Spenglers Nachleben. Группа авторов

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Verbindung zur Folge. Der hohen Wertschätzung Foucaults, die Kittler in seinem schönen Nachruf Ein Verwaiser bis ins Erotische steigerte, folgte zwei Jahrzehnte später der Bescheid, Foucault habe eigentlich immer nur an, mit und von Heidegger her gedacht. Was bleibt dann noch von Foucault? Nichts als die »lebenslange Umschreibung eines Heideggerwortes: Seinsgeschichte.«4 Damit kehrte Kittler konsequent zu den Fußnoten seiner frühesten Aufsätze zurück, in denen die Diskursanalyse von Les mots et les choses als Epiphänomen seinsgeschichtlicher Erkundungen erscheint. Kurzum, die French connection entpuppt sich als recht innerbadische Affäre. Paris liegt auf dem Feldweg von Freiburg nach Meßkirch, denn bei rechtem Licht besehen ist Paris immer schon eine Art Meßkirch-sur-Seine.

      Der Fall Spengler liegt anders. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass trotz oder gerade aufgrund des großen Abstandes Vergleiche zwischen Kittler und Spengler auf den ersten Blick so leicht fallen. Derart viele Analogien und Ähnlichkeiten drängen sich auf, dass man ohne große Mühe dreißig von ihnen Revue passieren lassen kann: Sowohl Kittler als auch Spengler bieten (1.) mitteleuropäisch zentrierte Übergangs- und Umbruchsdiagnosen, denen zufolge eine vornehmlich durch kulturelle Produktion gekennzeichnete Phase von einer verstärkt technisch determinierten abgelöst wird. Während (2.) in jener Goethe symbolhaft überhöht im Mittelpunkt steht, zeichnet sich (3.) diese durch die Vorrangstellung eines bestimmten Berufsstandes aus, nämlich des Ingenieurs. Entscheidend ist (4.) die gleichermaßen programmatische wie polemische Entkoppelung von technischer Entwicklung und sozialem Fortschritt (eine von beiden Theoretikern zum Abschuss freigegebene Vokabel), die Jeffrey Herf in seiner gleichnamigen Studie als Kernstück des reactionary modernism beschrieben hat.5 Wer glaubt, dass es ab dem 19. Jahrhundert vornehmlich deshalb liberaler, demokratischer oder friedlicher zugeht, weil es wissenschaftlicher und technischer zugeht, läuft mit Scheuklappen durch die Welt. Diese irreversible Abfolge wird (5.) mit starker Zäsur-Emphase beschrieben, welche sich (6.) in beiden Fällen einer theorieprägenden Kontinuitätsphobie verdankt. Letztere ist (7.) eng verzahnt mit einem für beide kennzeichnenden Unbehagen am Fetisch der Kommunikation. Dass Spenglers Kulturen so wenig miteinander kommunizieren können wie Kittlers Aufschreibesysteme, hängt maßgeblich von ihrem historischen diskreten Status ab, woraus (8.) hervorgeht, dass die Ergründung dieser Gebilde bei ihren je eigenen ›seelischen‹ bzw. informationstechnischen Ermöglichungsbedingungen ansetzen muss. Was in einer Spenglerschen Großkultur bzw. einem Kittlerschen Aufschreibesystem gedacht und gesagt, besungen und berechnet werden kann, verdankt sich der Entfaltung seelischer Existenz- bzw. technischer Einschreibungsgestelle. Wichtig ist, dass diese Gebilde (9.) relativ plötzlich entstehen und (10.) ihre Evolution bestimmten Eigengesetzlichkeiten unterliegt (wir kommen darauf zurück).

      Dies führt (11.) in beiden Fällen zur pikierten Rückfrage, die auch in Kittlers berüchtigten Habilitationsgutachten anklingt, was diesen Kulturpathologen das Recht gebe, sich so selbstbewusst über soziale Großgebilde zu äußern, von denen es heißt, dass man sie als Außenstehender nicht richtig verstehen könne. In beiden Fällen wird die Frage (12.) mit einer quasi Herderschen Volte beantwortet. Die suspekte Mischung aus Differenz und Gleichheit zwischen Kulturen oder Aufschreibesystemen wird nämlich von den Diskursgesetzen und Erkenntnisstrukturen derjenigen Gebilde festgelegt, in denen sich die Autoren bewegen, von denen aber (13.) vorausgesetzt wird, dass sie einen privilegierten Zugang zu Fragen dieser Art ermöglichen. Alle Kulturen Spenglers sind gleich, mit Ausnahme derjenigen, welche die Kriterien dieser Gleichheit bereitstellt, nämlich der eigenen faustischen. Die Abendländer sind, wie George Orwells Schweine, ein bisschen gleicher. Der Status der faustischen Kultur als primus inter pares entspricht dem Status des global erweiterten technisch zentrierten digitalen Aufschreibesystems Kittlers, was (14.) mit der Auffassung zusammenhängt, dass die faustische Kultur und deren kittlerianisches Pendant sich als erste und bislang einzige planetarisch ausgebreitet haben. Dadurch wird (15.) die Möglichkeit nicht nur eines Endes der Geschichte angedeutet, sondern auch (16.) das Ende jeglichen historischen Bewusstseins.

      An dieser Stelle müssen wir nachhaken, denn hier kommen folgenreiche Ängste des 19. Jahrhunderts zur Sprache. Immer wieder findet sich bei Spengler die Vorstellung, dass Geschichte ihre Energie aus dem Abarbeiten von Differenzen bezieht. Gibt es keine solche Differenzen, Gefälle oder Spannungen mehr, fehlt es der Geschichte am nötigen Treibsto ff. Das ist der thermodynamisch inspirierte Hintergrund der oben erwähnten Kommunikationsskepsis. Entspannung, Annäherung, gegenseitige Durchdringung und Angleichung, die gleichmäßige Verteilung von Informationen über vormals getrennte Systeme hinweg, also alles, was in der Hoffnung auf Frieden und Verständigung positiv bewertet wird, erscheint als entropisches Endzeitsymptom. Wo endet die vom Konflikt der Schulen und Orthodoxien vorangetriebene Philosophie? In Spenglers Morphologie. Und was ist das Endstadium dieser Morphologie? »[D]ie Auflösung des gesamten Wissens in ein ungeheures System morphologischer Verwandtschaften«,6 also eine aus kulturellen Endmoränen zusammengesetzte enzyklopädische Klaviatur, die an Hermann Hesses Glasperlenspiel erinnert. Gleiches geschieht auf politischer Ebene, wenn Völker und Nationen – vormals die »Kampfeinheiten im Strom der Geschichte«7 – in einem planetarischen Brei bis zur Ununterscheidbarkeit miteinander verschmelzen. Was Spengler über das Ende der apollinischen Antike schreibt, trifft auch auf unseren bevorstehenden abendländischen Abgang oder Abgesang zu:

      In der römischen Kaiserzeit beginnt man sich allenthalben zu verstehen, aber eben deshalb gibt es nichts mehr, was in antiken Städten zu verstehen sich noch lohnte. Mit dem Sichverstehen-können hatte diese Menschheit aufgehört, in Nationen zu leben; damit hat sie aufgehört, historisch zu sein.8

      Wenn alle miteinander reden können, hat man sich nichts mehr zu sagen. Die Wut des Verstehens erschafft eine Öde allgemeiner Verständigung. Freilich waren die »dummen Römer« – eine vom späten Kittler häufig benutzte Formel, die ihre Herkunft aus einem bekannten gallischen Dorf wohl kaum verleugnen kann – nicht in der Lage, ihr Abgleiten in die Geschichtslosigkeit zu verstehen, weil sie im Gegensatz zu uns Abendländern erst gar nicht dazu befähigt waren, ihre eigene Geschichtlichkeit zu erfassen.

      Eben dieses Muster prägt bei Kittler die historischen Medienverhältnisse. Über allen Hardwarefetischismus hinaus war seine Medientheorie, wie die von Harold Innis, eine historisch organisierte Intermedialitätstheorie. Was ein Medium ist, was es leistet und bewirkt, kann letztlich immer nur in Bezug auf andere Medien bestimmt werden. Nur so kann erklärt werden, warum bei Kittler, als sei’s ein Stück von Walter Benjamin, ein neues Medium als technische Realisierung der von alten Medien geweckten Bedürfnisse erscheinen kann. Vor allem lassen sich nur so (und wiederum ganz wie bei Innis) die strategischen, wenn nicht gar martialischen Eskalationen erfassen, in der Medien einander zu übertrumpfen suchen, bis alle Differenzen in der Digitalität aufgehoben werden. Ab dem Zeitpunkt gibt es ja bei Kittler keine Medien mehr, so wie es bei Spengler im Zeitalter der abschließenden Morphologie keine autonomen Wissensformen mehr gibt:

      In der allgemeinen Digitalisierung von Nachrichten und Kanälen verschwinden die Unterschiede zwischen einzelnen Medien. Nur noch als Oberflächeneffekt, wie er unterm schönen Namen Interface bei Konsumenten ankommt, gibt es noch Ton und Bild, Stimme und Text. […] – ein totaler Medienverbund auf Digitalbasis wird den Begriff Medium selbst kassieren.9

      Was Marshall McLuhan als Erweiterungen der menschlichen Sinne pries, schrumpft bei Kittler zu Zugeständnissen an deren Inferiorität. Im digitalen Zeitalter gleichen die ›Medien‹ – je mehr Kittler man liest, desto nötiger werden die Anführungszeichen – heruntergekommenen Ex-Aristokraten, die sich auf ihren ehemaligen Landschlössern als Pförtner verdingen, um Besuchern den Zugang zur neuen digitalen Herrschaft zu erleichtern. Entscheidend ist, dass genau wie bei Spengler Entdifferenzierung an Enthistorisierung gekoppelt ist. Das Medienzeitalter, so die einschlägigen Formulierungen in Grammophon Film Typewriter, steht im Gegensatz zur der »Geschichte, die es beendet«10. Am nachgeschichtlichen Horizont – Wolfgang Ernst weist immer wieder darauf hin – wuchern die zeitkritischen Rekursionen und Verarbeitungsprozesse des digitalen Glasperlengestells: »Medien kreuzen einander in einer Zeit, die keine Geschichte mehr ist«11.

      Es

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