Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke
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Sie ließ eine Pause entstehen, aber es wurde auch jetzt kein Widerspruch laut. Das machte sie misstrauisch. Sie hatte damit gerechnet, dass Rankveil verhinderte, den Zthronmic eine solche Falle zu stellen. Aber der Kommissar saß für seine Verhältnisse gutmütig dabei, hörte sich alles an – und schwieg. Was mochte er im Schilde führen?
Andererseits, dachte sie, wenn etwas herauskam, wusste man, wo die undichte Stelle war. Wenn der Plan vereitelt wurde … Die Frage war nur, was für Konsequenzen ein Fehlschlag nach sich ziehen würde und ob die Auswirkungen dann nicht so gravierend sein würden, dass das Schicksal des gelbhäutigen Jorn Rankveil ihnen herzlich gleichgültig sein würde.
Wie auch immer. Sie konnte es nicht ändern. Die Dinge waren viel zu weit gediehen. Viel zu viel war in Gang gesetzt und aktenkundig geworden – es gab kein Zurück mehr.
»Die Jäger halten sich lediglich bereit«, sagte sie laut. »Sie haben einen gestaffelten Einsatzbefehl. Solange der Frachter den Zielraum ungefährdet erreicht, die Kampfstation anfliegen und seine Ladung löschen kann, greifen sie auf keinen Fall ein.«
Die vier Männer auf der MARQUIS DE LAPLACE nickten unisono.
»Nur falls es zu neuerlichen Übergriffen kommt, setzen die Jäger durch den Warpraum nach, kommen der ENCOURAGE IV zu Hilfe und geben ihr Geleit, notfalls auch Feuerschutz.«
Auch jetzt kam keinerlei Widerspruch.
Jennifer holte tief Luft. Bis jetzt war sie auf der Schwelle gestanden. Im schlimmsten Fall hätte man das Ruder noch einmal herumreißen können, wenn auch nicht ohne Ansehensverlust. Doch jetzt tat sie den entscheidenden Schritt.
»Und dann habe ich mir noch Folgendes überlegt«, sagte sie und aktivierte eine vorbereitete Übertragung. Auf der Konsole sah sie, wie die Daten auf der anderen Seite ankamen und von der KI des StabsLogs aufbereitet wurden. Die Augen der Männer wurden umso größer, je mehr sich davon enthüllte. Sie stieß Borissowitsch kumpelhaft in die Seite. Dann wartete sie auf die Bestätigung.
Nach Ende der Videokonferenz begab sich Jennifer wieder auf die ENTHYMESIS, um dort die Nacht zu verbringen. Die Nacht vor dem Gefecht – denn dass es zu Zwischenfällen kommen würde, stand für sie außer Zweifel. Vielleicht die letzte Nacht zu Friedenszeiten.
Sie instruierte die beiden Offiziere ihrer spartanischen Crew, die sich die Nachtwache teilten. Auch Borissowitsch hatte sie angewiesen, die Brücke auf Alpha Ceti Tau im Dreischichtrhythmus besetzt zu halten. Der maulfaule Russe hatte es ihr zugesagt, ebenso unverbindlich, wie er ihr einen Nächtigungsplatz auf seiner Raumstation angeboten hatte. Aber sie hatte wenig Lust verspürt, das Domizil mit einem Dutzend gelangweilter, frustrierter und sexuell ausgehungerter Männer zu teilen. Da waren ihr die beiden gesetzten Familienväter, die sie sich auf die ENTHYMESIS geholt hatte, lieber.
Jennifer ging nicht davon aus, dass es in der Nacht zu Übergriffen kommen würde. Aber man konnte nie wissen. Die Gemengelage in diesem abgelegenen Quadranten war undurchsichtig. Hier blühte die Korruption, wucherte der Schwarzhandel, feierten Fanatismus und religiöse Verbohrtheit fröhliche Urständ.
Während sie ihre Kabine aufsuchte, die gravimetrische Tür verriegelte, die Schiffsautomatik auf Alarm stellte, sich auszog und in die Nasszelle ging, kreisten ihre Gedanken um die Ereignisse dieses Tages. War es wirklich erst an diesem Morgen gewesen, dass sie den Sprung durchgeführt, sich das Scharmützel mit den zthronmischen Schmugglern geliefert und die Orbitalstation angeflogen hatte. Auf dem Planeten unter ihr war es Nacht und wieder Tag geworden. In den Morgenstunden lokaler Zeit hatten zthronmische Scyther einen schweren Angriff auf amishe Kibbuzim geflogen. Derweil hatte sie mit Kommandant Borissowitsch die Station inspiziert.
Sie stand unter der Dusche und ließ sich von warmem Wasser berieseln. Es war ein Luxus, den man sich auf einem so kleinen Schiff wie einem ENTHYMESIS-Explorer nicht jeden Tag gönnen konnte. Für gewöhnlich duschte man mit Ultraschall. Die selbstreinigende sensorielle Kleidung sorgte dafür, dass man während einer Mission nicht allzu viele Gedanken an die Körperpflege verschwenden musste. Hin und wieder zog sie jedoch ein richtiges Bad vor, mit warmem Wasser und parfümierter Seifenlösung. Und anschließend frottierte sie ihren Leib, bis er zu glühen schien.
Sie zog sich nicht an, sondern nahm in Meditationshaltung auf der gravimetrischen Matratze ihres Bettes Platz. Dann schloss sie die Augen und versetzte sich in eine leichte Trance. Die oberen Schichten der Prana-Bindu-Meditation waren für das Bewusstsein durchlässig. Sie schaltete nur alle störenden Einflüsse ab, unterdrückte Assoziationen und den persönlichen Teil ihres Gedankendickichts. Sie war wie ein Computer, der rational und effektiv ein vorgelegtes Problem bearbeitete. Nachdem sie den Plan für die morgige Falle, die sie den Zthronmic gestellt hatte, noch einmal durchgegangen war und ihn auf logische Fehler abgeklopft hatte, konzentrierte sie sich auf Kommandant Borissowitsch. Neben Kommissar Rankveil blieb er eine der Unbekannten in diesem Spiel. Der Russe war undurchdringlich. Er hatte nichts von sich preisgegeben. Privat schon gar nicht. Aber auch über sein Dienstverständnis und seine Einschätzung der Situation hier draußen konnte man nur mutmaßen. Er wollte seine Ruhe haben, so viel war durchgedrungen. Solange er selber nicht an Leib und Leben gefährdet war, blieben ihm die Vorgänge einige Hundert Kilometer weiter unten herzlich egal. Sein Job war sicher. Er hatte ihn bis jetzt weitgehend unkontrolliert, in eigener Regie ausgeführt. Zu erkennbaren Unregelmäßigkeiten war es nicht gekommen. Wie viel er für die eigene Tasche abzweigte, wie viel des florierenden Zthrontathandels über seine speckige Konsole lief oder wie lukrativ seine sonstigen Deals mit den Zthronmic waren – darüber konnte man nur spekulieren. Er hatte sich mit der Lage hier draußen arrangiert. Gut möglich, dass er an die entsprechenden Stellen der Unionsverwaltung eine Art von umgekehrtem Schutzgeld zahlte, um nicht abgelöst zu werden. Der Verlust der ENCOURAGE hatte ihn nicht besonders schwer getroffen. Er war nicht eingeschritten, als der Frachter aufgebracht worden war, und hatte auch nichts unternommen, als er manövrierunfähig auf seiner instabilen Bahn dahintrieb. Seine Trauer über das Scheitern der Mission, den Absturz des Schiffes und den Tod der Mannschaften hatte sich in Grenzen gehalten.
Jennifer musste sich nicht eigens dazu ermahnen, ihm nicht über den Weg zu trauen. Bei Gelegenheit würde sie ein wenig investigativ werden: Vielleicht ließ sich in den Tiefen des StabsLogs etwas darüber auffinden, was er hier draußen trieb oder wie er zu diesem Posten gekommen war. Aus Bemerkungen, die er während des Gespräches hatte fallen lassen und die sie mit der Chronologie der häufig wechselnden zthronmischen Führung kurzgeschlossen hatte, glaubte sie, ableiten zu können, dass er schon während des Sinesischen Krieges in diesem Quadranten zu tun gehabt hatte. Wie war das aber möglich? Die Ikosaeder-Kampfstation war damals noch von den Sinesern selbst betrieben worden. Diese hatten schwerlich einem Offizier der Union Zugang gewährt. Freilich, glaubte sie, sich zu erinnern, hatte die Union schon nach Persephone ein Netz von Verbindungsoffizieren zu verschiedenen Völkern in der Tiefe der Galaxis aufgebaut. Die Zthronmic waren während der Schlacht um Sina neutral geblieben. Sie hatten eine der Phasen durchgemacht, in denen sie auf Distanz zum Sinesischen Imperium zu gehen pflegten. Es war denkbar, dass Borissowitschs Kontakte bis in diese Zeit zurückreichten. Das herauszufinden, würde eine mehrstündige Tiefenrecherche im StabsLog erfordern, was wiederum nur auf der MARQUIS DE LAPLACE möglich war. Jennifer machte sich einen Vermerk im Hinterkopf, sich beizeiten um die Sache zu kümmern. Dann schüttelte sie die Trance ab, stand auf und warf sich ein leichtes Negligé aus Tloxi-Seide über. Während sie ihre schlanke Gestalt mit dem verführerischen durchscheinenden Kleid im Spiegel betrachtete,