Pu Rhea Bel. Die Sitte, die Tradition, das Herkommen, die Werte ihrer tausendjährigen Gemeinschaft?

      »Was wollt ihr?«, fragte er kraftlos.

      Er rechnete mit Fragen, mit Anklagen. Und innerlich wappnete er sich. Er rief sich die scholastischen Definitionen und Syllogismen seiner Ausbildung ins Gedächtnis. Gott rechtfertigen? Das Böse in der Welt erklären? Kein Problem, wenn man im theologischen Seminar saß. Doch hier, vor einem Dutzend aufgebrachter Eltern, die gerade ihre Kinder zu Grabe getragen hatten? Der Pater wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Würden sie es wagen, ihn tätlich anzugreifen?

      Aber dann las er etwas anderes in ihren versteinerten Mienen. Es ging ihnen nicht um Worte oder Begriffe, um endlose Darlegungen und Erörterungen, es ging ihnen nicht um Aufhellung des Warum. Es ging ihnen um etwas viel Konkreteres.

      »Was wollt ihr?«, wiederholte er und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme ängstlich zitterte.

      »Wir haben uns entschlossen«, sagte Ari ben Guron. Und die Art, wie dieser muskulöse Mann das sagte, ließ daran auch keinen Zweifel aufkommen.

      Der Pater hatte mit seiner halb bewussten Einschätzung recht gehabt. Sie probten den Aufstand!

      »Was habt ihr vor?«, erwiderte er rasch.

      »Wir werden das nicht länger hinnehmen«, warf Shorena ein.

      »Wir lassen uns nicht wehrlos abschlachten!«, rief ben Guron.

      »Was wollt ihr?«, fragte der Pater zum vierten Mal.

      »Sie müssen das Zeughaus aufschließen«, sagte ben Guron bestimmt.

      Der Pater taumelte. Im Zeughaus lagerten die Waffen des Kibbuz. Was sie gegen Scythergeschwader ausrichten konnten, blieb dahingestellt. Aber es waren immerhin Strahlenwaffen und Feldwerfer, auch Minen und sogar einige Detonatoren, mit denen man eine kleine Armee ausrüsten konnte. Ihre Freigabe blieb dem Votum des Rates vorbehalten. Der Rat musste einberufen werden. Cyrill würde den Vorsitz führen müssen, doch er weilte auf jenem Kongress am anderen Ende der Galaxis.

      »Die Amish waren seit Jahrhunderten …«, begann der Pater zögernd.

      »Dem Ethos der Gewaltfreiheit verzichtet«, beendete Shorena seinen Satz im leiernden Tonfall einer Halbwüchsigen, die eine auswendig gelernte Stelle wiedergibt. »Und was hat es ihnen gebracht? Terror und Verfolgung über ein Dutzend kolonisierter Welten. Die Hälfte davon mussten sie wieder aufgeben, da sie nicht in der Lage waren, sie zu verteidigen. Endloses Leid, endlose Opfer und alles war immer wieder umsonst gewesen.«

      »Sie müssen uns ins Zeughaus lassen«, insistierte ben Guron mit seinem schweren Bass. »Wir könnten es auch aufbrechen, aber wir dachten, es wäre – ehrlicher, wenn Sie uns den Schlüssel geben würden, Pater!«

      Der Pater musste wider Willen lächeln. In der Sicht dieses Bären von einem Mann hatte diese Argumentation einen geradezu dialektischen Charme.

      »Wir müssen den Rat einberufen«, beharrte er. »Der Rat wird entscheiden. Die Waffen dürfen nur im Kriegsfall herausgegeben werden und nur der Rat kann über Krieg und Frieden befinden.«

      Shorena warf sich mit verächtlichem Lachen herum.

      »Und was ist das!«, rief sie und ließ die ausgebreiteten Arme über die verkohlen Überreste der Schulbänke gleiten. »Was war das heute Morgen wenn nicht Krieg? Haben Sie schon vergessen, wo wir gerade herkommen? Sieht so der Frieden aus?«

      »Die Amish sind jetzt Mitglied der Union«, unternahm der Pater einen letzten, verzweifelten Versuch. »Die Charta der Union …«

      Weiter kam er nicht.

      »Der Krieg ist geächtet«, brummte ben Guron. »Alle Konflikte werden auf dem Verhandlungsweg gelöst.« Er hatte das massige Haupt stolz erhoben und sah kühl auf Pater Bel herab. Offensichtlich war es nicht notwendig, noch mehr zu sagen.

      »Wir werden eine Petition einbringen«, sagte der Pater leise.

      »Eine Petition«, äffte Shorena aufgebracht. »Sind wir denn Bittsteller?« Sie wandte sich in aufpeitschender Gebärde an die

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