Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich

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wer sie abholt, des g’hört sich. Wichmann, Sie habe so was für Damen … gehen Sie!«

      »Meinetwegen. Wenn’s mir zu lange dauert, überlass’ ich sie dem Schildhauf.«

      »Wieso?« Korts ging in Angriffsstellung.

      »Ha, der hat seine Freundin fortgeschickt, ischt zur Zeit arbeitslos in bezug auf Frauen. Beschäftigen Sie den nur ein bißle.«

      »Servus … also heut abend …«

      »Das wird ein Affentheater!«

      »Tun Sie nur Geld in Ihren Beutel!«

      Man trennte sich.

      Wichmann ging durch den Park nach Hause. Die fünfte Nachmittagsstunde hielt die Masse der an den Frondienst Gefesselten noch an den Schreibtischen fest. Die Kälte hatte Kinder und Kinderfrauen längst vertrieben, und so gehörten die Wege, die Bäume und die Teiche Oskar Wichmann und den wenigen, die der Zufall fremd an ihm vorbeiführte. Es war ein schöner Tag. Die abgestorbene, noch schneefreie Landschaft lag im zarten Winterschein der Sonne. Der Reif hatte sich mit seinen Brillanten an den Gräsern festgesetzt, ohne zu tauen; über den Moorwassern lag ein Hauch des Gefrierens. Alles wartete in Stille, bis das dicke Eis und der mollige Schnee mit seiner alles blendenden Helle kommen würden und die Stimmen der Kinder wieder laut und jauchzend schallen konnten. Noch war es nicht an dem, noch waren die kahlen erstorbenen Äste, die matten Farben, ein Dunst über der Sonne wie unklare Sehnsucht und der milde Frost nur eine Ahnung der Fülle … Fülle auch der Freuden des Winters, wenn er mit allen seinen Gütern kam.

      Was wahr war? Sehnsucht? Vollkommenheit?

      Im Himmel der Phantasie, mit leise klopfendem Herzen ging Wichmann über die angefrorene Erde des Reitwegs. Er war noch sehr jung. Ja. Warum es leugnen?

      Als der Abend hereinbrach und Lichter aufleuchteten, tat Oskar Wichmann die gleichgültigen Dinge, die dennoch alle den Reiz des Sektes hatten und im Gaukelspiel der Erwartung leise prickelten. Der herbsüße Duft, den Fräulein Hüsch heute stärker als sonst ausstrahlte, ihre hauchdünnen Strümpfe, die Pumps mit unwahrscheinlich hohen Hacken, der Maulwurfsmantel, die kunstvoll-schlicht gelegten Locken … Schildhaufs steifer Hut, das weißseidene Halstuch und die Lackschuhe, das Auto, das man gemeinsam nahm, das alles zusammen war der Auftakt zu einer Melodie, die beginnen wollte.

      Die Wagen fuhren vor. In der Halle leuchtete es von Glaslüstern und elektrischen Kerzen an Spiegelwänden. Schwere Teppiche deckten den Boden der Hotelhalle und die breiten Treppen. Die Stimmen blieben gedämpft. Garderobennummern wurden ausgegeben. Mäntel glitten herab und die Toiletten der Damen, die nackten, zart gepuderten Schultern enthüllten sich. Spitze und Seide, hell und schwarz, rauschten aneinander vorbei. Leicht gefärbte Wangen röteten sich mehr. Hände suchten in kleinen glitzernden Taschen. Kavaliere plauderten schon. Die ersten Begrüßungen fanden statt. Schildhauf entdeckte Bekannte und machte den verträumten Wichmann darauf aufmerksam, daß er Nischan grüßen müsse. Fräulein Hüsch sah prüfend um sich.

      Man geleitete die Dame zum Saal. Er war groß genug für die Zahl der Eintretenden. Das Parkett spiegelte weithin. An den Wänden mit den Marmorbüsten und den goldenen Arabesken stand rings die Reihe der Tische, von denen schon viele belegt waren. Schildhauf hatte einen Tisch nicht zu nahe der Kapelle reservieren lassen. Die Gäste der Nebentische hatten ihre Plätze noch nicht eingenommen. Fräulein Hüsch beugte sich über die Namenskarten.

      »Hören Sie, das sind ja alles Herrn aus andern Abteilungen, die da um uns herumsitzen.«

      »Korts und Casparius kommen noch an unseren Tisch«, rechtfertigte sich der Verantwortliche. »Im übrigen ist die dienstliche Rangordnung nicht durchbrochen … Die Hautevolee vom Ministerialrat aufwärts hat die andere Saalseite mit den Logen – konnte dort leider nichts mehr bekommen! Alle Plätze waren schon vergeben. Aber die Verbindung wird sich allmählich herstellen lassen.«

      Die nicht ganz befriedigte Schöne zuckte mit den Achseln und ließ sich nieder. Korts und Casparius tauchten auf, nahmen am Tisch Platz, beide mit schlohweißen Hemdbrüsten, im schwarzen Tuch des Smokings. Man beobachtete seine Mitmenschen.

      »Schauen Sie! Schauen Sie bloß, Herr Wichmann! Ihre Verehrerin … seien Sie doch nicht so unaufmerksam!«

      Der Angerufene fuhr aus Träumen auf und blickte in die Richtung, die die Damenhand leicht angedeutet hatte. Fräulein Sauberzweig ging unter den letzten Nachzüglern einsam und suchend durch den Saal. Das billige Fähnchen, das über ihren Schultern hing, war sehr kurz, die Wadenlinie schwunglos. Die beiden Hände hielten krampfhaft das silberglänzende Handtäschchen vor den Leib.

      »Das hat sie bestimmt selbst genäht!«

      »Nehmen Sie sich in acht, Wichmann, die Dame geht auf Raub aus.«

      Die Wangen des Mädchens waren ungeschickt mit Rouge gefärbt, und die natürliche Röte kam daneben hervor. Die neunzehnjährige Silvia Sauberzweig war ein niedliches Mädchen, aber sie war schüchtern und ungeschickt.

      »Ha, also das Mädle tut mir wirklich leid«, sagte Casparius gutmütig. »Die hat sich daheim vor ihrem Spiegel so wunder schön g’funde, und jetzt heult sie bald. Daß aber auch der Baier net kommt. Der hat wahrscheinlich wieder kein Geld. Oje und die Schmock, die hat der Pöschko heut am Tisch. Habe die denn kein Platz mehr für des Mädle? Des ischt eigentlich eine Gemeinheit von der Freundin Anneli gegen die Silvia. Gegenwart von Männern beziehungsweise die daraus entstehenden Hoffnungen und Konkurrenzkämpfe bringen eine Verderbnis hinsichtlich des Frauencharakters mit sich, die selbst auf einem Beamtenball keine Grenzen kennt.«

      Fräulein Sauberzweig steuerte unsicher hin und her.

      Die Mitglieder des Tanzorchesters erschienen schon durch eine kleine Nebentür auf dem Podium am Saalende und verteilten die Noten für das Eingangsstück auf die Ständer.

      »Ha, jetzt gucket – wie hat denn die Silvia ihren Kompaß eingestellt? Gerät in das Revier der ministerialrätlichen Wale und Hechte, das arme Weißfischle! Ich kann’s nimmer mit ansehen. Fräulein Hüsch, Sie sind unsere beschte Kuh, beschtes Pferd im …«

      »Stute …«

      »Seien Sie still, Herr Korts, mit Ihrer Auslegung meiner schlichten Wortwirrnis bringen Sie den Zorn der Dame über mich, der mich untröstlich macht, und mir noch eine Forderung über den Hals! Ha, also was ich sage will, Fräulein Hüsch, unsere einzige und daher beschte Kollegin … ischt eben einzig dastehend und kann den Jammer auch net mitansehen. Erlauben Sie, daß ich des arme Mädle an unseren Tisch bring’? Ein Stuhl wird sich schon finde.«

      »Sie sind wohl verrückt, Herr Casparius?«

      »Ha, nei, aber enttäuscht von Ihne. Dabei sehe Sie so hübsch aus in Ihre Spitzle!«

      »Die Sauberzweig! Wir sind ja vorläufig noch nicht im Soldaten- und Arbeiterparadies.«

      »Ha, nei, in einem Paradies sind wir noch net, den Eindruck hab’ i also auch. Dazu sind die Dame immer noch etwas zu viel angezoge und zu wenig Mensch schlechthin. Insofern sind wir aber Kommunischte, als Sie uns zwinge, uns selbander zu viert in eine einzige Dame, nämlich Ihre werte Person zu teilen.«

      »Ich verzichte darauf. Wenn Sie Ihre Frau Gemahlin nicht mitgebracht haben, können Sie sich ja zu der Sauberzweig setzen.«

      Casparius machte sein Schimpansengesicht und betrachtete Lotte Hüsch mit abgründig philosophischem Blick von unten herauf.

      Schildhauf

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