Yan Chi Gong. Frank Rudolph

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Yan Chi Gong - Frank Rudolph

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tief eingezogen. Der gesamte Organismus wird durch diese Haltung gestärkt und gereinigt.

      Bekannt ist diese uralte Übung ebenfalls im Yoga, und Bodhidharma integrierte sie ins Shàolín-Training. Sie war aber bereits vorher in daoistischen Übungskonzepten bekannt.

      Foto 46: Handstand.

      Es gibt zahlreiche, zum Teil außerordentlich wirkungsvolle Übungen, die inzwischen kaum noch bekannt sind. Vieles ist vollständig verloren gegangen und existiert nur noch in Form von Geschichten. Von etlichen Übungen haben sich nur abgeschwächte Varianten erhalten. Zu diesen weitgehend verschollenen Übungen gehören unter anderem das bāduànjǐn (八段锦), das luóhàngōng (罗汉功), das ausgestorbene huǒqìgōng (火氣 功) sowie das shuǐgōng (水功) – das Wasser-Gōng. Das Wasser-Gōng war eine Technik, welche der xiákè Yáng Zuānkuí überlieferte. Er hatte vier Haupt- und einige Nebenschüler, die jedoch im Gegensatz zu den Hauptschülern nicht bei ihm lebten. Meister Xióng Dàomíng, seinen jüngsten Schüler, lehrte er das Yàn Chí Gōng. Seinen kampfstärksten Schüler, Yáng Tiānyou (楊天友), lehrte er das Wasser-Gōng. Jeder Schüler bekam andere Dinge gelehrt, und niemals lernten zwei Schüler das gleiche.

      Niemand beherrscht heute mehr das Wasser-Gōng. Die genaue Übungs- und Bewegungsfolge hierfür ist verlorengegangen. Es bestand darin, mehrere Liter kaltes klares Wasser aus einem Eimer in einem Zug zu trinken. Dann spie man das Wasser in einem konzentrierten, sehr kräftigen Strahl wieder aus. Dieser Strahl konnte Ziegelsteine beschädigen oder gar zerbrechen. Zielte man damit auf Menschen, konnte ein Treffer zumindest Augenschäden verursachen.13

      Bevor man das Wasser trank, musste man seinen Körper und die inneren Organe durch Bewegungen ausrichten und vorbereiten. Beim Ausspucken des Wassers musste man ebenfalls bestimmte Bewegungen durchführen und seinen Körper positionieren. Man musste hierfür seinen dāntián perfekt beherrschen und von ihm ausgehend natürlich atmen können. Vom dāntián aus steuerte man die Wasseraufnahme und das Ausspeien. Im Grunde kann man sich das so vorstellen, als ob man einen schweren Gegenstand auf eine Luftmatratze mit offenem Ventil legt. Die Luft wird komprimiert und am Ventil stark gebündelt ausgestoßen. Beim Wasser-Gōng übernehmen die Muskeln und das Gewebe die Positionierung des Körpers und seiner Glieder, der dāntián und die Atmung die Funktion der Presse.

      In einem Kampf wäre das Wasserspucken wohl schwerlich anwendbar. Aber für die Gesundheit und die Kontrolle des Körpers bis hin zur Kontrolle und Stärkung der Verdauung und aller Funktionen der inneren Organe war die Übung Gold wert. Das gesamte Innenleben unseres Organismus wurde gestärkt. Die Gefäße weiteten sich, wodurch der Fluss besser funktionierte. Der Körper war dadurch in der Lage, seine Kraft vom Inneren heraus vollkommen und flexibel in alle Richtungen zu leiten. Durch das kalte Wasser wurde der Körper zudem von innen her abgehärtet. Mit heutigen Trainingsmethoden trainiert man nur das Korsett des Körpers, mit den klassischen Methoden trainiert und verfeinert man ebenfalls das Innere.

      Es gibt eine interessante Anekdote zum Thema Wasser-Gōng. Wie erwähnt, trainierte der kampfstärkste Schüler von Meister Yáng dieses gōng. Sein ältester Gōngfu-Bruder beobachtete ihn heimlich dabei und versuchte, nachdem er meinte, den Ablauf verstanden zu haben, diese Technik auszuführen. Er schaffte es auch, den Eimer Wasser in einem Zug zu leeren. Aber das Problem war nun, dass er das Wasser nicht mehr herausbekam. Mehrere Liter kalten Wassers waren nun in seinem Inneren gefangen, was eine tödliche Gefahr für den Organismus darstellt, wenn man nicht weiß, wie man es wieder von sich gibt. Für die normale Verdauung ist das einfach zuviel. Zwar erbrach er krampfartig einige Tropfen, doch das meiste blieb in seinem Innern. Xióng Dàomíng und Yáng Tiānyou fanden ihn zusammengekrümmt und stöhnend am Boden liegen. Yáng Tiānyou versuchte seinem Gōngfu-Bruder zu erklären, mit welcher Technik er das Wasser wieder herausbekommen konnte, aber jener verstand es nicht. Er konnte sich nicht einmal mehr erheben. Die Schüler wussten sich nicht mehr zu helfen und holten schnell ihren Meister herbei. Dieser wandte sofort einige lebensrettende Maßnahmen an, und nach einiger Zeit ging es dem Pechvogel wieder besser. Es gab dann natürlich noch eine Standpauke vom xiákè, da er ausdrücklich verboten hatte, dass die Schüler sich untereinander austauschten oder voneinander abschauten.

      Die Übungen, die der Hauptgegenstand dieses Buches sind, bewirken, wenn sie mit der gebührenden Konzentration ausgeführt werden, einen tiefen meditativen Zustand. Meditation ist nichts »Rationales«, das mit Worten erklärt werden kann, denn sobald man Worte verwendet, entfernt man sich von genau dem Punkt, der die Meditation eigentlich erst ausmacht. Meditation schafft einen Zustand der Leere im Geist, in dem keine Gedanken mehr vorhanden sind. Man könnte sagen, der Körper geht zurück zu seinem natürlichen Zustand, in dem nur Instinkte herrschen. Meditation bedeutet das Vergessen des Ichs. Durch leidenschaftliches, hingebungsvolles Üben der Bewegungen des Yàn Chí Gōng erreicht man diesen Zustand ganz von selbst. Dadurch wird es möglich, dass man sich wirklich im »Hier und Jetzt« befinden kann. Das ist für gewöhnlich sehr schwer für uns, da unsere Gedanken ständig mit der Vergangenheit oder der Zukunft befasst sind und wir den Augenblick kaum wahrnehmen. Das Leben findet jedoch im Augenblick statt. Erreicht man einen Dauerzustand der inneren Stille, in dem der Geist immer präsent ist, wird das Herz ruhig wie fließendes Wasser sein. Ein solcher Zustand wird im Chinesischen als píngjìng rúshuǐ (平靜如水) bezeichnet, und er gilt als das höchste Ziel, das in der Kampfkunst erreicht werden kann.

      Auch wenn eine direkte Beschreibung dieses wortlosen Zustandes nicht möglich ist, gelang es dem daoistischen Philosophen Zhuāngzǐ (莊子, 4. Jh. u. Z.), ihn mit Hilfe von Geschichten sehr gut darzustellen, von denen zwei hier wiedergegeben werden sollen:

       Der Betrunkene fällt vom Wagen

       Ein stark betrunkener Mann saß hinten auf einem Pferdewagen und stürzte bei schneller Fahrt herunter. Obwohl er sehr hart fiel, starb er nicht. Er wurde nicht einmal verletzt. Dies war so, weil der Mann überhaupt nicht wusste, dass er auf einem Pferdewagen saß. Genauso wenig wusste er, dass er von einem Pferdewagen herabgefallen war. Die Angst um sein Leben war in seinem Herzen nicht vorhanden. Deshalb konnte er sich nicht zu Tode stürzen.

       Betrunkene Menschen sind wie Menschen, die ihr Ich vergessen haben. Menschen, die sich selbst vergessen haben, werden, weil sie sich vergessen haben, den Schutz der Natur bekommen.

       Der Frosch und der Tausendfüßer

       Ein Tausendfüßer lief vergnügt, geschmeidig und flink über eine Wiese. Ein Frosch, der ebenfalls gerade auf der Wiese war und sich sonnte, erblickte ihn. Ganz erstaunt von dieser Kreatur mit so vielen Beinen, sprang der Frosch auf und hüpfte dem Tausendfüßer hinterher. Mit frechem Mundwerk und voller Neugier fragte der Frosch: »He, du hast so viele Beine und bewegst dich damit. Ich habe hingegen nur vier Beine. Sag mir doch einmal, welchen Fuß du bei so vielen Beinen zuerst bewegst?«

       Als der Tausendfüßer diese Frage hörte, hielt er inne und sagte kalt zum Frosch: »Ich weiß nicht, welchen Fuß ich zuerst bewege. Ich darf und will es auch überhaupt nicht wissen. Bitte tu mir den Gefallen und stelle nie wieder einem Tausendfüßer eine solche Frage.«

      Die Dinge in der Natur geschehen auf natürliche Weise. Auch unsere Handlungen

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