Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Читать онлайн книгу Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich страница 29
»Was Sie immer alles wissen! Aber sagen Sie, das hätt’ ich nicht gedacht von Grevenhagen. Immer den Kavalier spielen – die Sauberzweig ist ja auch schon nicht mehr ganz normal, weil sie sagt, der Ministerialrat habe ihr den Hut aufgehoben – und dann hintenherum einen dem Pöschko preisgeben.«
»Was haben Sie denn gegen Pöschko? Das ist doch ein tüchtiger Beamter?«
»Ach, Herr Korts, jetzt hören Sie aber auf. So ein heimtückisches, minderwertiges Subjekt! Er will mich durchaus kontrollieren!«
Korts wandte sich bei dem Stichwort »Kontrolle« von der Gastgeberin ab und Borowski zu. »Haben Sie schon gehört? Grevenhagen erhält ein Kontrollreferat über den ›Orient‹…«
»Wa … waas? Das wäre ja unerhört! Das lassen wir uns nicht bieten!«
»Dann werden Sie wohl den Dienst quittieren müssen, Herr Borowski. Ministerialdirigent wird Grevenhagen ja doch bald. Die Funktionen werden ihm etwas früher übertragen. Nischan hat eine Dummheit gemacht in einem Gesetzestext. Großer Stunk! Grevenhagen ist in jeder Beziehung obenauf.«
»Na, dann könn’ wir vom ›Orient‹ unsere Karriere begraben. Die Herren von drüben sind sowieso immer viel schneller vorwärtsgekommen. Grevenhagen ein Kontrollreferat! Der Pinsler! Das ist unerträglich!«
»Sagen Sie das nicht so laut vor den Ohren des Abendlandes!« rief Lotte Hüsch.
»Ist mir egal. Sie können ruhig weitererzählen, was ich gesagt habe, Herr Korts.«
»Ich habe kein Interesse am Klatschen. Wir werden sehr fruchtbar zusammenarbeiten.«
»Ha, ich muß sage, es isch hübe im Abendland eigentlich ganz nett, und der Grevenhagen weiß wirklich bedeutend mehr als unser Nischan …«
»Sie sind ja schon infiziert! Bei Grevenhagen ist man nichts als Sklave!«
»Ha no, jetzt so ein Haussklave hat’s manchmal ganz gut g’habt, Herr Borowski, des probiere Sie nur einmal aus. Die Hälfte der Worte, die Sie am Tage zu spreche gewohnt sind, müsse Sie halt dann außerhalb des Dienschtes gruppiere, zu der zweite Hälfte läßt der Grevenhagen Ihnen schon Zeit, wenn Sie sich ein bißle beeile.«
»Ja, so ungefähr habe ich mir das vorgestellt! Seinen Mitarbeitern den Mund verbieten! Angeblich alles selber gemacht haben! Alles besser wissen! Nach fünf Uhr noch anrufen! Um halb neun Uhr kommen! Den Vornehmen spielen … niemanden vorlassen durch die hochmütige du Prel … den Halbgott markieren … und sich dann einbilden, daß das heutzutage noch ungestört so weitergeht … An mir wird der Herr aber sein blaues Wunder erleben!« Borowski schüttelte die blondborstigen Locken. »Das wird ein Tanz werden! Aber ich denke gar nicht daran, mir etwas gefallen zu lassen. Ich bin schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden. Wir werden ja sehen. Grevenhagen … na!«
»Wie soll denn das werden, Herr Nathan?« rief Lotte Hüsch. »Wenn Grevenhagen noch mehr zu tun kriegt, kommt man ja überhaupt nicht mehr bei ihm an? Da muß ich morgen unbedingt noch hin. Hätt’ ich’s nur damals gleich getan. Wann sollen denn die Beförderungen herauskommen?«
»Mit den Ernennungen.«
»Und die Ernennungen?«
»Die liegen noch beim Staatssekretär.«
»Immer noch? Hören Sie! Wenn alle Hennen so lange brüten wollten, gäb’s nichts als stinkende Eier.«
»Na ja, und in dem Fall gibt’s höhere Beamte.«
»Der Unterschied ist vielleicht nicht groß! Ich verstehe überhaupt nicht, wie ein Mann Beamter werden mag. Was ist das schon? Das war mal was! Aber jetzt? Und bei der Bezahlung? Sie könnten doch alle das Doppelte und Dreifache verdienen.«
»Aber wir hätten nicht eine so reizende Kollegin, Gnädigste.« Der Regierungsrat vom Staatsministerium kam wieder zu Wort. »Und dann … was wollen Sie mit den Industriebonzen ohne Tradition, ohne Manieren? Sie wären eine Perle unter Säuen!«
»So komme ich mir in unserm Stall auch öfters vor, glauben Sie mir. Und zu einem anständigen Leben gehört eben Geld, und nochmals Geld.«
»Das braucht man doch nicht unbedingt zu verdienen, das kann man doch auch haben?«
»Ja? Sprechen Sie da aus Erfahrung?« Fräulein Hüsch musterte interessiert das Gesicht mit dem Schmiß, den sehr guten Anzug, die goldenen Manschettenknöpfe. »Ja, da ham Sie recht. Darauf war die Hungerleiderei der Beamten eben aufgebaut, daß sie ›hatten‹ oder daß sie ›heirateten‹. Aber das sind doch jetzt nach Krieg und Inflation nur noch Ausnahmen. Die ganze Institution hat sich überlebt.«
»Im Gegenteil, sie ist im Vordringen, Fräulein Hüsch.«
»Wieso, Herr Korts?«
»Weil unsere Industrie verbeamtet.«
»Leider, leider! Das sterbende Beamtentum verbreitet den Aasgeruch seiner ›Akten‹ und ›Zuständigkeiten‹ überall, das ist schon wahr. Es ist zum Auswachsen. – Bitte, Herr Wichmann? Den Kaviar? Nehmen Sie doch! Sie kommen doch auch zu unserem blödsinnigen Ball?«
»Ich möchte mich von der Geistesverwirrung nicht ausnehmen.«
»Das ist lobenswert. Wenn Boschhofer und Grevenhagen kommen, muß man sich sowieso zeigen. Ich bin ja diebisch neugierig, endlich Frau Grevenhagen zu sehen … und wie der Boschhofer tanzt!«
»Ha, der tanzt ausgezeichnet, des kann ich Ihnen versichern. Gucke Sie, der ischt so ein runder Ball, der springt ganz reizend und leicht. Habe Sie schon einmal einen schlanken oder eckigen Ball gesehn, gnädiges Fräulein?«
»Nein – Sie ham aber auch Ideen!«
»Logisch zusammengehörige, gnädigstes Fräulein. Das Tanzen ischt eine beschleunigte Fortbewegung. Oder wann und aus welchem Anlaß laufen Sie sonscht so viele Schritte auf dem Parkett umher an einem einzigen Abend? Zur Beschleunigung gehört Erleichterung, ein bißchen Losgelöstheit von dieser Anziehungskraft, die der Newton erfunden hat, und die uns partout aufm Bode habe will! Um der ein Schnippchen zu schlage, muß man sich mit Gas füllen, damit man leicht wird, oder Fett tut’s auch. Fett hat ein geringeres spezifisches Gewicht, und das Runde hopst nun einmal besser als das Spitzige.«
»Einen Hupfwalzer! Damit kann ich mir den Boschhofer vorstellen, Herr Casparius … aber nicht mit mir.«
»Ha, wenn’s durchaus net sein soll, dann nehme Sie eben Ihren undankbaren Grevenhagen, der immer noch net einsieht, wie Sie sich für ihn überarbeiten, und schweben Sie mit ihm dahin in einem Valse Boston, bis ihm die Sinne vergehen! So ganz dahingegeben, mit dem Ernscht des Todes, wie’s jetzt Mode ischt, und mit der Süßigkeit der Empfindung, die sich aus der voraussichtlichen Eifersucht seiner Frau ergibt.«
»Ach ja, übrigens Herr Wichmann, Sie wohn’ doch da gegenüber? Sie müssen sie doch jetzt endlich einmal gesehen haben?«
»Ich glaube nicht. Vielleicht ist sie verreist.«
»Ach nein«, platzte Nathan heraus, »vorigen Sonntag ist das Ehepaar im Park geritten. Ein fabelhaftes Weib!«
»Mit