Mein Weckruf für Deutschland - Neverforgetniki. Niklas Lotz
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Ich selbst habe jahrelang diesen Gruppenzwang erlebt und weiß aus eigener Erfahrung, dass sich anzupassen um einiges angenehmer ist als anzuecken. Warum sollte das nur gesellschaftlich so sein? Natürlich lernen junge Menschen so auch auf der politischen Ebene, lieber systemkonform und „braver Bürger“ zu sein, denn wer möchte schon ein Leben voller Strapazen und Widerstände, wenn es auch bequemer geht? Diese Haltung ist nur menschlich und auch verständlich. Aber macht einen das denn glücklich?
In einer 2013 veröffentlichten UNICEF-Studie wurde festgestellt, dass viele deutsche Kinder trotz Wohlstand unglücklich sind.25 Das ist schon sehr bemerkenswert, denn vermutlich würde fehlender Wohlstand diese Kinder eher noch unglücklicher machen. Wir leben offensichtlich in Zeiten, in welchen sich bisher da gewesene Werte verschieben und Vor- und Rollenbilder verschwinden. Viele junge Menschen fühlen sich orientierungslos, unter Druck gesetzt und entwurzelt. In Zeiten der Globalisierung, der immer brachialer werdenden Leistungsgesellschaft und des Multikulturalismus verschwinden Strukturen und Grenzen, die einem Halt geben.
Konkret bedeutet das, dass wir zwar verhältnismäßig viel Materielles in die Bildung und die Zukunft unserer Kinder investieren, aber ihnen keine echten Werte mehr mitgeben. Junge Menschen werden darauf getrimmt zu funktionieren, gut genug zu sein: für den Arbeitsmarkt, für Wettbewerbe, für die Partnersuche. Es ist eine Zeit der absoluten Selbstoptimierung um jeden Preis. Opportunismus, Heuchelei und Prinzipienlosigkeit sind hierbei wichtige Eigenschaften, um in der heutigen Gesellschaft Karriere zu machen.
Ich selbst bin unglaublich dankbar, dass meine Eltern mich konservativ erzogen haben. Höflichkeit, Loyalität, Treue, Gemeinschaft – all das sind Werte, die ich in meiner Generation nur selten und vereinzelt aufgefunden habe. Heute ist es schon so, dass ich mich von Herzen freue, wenn ich mal einen ähnlich denkenden Menschen treffe. In einer sehr unpersönlichen und schnelllebigen Zeit sind die „Werte“, die man bei meiner jungen Generation antrifft, es kaum mehr wert, als solche bezeichnet zu werden. Es geht im Alltag der jungen Menschen größtenteils darum, sich permanent miteinander zu vergleichen. Wer hat welche Klamotten, wer welches Handy? Wer tritt am „coolsten“ auf? Wer ist wo der Beste?
Nun werden manche wohl sagen, dass das kein Problem der Jugend ist und schon immer so war. Das mag zum Teil auch stimmen, aber es gibt einen Faktor, der das Ganze heute auf den Gipfel der extremen Perversion getrieben hat: das Internet. Was junge Menschen dort konsumieren, verändert die Charakter- und Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig und meiner Erfahrung nach selten positiv.
Junge Mädchen schauen sich heute oft keine liebevoll gemachten Zeichentrickfilme mehr an, sondern auf dem Smartphone „Beauty-Kanäle“ auf YouTube. Das sind Videos von jungen Frauen, die sich selbst schminken und Schönheitstipps weitergeben. Dabei werden Schönheitsideale propagiert, die kein Normalsterblicher jemals erfüllen kann, und Marken beworben, die sich ein junger Mensch nicht leisten kann.
Kleine Jungs blättern heute kaum noch in einem lustigen Taschenbuch die Geschichten von Donald Duck durch, sondern schauen sich auf YouTube „Lifestyle“-Videos an. Auch hier geht es nur um Oberflächlichkeit, Angeberei, krasse Autos, Sexualverkehr und Reichtum.
Was erst einmal harmlos wirkt, ist in der Tat äußerst gefährlich. Was macht es mit einem jungen Gehirn, wenn es schon so früh mit Markenbewusstsein, Konsumverherrlichung und unrealistischen Schönheitsidealen konfrontiert wird?
Ich kenne so viele junge Menschen, denen nichts anderes wichtig ist als extremes Statusdenken. Sie sorgen sich permanent darum, wie sie möglichst „angesagt“ wirken, möglichst gut von der Gruppe angenommen werden. Denn genau darum geht es: Gruppenzwang. So entstehen Einheitslooks, Einheitsmeinungen und identische Verhaltensweisen.
Die wenigsten Jugendlichen geben offen zu, dass diese Welt sie unglücklich macht. Sie wollen doch möglichst selbstbewusst und cool wirken und sich Schwäche einzugestehen, wäre ja das Gegenteil davon. So machen dann fast alle mit bei einem System, welches erfahrungsgemäß nur ein kleiner Prozentsatz wirklich gut findet. Man investiert seine gesamte Energie in den Versuch, anderen zu imponieren. Um Mut und Draufgängertum zu beweisen, wird Alkohol in Massen konsumiert, häufig bis zum Erbrechen. Das ist dann aber nicht widerlich oder übertrieben, sondern „voll cool“.
Wenn ich mich mit anderen jungen Menschen gut verstanden habe, habe ich oft über diese Thematik gesprochen. Fragen gestellt wie „Warum machst du das alles?“ oder „Wen willst du beeindrucken?“. Zu hören bekam ich meistens die Erklärung, dass doch alle in dem Alter so leben würden. Wirklich davon überzeugt war kaum jemand, aber warum vom Gruppenverhalten abweichen? Damit würde man ja schließlich seine „Beliebtheit“ riskieren.
Beliebtheit ist sowieso das Schlagwort meiner Generation. Ob Schüler, Auszubildende oder Studenten, jeder sehnt sich nach Akzeptanz oder Anerkennung. Um also möglichst viel von dieser angeblichen Beliebtheit genießen zu können, passt der junge Mensch von heute sein gesamtes Verhalten durchgehend an. Die Ideale gibt das Internet vor: YouTuber und „Influencer“. Paradox ist dabei, dass man echte Beliebtheit so natürlich nie erlangen kann. Indem man sich selbst zwanghaft auf eine bestimmte Art und Weise verhält, lernen die Menschen um einen herum natürlich nie das wahre Verhalten und die wahre Persönlichkeit von einem kennen. Sie mögen also höchstens das nach außen getragener Bild, was man von sich selbst vermittelt. Da dieses ja extrem oberflächlich und „cool“ ist, zieht man so auch die entsprechenden Leute an. Diese sind immer da für einen, wenn es um Partys, Geld ausgeben und Spaß geht. Geht es aber mal um Lebenskrisen, Krankheiten und Hilfsbedürftigkeit, dann ist man plötzlich überraschenderweise alleine. Denn das ist genau die Gesellschaft, die alles, was nicht ihre heile Weltsicht unterstützt, vehement ausblendet.
Ich selbst habe das relativ früh für mich erkannt, deshalb habe ich auch lieber wenige echte Freunde als Hunderte Schulterklopfer um mich herum. Bin ich immun gegen die Außenwelt und deren Einflüsse? Wohl kaum. Ich hatte einfach das Glück, noch eine richtige Erziehung zu genießen, welche natürlich nicht immer ein Zuckerschlecken war, mir aber Werte, Verhaltensweisen und Traditionen vermittelt hat.
Mir wurde im Laufe meiner Jugendzeit oft an den Kopf geworfen, ich sei „wie aus einem anderen Jahrhundert“. Wenn jedoch Rationalität, Höflichkeit, Vernunft und Sachlichkeit aus einem anderen Jahrhundert sind, dann bin ich gerne aus diesem anderen Jahrhundert. Die neue Welt von heute ist schnell, hedonistisch, nur oberflächlich „menschlich“ und ansonsten sehr kalt. Schon im frühen Kindesalter habe ich mich verloren gefühlt in einer Zeit, in welcher alles immer unpersönlicher wird.
Die angehimmelten Vorbilder der jungen Generation vermitteln leider sehr oft falsche Werte, am häufigsten im Internet. Ich konnte mich nie mit Stars identifizieren, die jede Woche einen neuen Skandal fabrizieren und außer ihrem Drogenkonsum nicht wirklich etwas mitzuteilen haben. Ich fühlte mich schon immer angewidert von der Tabulosigkeit dieser Zeit, in der Sexualisierung um jeden Preis das Motto ist. Ich spreche von der Welt, in der sich kleine Kinder Videos von „Katja Krasavice“ auf YouTube anschauen, in denen es um Pornografie, Treulosigkeit und Würdelosigkeit geht. Das war nie meine Welt und wird nie meine Welt sein.
Heute muss dem Zeitgeist entsprechend alles progressiv sein. Es gibt keine Tabus mehr, es gibt keinen Anstand mehr und auch keine Zurückhaltung. Kritisiert man eben diesen Zeitgeist, dann heißt es: „Mann, wir leben im 21. Jahrhundert, mach dich mal locker ey!“
Ich finde es schockierend, dass man heute bei der jungen Generation anscheinend schon als Moralapostel gilt, wenn man es krank findet, mit 13 schon mehrere Sexualpartner gehabt zu haben. Oder wenn man es nicht