Indianertod. Rainer Buck
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6.
„Es tut mir so leid für dich, Jana.“
Lisa breitete ihre Arme aus. Ihrer Schwester beugte sich zu ihr über den Rollstuhl und ließ sich die Umarmung gefallen.
„Ach, Lisa, es ist noch alles so surreal. Aber danke, dass du gekommen bist.“
Erst jetzt hatte Jana Felden Augen für Manuel, der an ihrer Wohnungstür stehengeblieben war.
„Wir kennen uns doch auch“, sagte sie verwundert.
„Ich habe Sie neulich interviewt. Mein Name ist Manuel Wolff.“
„Manuel hat mich hergebracht“, erklärte Lisa. „Paps war so durch den Wind, dass ihn Manuel erst mal in unserem Wagen heimfuhr. Mama war es dann wichtig, dass ich nach dir schaue. Beide wissen ja aus den Zeitungen, dass Branco und du …“
„Die Guten. Heute sind wirklich alle total besorgt um mich. Das ist ja irgendwie lieb.“
Manuel fuhr sich durch die Haare, ehe er Jana die Hand hinstreckte. „Ich möchte Ihnen noch mein Mitgefühl …“
„Danke.“ Jana drückte seine Hand und nickte ihm zu.
„Ich muss dann mal“, wandte sich Manuel an Lisa.
„Na klar. Die Redaktion wartet sicher sehnsüchtig auf deinen Bericht.“
„Autsch.“ Erschrocken schaute Manuel auf die Uhr. „Ich habe glatt die Zeit vergessen.“
Wenig später jagte Manuel über die B430 zurück nach Bad Espefeld. Zum Glück war wenig Verkehr, so dass er den PS-starken Van von Lisas Vater gut auf Touren bringen konnte.
Es war ein seltsamer Tag heute. Da war ein entsetzliches Ereignis über die sonst so heile Karl-May-Welt hereingebrochen, die er schon als Kind geliebt hatte. Da gab es für ihn zum ersten Mal in seiner Journalistentätigkeit nicht nur einen freundlichen Kulturbeitrag zu verfassen, sondern über ein Verbrechen zu berichten. Da hatte ihm sein Freund Robert durch seine guten Verbindungen zur Polizei noch am Tatort alles serviert, was in einer seriösen Zeitung jetzt schon geschrieben werden konnte. Und nun würde er es gerade noch schaffen, ohne letzte Recherche einen Artikel in den PC zu hauen und als E-Mail an Sandner, den Chef vom Dienst, zu schicken. Statt sich zu profilieren, würde er kämpfen müssen, die Sache nicht gerade zu verbocken.
Lisa Felden. Er kannte sie erst wenige Stunden. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, beschäftigte sie ihn selbst jetzt noch, wo er in Gedanken doch schon bei seinem Text sein sollte. Sie gefiel ihm. Lisa hatte eine Ausstrahlung, gegen die selbst die Aura ihrer prominenten Schwester zerstieb.
In diesem Moment schreckte ihn der Blitz einer Radaranlage auf. Manuel musste grinsen. Er fuhr das Auto von Lisas Vater. Wenn die Begegnung mit Lisa längst Vergangenheit sein würde, bekäme Vater Felden vielleicht ein Foto von ihm geschickt, würde es schimpfend seiner Tochter unter die Nase halten, und wenn das Bußgeld hoch genug war, würde sich Lisa mit etwas Glück bei Manuel melden und ihn um Begleichung bitten. Zumindest gab es jetzt einen Grund, nicht nur die Autoschlüssel in den Briefkasten einzuwerfen, wie sie es verabredet hatten.
Daheim angekommen, opferte er noch eine kostbare Minute für einen Anruf bei Robert.
„Noch etwas passiert in der letzten Stunde?“, fragte er.
Robert versicherte ihm, dass die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen, wie es immer hieß, nichts mehr herausgeben werde. Die Kollegen vom Boulevard hätten ihm also in der morgigen Ausgabe nur das voraus, was sie sich selbst aus den Fingern saugten. Der Kavaliersdienst für Lisa, der Abstecher nach Neumünster, würde ihn nicht ins Hintertreffen bringen, vorausgesetzt, seine Kreativität ließ ihn jetzt nicht völlig im Stich.
Zum Glück war er es gewohnt, seine Predigten oft auf den letzten Drücker zu schreiben. Zwar begleitete ihn ein Predigttext in seinem Kopf durch die ganze Woche, doch zu Papier brachte er seine Gedanken mitunter erst am späten Samstagabend, wenn er die Ruhe hatte, sich auf Gottes leise Stimme zu konzentrieren. Er schickte ein Gebet zum Himmel, dass ihm heute problemlos die richtigen Formulierungen für seinen Artikel einfielen.
Eine Stunde später, gut zehn Minuten vor Ultimo, drückte er auf Speichern und Senden“. Die Korrektur seiner Flüchtigkeitsfehler gönnte er Sandner, der ihn zwischendurch zweimal angerufen hatte, um zu fragen, wo der Artikel bliebe. Immerhin hatte ihn Sandner nicht nur genervt, sondern ihn auch darüber informiert, dass er schon das Bildmaterial zu Branco Ilic zusammengestellt hatte. Die neuesten Fotos zeigten ihn mit der schönen Jana Felden an seiner Seite als „Winnetou und Ribanna“. In Karl Mays Roman waren Winnetou und Ribanna das mystische Paar, dem kein gemeinsames Glück beschieden war. Dem tragischen Los des Apatschen entsprach es nicht, zusammen mit einer Squaw zufrieden den Wigwam zu teilen.
7.
„Ja seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Wie konnte das passieren? Wir hatten von einem Unfall gesprochen, nicht von einem Mord“, kläffte die Stimme aus Wiesenlohs Handy. Der Intendant der Festspiel GmbH tupfte sich mit seinem Taschentuch Schweißtropfen von der Stirn.
„Ich weiß nicht, wer dahinter steckt. Ich hatte mir was ganz anderes ausgedacht und meinen Mann entsprechend instruiert“, beteuerte Wiesenloh und versuchte, den Anrufer zu beschwichtigen. „Wir wären doch bescheuert gewesen. Ilics Tod kann unseren Plan sogar völlig zum Kippen bringen. Der Bürgermeister geht wegen des Todesfalls davon aus, dass die Spiele für diese Saison gelaufen sind.“
„Was sagen Sie? Hören Sie mal her, Wiesenloh. Wenn mein Klient hier nicht spätestens nächste Woche am Start ist, wird eine Bombe hochgehen. Dann war es das für Sie. Und ich spreche nicht nur von Ihrem Job in Espefeld.“
Wiesenloh lief rot an. Wieder wischte er sich mit dem Taschentuch über die massive Stirn. Innerlich verfluchte er sich dafür, diesem Kraken die Hand gereicht zu haben. Dabei profitierte er von der ganzen Sache nur indirekt. Klar, die Vertragsverlängerung und das höhere Gehalt würden ihm sicher sein, wenn die nächste Saison einen neuen Zuschauerboom brächte. Der musste auf jeden Fall kommen mit einem frischgebackenen TV-Star auf der Bühne.
Hannes Wühlmann sollte zunächst hier in Bad Espefeld für Branco Ilic als Winnetou-Darsteller einspringen. Dann würde ihm die Rolle in der neuen Karl-May-Verfilmung nicht zu nehmen sein. Wühlmanns Manager Freddie Gerling hatte seine Verbindungen auch in die Filmwelt. Und nun sah es so aus, als könnten diese Pläne platzen.
Wiesenloh fühlte sich nach dem Anruf von Gerling eingeschüchtert. Außerdem fing er an, sich zu fragen, ob er nicht doch mitverantwortlich war an Ilics Tod. Konnte sein Auftragnehmer etwas missverstanden haben? Am liebsten hätte er zum Hörer gegriffen und ihn umgehend zur Rede gestellt, in gleicher Weise, wie ihm Freddie Gerling gerade eine Szene gemacht hatte. Doch entweder traf er damit den Falschen, oder dieser Kerl war gefährlicher, als er gedacht hatte. Ob er dann allerdings für so wenig Geld bei der Sache mitgemacht hätte?
Je mehr Wiesenloh nachdachte, desto mehr wuchsen seine Sorgen. Was, wenn sein Auftragnehmer die Prämie nur als Anzahlung verstand und ihn hinterher erpresste? Er spürte, dass er sich zu einer Sache hatte hinreißen lassen, der er nicht gewachsen war.