Indianertod. Rainer Buck
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8.
Manuel genoss den Kaffee auf der Terrasse seines kleinen Heims, einem Anbau an das Gemeindezentrum der evangelischen Freikirche. Die Gemeinde bestand aus etwa hundert Seelen, wenn man die Glieder mitrechnete, die nur ab und zu an den Gottesdiensten, Bibelabenden und sonstigen Aktivitäten teilnahmen. Bevor Manuel seine Stelle angetreten hatte, war ein älterer Pastor nach über dreißig Jahren Dienst in den Ruhestand verabschiedet worden. Der Dienstauftrag war nach einem Beschluss des Vorstands auf eine halbe Stelle reduziert worden, wobei Manuel bei der Einstellung von einem Vorsteher lächelnd signalisiert bekommen hatte, dass sich diese Reduzierung natürlich vor allem auf die Bezahlung bezöge.
Manuel Wolff versah seinen Dienst engagiert und aus Überzeugung, achtete aber darauf, sich Freiraum zu erhalten, um etwas für seinen Unterhalt hinzuverdienen zu können. Das Honorar der Zeitung war zwar nicht üppig, doch er liebte den Journalismus und fand die Mitarbeit bei der Lokalredaktion ideal, um außerhalb der kirchlichen Welt unter Menschen zu kommen. Er war der Meinung, dass zu einem guten Pastor eine gewisse Weltoffenheit gehörte.
Robert Falke, mit dem er sich trotz ihres Altersunterschieds angefreundet hatte, gehörte dem siebenköpfigen Gemeindevorstand an. Zunächst waren sie eher reserviert miteinander umgegangen, doch seit sich die beiden Männer im vergangenen Jahr vor der Kasse der Karl-May-Spiele getroffen und ein gemeinsames Interesse festgestellt hatten, war ihre Beziehung persönlicher und zuletzt sogar vertraut geworden.
Vor dem Frühstück hatte Robert angerufen und ihm für den Bericht in der „Nord-Ostsee-Zeitung“ seine Anerkennung ausgesprochen.
„Ich hatte eben einen guten Informanten“, erwiderte Manuel das Lob.
„Wirst du weiter an der Sache dranbleiben?“, fragte Robert. „Dann strecke ich weiterhin die Fühler für dich aus. Ein Freund von Pressekonferenzen ist unser hiesiger Chef ja nicht gerade.“
„Ich denke, dass da Druck von den Medien kommen wird. Ilic ist ja immerhin ein Thema für die Regenbogenpresse.“
„Da magst du Recht haben. Du hast doch gestern noch seine Freundin Jana Felden gesehen. War sie nicht völlig durch den Wind?“
„Erstaunlicherweise nicht. Als ich Lisa zu ihr brachte, wirkte sie ziemlich gefasst. Beinahe hätte ich vergessen zu kondolieren.”“
Robert lachte. „Vielleicht lag es auch daran, dass dich diese Lisa etwas abgelenkt hat.“
Manuel blies Luft durch seine Lippen. „Wenn nicht gerade du es wärst, würde ich die Bemerkung glatt ignorieren. Aber du liegst nicht ganz falsch. Lisa hat wirklich einen starken Eindruck auf mich gemacht. Vielleicht ja deshalb, weil ich zuerst ihre Schwester Jana in ihr sah. Ich muss sie wie ein Idiot angestarrt haben, wie sie da plötzlich im Rollstuhl vor mir saß.“
„Sie scheint jedenfalls eine sympathische Person zu sein“, stellte Robert fest.
„Das ist sie.“
„Und ihre Schwester? Hört sich an, als sei sie eher kühl.“
„Als ich sie neulich interviewte, machte sie auf mich keinen schlechten Eindruck. Ich würde meine Beobachtung von gestern nicht gleich überbewerten. Jeder Mensch hat seine eigene Art, mit Trauer umzugehen.“
„Ich würde ja nicht darauf herumreiten, aber den Kollegen von der Kripo erschien Jana Felden gestern ebenfalls sehr … gefasst. Alle wollten sich um sie kümmern und sie betütteln. Dabei hätten sie das Riechsalz eher für unseren Old Shatterhand gebraucht. Der ist am Ende regelrecht zusammengebrochen, stand völlig unter Schock.“
„Du meinst Olaf Thomason.“
„Ja, dieser blonde Hüne. In Wahrheit wohl ein ganz sensibler Kerl.“
Manuel lächelte. „Es ist ja eigentlich nicht die Zeit für blöde Bemerkungen, aber vielleicht steht so eine Männerfreundschaft wie zwischen Old Shatterhand und Winnetou ja unter einem besonderen Stern.“
„Das musst du mir nicht sagen, Greenhorn. Ich flenne mir heute noch jedes Mal die Augen aus dem Kopf bei der Sterbeszene von ‚Winnetou III‘.“
Manuel wusste, wie leidenschaftlich sein Freund in die Karl-May-Abenteuer eintauchen konnte und schmunzelte.
„Was Winnetou betrifft, sind wir uns wohl einig. Über Branco Ilic und seine Beziehung zu Jana Felden scheinen wir dagegen nicht viel zu wissen. In meinem Interview damals hat ihn Jana jedenfalls nicht erwähnt.“
„Die Polizei wird sie vermutlich in den nächsten Stunden befragen. Vielleicht weiß ich heute Abend mehr.“
Nach dem Telefonat mit Robert hatte Manuel in der Redaktion angerufen und gefragt, ob er am Mordfall Ilic dranbleiben solle. Er deutete an, dass er einen zuverlässigen Informanten in Polizeikreisen hätte und bekam ein Okay. Zusätzlich würden sie für den Fall allerdings einen Redakteur abstellen. Schließlich habe man ja nicht oft über einen Mordfall zu berichten, hatte der Chefredakteur bemerkt.
Das Klingeln des Handys riss Manuel aus seinen Gedanken. Die Nummer im Display kannte er nicht. Umso erfreuter war er, Lisas Stimme zu hören. Sie schien aufgeregt.
„Würdest du noch einmal den Weg nach Neumünster auf dich nehmen?“, fragte sie. „Die Sache betrifft den Mord. Jana und ich brauchen in der Sache deinen Rat.“
„Jana und du?“, hakte Manuel nach.
„Eigentlich sollst du mir helfen, Jana zu überzeugen, dass sie eine Aussage bei der Polizei macht.“ Sie sprach diese Worte leise und hastig.
Manuel zögerte keinen Moment. „Gut, ich bin gleich bei euch.“
9.
„Herr Wiesenloh, danke, dass Sie gekommen sind.“
Der Bürgermeister deutete auf einen der Sessel vor seinem Schreibtisch. Der Intendant der Karl-May-Spiele nahm Platz. Eine Weile sahen sich die beiden Männer schweigend an. Dann räusperte sich der Stadtchef und begann:
„Es war eine wirklich glanzvolle Premiere am Samstagabend. Es hätte vermutlich eine hervorragende Saison werden können. Und dann schießt ein feiger Mörder schon in der nächsten Vorstellung unseren Winnetou vom Pferd. Es tut mir leid für Sie und ihr Ensemble, dass Sie so um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden.“
Wiesenloh seufzte.
„Und natürlich diese Tragik um Branco Ilic. Ein aufstrebender Schauspieler, diese wunderbare, romantische Beziehung zu Jana Felden. Und nun mit einem Mal alles ausgelöscht.“
„Ja, für uns ist das nicht zu fassen.“ Wiesenloh fragte sich, warum der Bürgermeister ihn aufs Rathaus bestellt hatte. Doch sicher nicht, um Floskeln auszutauschen.
„Herr Wiesenloh. Ich war gestern vielleicht etwas zu voreilig, als ich sagte, dass wir die Spiele keineswegs fortsetzen können.“
Die Miene des Intendanten hellte sich bei dieser Bemerkung auf.
„Ich sagte ja gestern bereits, Herr Bürgermeister, dass …“