Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich

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Zwei Freunde - Liselotte Welskopf-Henrich

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denn in Ihrem Klub?«

      »Rauchen und Gespräche machen. In Klubsesseln sitzen. Die Herren sind ganz passabel. Ein paar Stabsoffiziere, etwas Journaille und Wirtschaft – ein Prinz … drei Beamte … das ist so die Mixtur, die sich meistens zeigt. Kommen Sie! Sie waren doch bei einer schlagenden Verbindung? Also gut. Wir sprechen noch darüber. Der alte Grevenhagen läßt sich auch ab und zu sehen. – Sie müssen an diese Kreise Anschluß finden, wenn Sie etwas werden wollen. Ich führe Sie einmal als Gast ein.«

      »Dafür wäre ich Ihnen dankbar.«

      »Abgemacht. – Übrigens, im Vertrauen – sagen Sie: Ist die Hüsch schon engagiert?«

      »Sie ist nicht verlobt meines Wissens.«

      »Nein, das hab’ ich auch nicht angenommen. Ich meine …?«

      »Korts macht Ansprüche.«

      »Korts? Zum Piepen. Dabei sitzt er da wie ein Stock und rührt sich nicht. So – Korts. Danke für die Mitteilung. Wie steht denn die Hüsch dazu?«

      »Wer soll das bei einer Frau wissen?«

      »Ah so … im Bilde.«

      Korts und Casparius rückten an einem Straßenübergang zu den beiden auf.

      »Gehen wir noch einen Mokka trinken?«

      Man einigte sich auf diesen Abschluß, an den alle schon im stillen gedacht hatten, und saß noch bis ein Uhr in einem lichtflimmernden Lokal. Draußen vor den großen Fenstern zogen die Menschen als Schatten auf und ab; eine Kapelle machte Lärm, und die Gäste schwatzten. Damen und Püppchen wechselten Blicke mit Schildhauf und Korts, wenn Ihre Versuche an Wichmann abgeglitten waren. Casparius schnitt heimlich die Grimassen, mit denen er die Bemühungen blau untermalter Augen nachahmte, und reizte den aufgeregten Korts zum Lachen.

      Wichmann pries die Vorzüge einer gediegenen Weinstube, und es wurde beschlossen, daß das Kleeblatt vierblättrig sein sollte, wenn es das nächste Mal dorthin ging.

      Die Tage eilten Weihnachten zu. Sie liefen wie die Stafettenläufer, die im Nu den Stab wechseln und schon weitereilen. Kaum daß man sich nach ihnen umsah, waren sie um eine Etappe vorangekommen.

      Die Schaufenster gleißten und boten Trödel und Kostbarkeiten feil; Menschenmengen stauten sich davor. Große Fichten mit elektrischen Kerzen standen in den winterkalten Straßen. Die Stadt vertausendfachte, was Dorf und Familie zum Feste tun konnten. Ihre Kerzenbäume waren größer und brannten länger, die Krippen und Weihnachtsmänner erschienen riesig und zahlreich, die Spielzeugeisenbahnen funktionierten mit kompliziertem Raffinement und wirkten magnetisch auf jung und alt. Die Stadt tat, was sie auf allen Gebieten des Lebens zu tun vermochte, sie steigerte, vervielfältigte und brachte Bewegung; in den Händen ihrer Geschäftsleute wurden alle Herrlichkeiten zu Waren, und sie maß alle Wünsche in Kaufkraft. Aber die Sterne standen fremd und vergessen über ihrem Treiben, und der himmelweiße Schnee wurde in ihren Straßen schmutzig.

      Wichmann verlebte die Tage in einem Zustand, den er selbst nicht ganz durchschaute. Die Tätigkeit im Ministerium war noch lebhaft. Die Erweiterung des Grevenhagenschen Referats machte sich auch für Wichmann spürbar. Er bekam Arbeiten, vornehmlich des Herrn Borowski, in die Hand, die nicht vollständig durchdacht, in ihrer Begründungflüchtig waren, und er feilte daran, teilte neu ein, stellte die Gedanken schlagkräftiger zusammen und vertilgte das Wort »hinsichtlich«, das sein Chef nicht liebte. Wichmann empfand diese Aufgabe als unangenehm. Er war keine Lehrernatur. Aber es ging alles glatt; von den Schwierigkeiten, die Borowski angedroht hatte, ließ sich vorläufig nichts merken. Der Großsprecher schwieg nur mit rotem Kopf, wenn Grevenhagen seine Kritik in sehr höflicher Form, inhaltlich aber mit schonungsloser Schärfe vorbrachte. Auch Pöschko, der Amtmann mit der Gardegrenadiershaltung, trat jetzt leibhaftig in Wichmanns Gesichtskreis, und der Assessor spürte, daß er noch zu weich war, um die Achtung dieses selbstbewußten Mannes zu erzwingen.

      Im Grunde war ihm das alles auch gleichgültig. Sein sonderbarer Zustand, in dem er das Leben seiner Mitmenschen wie ein Marionettentheater an sich vorüberziehen ließ, blieb. Sein eigenes Leben lag fern davon, weltenfern. Nur wenn er den Geruch der Pferde spürte, auf denen er jetzt schon halbwegs sicher zu sitzen vermochte, wenn ihn die Wipfel des Parks grüßten, wenn er an dem Zimmer Nr. 412 vorbeiging und den Namen »Grevenhagen, Ministerialrat«, las, dann tat sich in ihm etwas auf, eine zweite Bühne seiner Seele, die von einem dunklen Vorhang verdeckt war, während auf den Brettern davor für das Publikum gespielt wurde. Was sich hinter jenem Vorhang in ihm selbst verbarg, ahnte auch Wichmann nur in Nebeln und Träumen. Himmel und Hölle oder nur Kulissengerümpel, wer wußte es, aber er fühlte sich voll verführerischer unbestimmter Hoffnung, und seine Handlungen wurden von Kräften und Wünschen geleitet, über die er sich selbst keine Rechenschaft mehr gab. Noch immer hatte er der dringenden Einladung der älteren Schwester zum Weihnachtsfest nicht zugesagt, noch immer lagen die Briefe des Tanzstundenfräuleins im blauen Umschlag mit der klobig gemalten Adresse unbeantwortet in der Schublade, und er konnte eine Gereiztheit und Befangenheit gegenüber seiner unentwegt aufmerksamen und vielleicht etwas neugierigen geheimrätlichen Quartierswirtin nicht mehr überwinden. Die eingegangene Post wurde von seinen Händen durchwühlt und die Meinung, daß sich eine Einladung darunter befinden könne, auf den nächsten Tag vertröstet. Um den Amtsball kreisten seine bewußten Gedanken nur sehr selten, aber als das Gerücht ging, daß er abgesagt werden sollte, glaubte er in einen Abgrund zu stürzen.

      So war der 20. Dezember 1928 gekommen. Zum erstenmal nach einer Zeit, die Ewigkeit schien, erlaubte sich Wichmann wieder einen langen und vertrauten Blick nach den kahl gewordenen Zweigen des Ahorns, nach dem Rosentor und jenem halb verborgenen Fenster, das hinten im Garten mit Perlmuttglanz schillerte. Heute endlich wollte er seine rasenden Hoffnungen, sie wiederzusehen, freigeben. Sie …

      Er hatte am Morgen noch dienstlich mit Grevenhagen zu tun. Nie waren die Gedanken des Assessors so scharf gewesen, nie seine Worte so gut formuliert. Den Auftrag, verschiedene Vorarbeiten der Denkschrift zu den Etatsverhandlungen, die ihn am ersten Tage seines Dienstes beschäftigt hatten, zu etwas Einheitlichem zusammenzufassen, erledigte er in einer so überraschend knappen Frist, daß Grevenhagens stumme Miene die Brauchbarkeit der Arbeit zunächst anzweifeln wollte. Es stellte sich heraus, daß sie vorzüglich war.

      »Ministerialdirektor Boschhofer wird darüber wohl noch persönlich mit Ihnen sprechen. Alles, was die Etatsverhandlungen anbetrifft, geht speziell durch seine Hand.«

      Verbeugung.

      Warum nicht? Das Gehörn des Mastochsen hatte seine Schrecken verloren für den, der mit dem Besten seines Lebens in ganz anderen Regionen weilte.

      Der Dienst schloß etwas früher. Korts und Casparius bemühten sich, mit Wichmann Schritt zu halten.

      »Sie haben jetzt einen Zustand an sich … Wichmann, Menschenskind … Sie werden doch net verliebt sein?«

      Wichmann lachte ausgelassen, wie ein Bub, dem es gelingt, den heißbegehrten Roman vor dem Vater zu verstecken. »Warum denn nicht ein bißchen verliebt, Kasperl? Meine Kleine aus der Tanzstunde hat mir einen sehr niedlichen Brief geschrieben …«

      »Ha … so. Dann ischt’s ja harmlos. – Holen wir unser Prachtstück, die Hüsch, heut alle miteinander ab?«

      »Wenn wir alle miteinander zwei Stunden zu spät kommen wollen«, knurrte Korts.

      »Werden Sie uns überhaupt durch Ihr Erscheinen beehren, Robert Herr Teufel? Das weiß bis jetzt keiner

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