Der Flügelschlag des Zitronenfalters. Martin Scheil

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Flügelschlag des Zitronenfalters - Martin Scheil страница 5

Der Flügelschlag des Zitronenfalters - Martin Scheil

Скачать книгу

runtergeschickt mit diesem Bullen-Stasi-Dings-Artikel? Hast Du das abgesegnet? Das mit dem Zuchtbullen? Hmmm. Hmmm. Wirklich? Gerade eben? Na, dann ist es ja gut. In Ordnung. Bis morgen.“ Er legte den Hörer auf, wandte sich wieder Pfeffer zu und hatte noch immer diese skeptische Falte auf der Stirn. Die Augenbrauen allerdings waren wieder in Ausgangsposition. Immerhin.

      „Wenn Werner das abgesegnet hat, dann ist das in Ordnung. Er sagt, Du warst vor fünf Minuten noch deswegen im Büro und er hätte Dir für das Ding hier“, er schwenkte die beschriebenen Seiten „einen Freifahrtschein gegeben. Da musst Du mächtig Eindruck gemacht haben, Junge. Sonst lässt Werner Niemandem so’n Quatsch durchgehen. Aber von mir aus. Dann halt morgen auf’m Titel. Aber damit wir uns verstehen: so läuft das normalerweise nicht!“

      Normalerweise. Ein Wort für den Pöbel, für alle Unwissenden, für die Folger, nicht für die Führer, für die Hütten, nicht die Paläste für die ... All das dachte Pfeffer und war im Gehen begriffen, während er noch sah, wie der Schriftsetzer sich mit seinem Stuhl herumdrehte und ihn keines weiteren Blickes mehr würdigte.

      In der folgenden Nacht machte Rick Pfeffer kein Auge zu. Ab jetzt war alles möglich, vielleicht würden die sogar versuchen, ihn umzulegen. „Die machen vor nichts Halt“, sagte er sich immer wieder. War es richtig, zu tun, was er getan hatte? Gegen Mitternacht begann er, richtig Angst zu bekommen und wünschte sich, er könne alles rückgängig machen. Wenn er doch nur anders in das Gespräch mit dem Züchter gegangen wäre. Er hätte ihm auch von seiner Zeit im SDS erzählen können, und dass er das mit dem Kommunismus ja gar nicht so unsympathisch fand. Eigentlich war das ja ohnehin die logische Entwicklung. Und dass die Roten dem Westen überlegen waren, hat man ja damals schon gesehen. 45 oder wann? Aber nun war es zu spät. Nun waren es nur noch wenige Stunden bis zur Auslieferung, bis die Zeitung an den Kiosken und Trinkhallen lag, bis sie tausendfach in die Haushalte flatterte und in der Straßenbahn den Besitzer wechselte.

       III.

      Und dann war es geschehen.

      Als Rick Pfeffer am nächsten Morgen in die Redaktion kam, übernächtigt zwar, aber dennoch in gespannter Erwartung auf die Lawine, welche seine Enthüllungen ausgelöst haben würde, erwischte diese ihn auch kurzerhand und unmittelbar. Er war durch den Haupteingang ins Foyer getreten, da sah er sie bereits. Tuschelnde Mitarbeiter, vorgehaltene Hände, verkniffene Blicke, doch auch starrende Augen, die nur auf ihn gerichtet waren. „Dabei bin ich doch noch gar nicht lange hier“, dachte er noch, während er die Gänge abschritt. „Das muss ja eingeschlagen haben wie eine Bombe, oder was ist mit denen los?“ Er grinste still und dachte weiter „Sag’ ich ja. wie eine Bombe:“

      Er ging weiter und genoss sichtlich die Anerkennung, die wie ein warmer Sommerregen auf ihn herab zu prasseln schien. Ein lockerer Gruß hier, ein Augenzwinkern da, jaja, plötzlich wusste der sonst eher grob reservierte Rick Pfeffer sie alle in seinen Bann zu ziehen. Und waren nicht gerade die Augen der weiblichen Mitarbeiter, vornehmlich die der beiden Sekretärinnen vom Sport auf ihn gerichtet? „Nicht nur möglich, sondern höchstwahrscheinlich! Nette Schlampen! Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frauen ...“ Lalala und plötzlich pfiff er auch noch.

      Aber dann ... ja, dann knallte es.

      So sehr, dass es ihn wie ein Hammerschlag traf. So abrupt, dass er sich kurz aber ordentlich sammeln musste, um zu begreifen was gerade passierte.

      „Da ist er ja! Sofort zu mir!“, brüllte Werner Bangemann just in dem Moment, in welchem er ihn erblickte.

      „Da ist er ja!“, brüllte er.

      Schon wieder. Jedes einzelne Wort schlug ein wie ein Schrapnell.

      Also rein, Tür zu, Stahlhelm auf.

      „Haben Sie diese Scheiße verzapft? Ach, was frag’ ich eigentlich, Ihr dämlicher Name steht ja direkt oben drüber. Da! Sind Sie eigentlich total bescheuert, Pfeffer? Sind Sie vielleicht geisteskrank oder sowas in der Richtung? Berühren sich bei Ihnen irgendwo zwei Drähte, die da nichts zu suchen haben?“

      Werner Bangemann war außer sich vor Wut und Richard genannt Rick Pfeffer wusste plötzlich nicht mehr, wie ihm geschah. Und es ging weiter. Bangemann war wie ein menschliches Maschinengewehr und feuerte Salve um Salve auf ihn ab. „Mann, bitte Pfeffer, bitte sagen Sie mir, dass Sie besoffen waren, als Sie das geschrieben haben. Echt. Bitte! Ansonsten würde das nämlich bedeuten, dass ich hier einen GEISTIG BEHINDERTEN EINGESTELLT HABE!“

      Er schrie jetzt, wedelte mit der Morgenausgabe vor Pfeffers Gesicht herum und ließ sich leider nicht unterbrechen. Dabei hätte Pfeffer gern gewusst, wo genau eigentlich das Problem lag. Dann plötzlich stieß ihm Bangemann die zusammengerollte Zeitung unter das Kinn, so dass Pfeffer gezwungen war, den Kopf zu heben.

      „Elf Jahre bin ich jetzt hier, elf! Aber sowas ist mir noch nicht untergekommen. Was haben Sie sich bloß dabei gedacht? Was soll dieser Scheiß, Mann? Sie können doch nicht ... „, doch jetzt unterbrach ihn Pfeffer:

      „Also, Herr Bangemann wenn ich kurz bitten dürfte ... „, weiter kam er allerdings nicht, denn schon wieder brachen bei dem mittlerweile rot angelaufenen Redaktionsleiter alle Dämme.

      „Ey, echt jetzt Mann, Sie haben hier überhaupt nichts zu bitten. Sie haben hier allerhöchstens tausendmal Danke zu sagen, dass ich ein zivilisierter Mensch bin und Ihnen dafür nicht gleich eins in die Fresse haue, Pfeffer. In der Ostzone würde man Sie für sowas hinterm Schuppen an die Wand stellen, wissen Sie das eigentlich? Stehen Sie da nicht so rum wie’n vollgeschissener Strumpf! Ich habe Sie was gefragt!“

      Und nun war Rick Pfeffer doch etwas verunsichert. Als er anfing zu sprechen, kam es ihm vor, als würde er sich sogar stammeln hören.

      „Also, es gibt da unwiderlegbare Beweise für den ... also ... den ...“ Tatsächlich, es war so. Er stammelte. Er. Der Pfeffer-Treffer. „... die haben dem Tier auf dem Hof ...“ Weiter kam er nicht, denn das Telefon klingelte. Bangemann hob den Hörer ab und knallte ihn ohne irgendetwas zu sagen direkt wieder auf die Gabel.

      „Bitte. Fahren Sie fort, Pfeffer. Ich bin gespannt!“

      Pfeffer meinte, einen süffisanten Unterton in der Stimme des Redaktionsleiters zu hören, und nun morphte sich seine Verunsicherung langsam in Richtung ernsthafter Sorge. Gerade als er wieder zu seinem Bericht ansetzten wollte, klingelte das Telefon erneut. Und wieder: Kopf wird rot, Hörer abgenommen, Hörer wird auf das Gerät geknallt.

      Dann Schweigen. Nur ein paar Atemzüge lang. Kein Dummdidumm, kein Däumchendreh. Der Redaktionsleiter gestikuliert hektisch bis aufgeregt, schreit die immer gleichen Beschuldigungen. Dann: Pfeffer möge doch fortfahren, und just in dem Moment, als dieser ein wenig zu lang einatmete, um sich erneut für seinen Kampf gegen den Bolschewismus zu erklären, war es ein Gefühl, als wenn eine Atombombe zündete, als das Telefon schon wieder zu klingeln begann. Bangemann ballte sein Gesicht nun endgültig zur Faust, doch diesmal hatte er sich offenbar entschlossen, den Anruf entgegenzunehmen. Er riss den Hörer zu sich, presste ihn ans Ohr, dass Pfeffer ganz – Achtung – bange wurde und ging tatsächlich ran.

      „Was ist denn verdammt? Ich bringe hier gerade jemanden um die Ecke! Wenn das jetzt nicht der scheiß Generalbundesanwalt persönlich ist, dann bin ich für niemanden zu sprechen!“

      Dann aber hörte er zu. Und hörte zu, und er hörte zu. Zwischendurch gab er immer wieder ein kurzes „Hm“, oder auch „Aha“, von sich. Einmal entfuhr ihm sogar ein „Ach was, tatsächlich?“, bis er schließlich zum „Wer hätte das gedacht!“, kam, sich bedankte und verabschiedete.

      Bevor

Скачать книгу