Die 40 bekanntesten archäologischen und historischen Stätten in Albanien. Wolfram Letzner
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02 ANTIGONEA – MIT NEUER TECHNIK AUF DEN SPUREN DES VERBORGENEN
ALBANIEN
Der Besuch von Antigonea führt zu einer Stätte, die nicht nur von besonderer historischer und archäologischer Bedeutung ist, sondern sich auch durch ihre spektakuläre Lage auszeichnet.
Geschichtlicher Überblick
Die Geschichte Antigoneas beginnt in hellenistischer Zeit. Der epirotische König Pyrrhos gründete die Stadt, wie Plutarch berichtet, in den 290er-Jahren v. Chr. und benannte sie nach seiner ersten Frau, Antigone.
Die Lage des Ortes war lange Zeit umstritten. Bei Ausgrabungen in den 1970er-Jahren fanden albanische Archäologen in der Burg von Jerma „Psephoi“. Das waren Marken für Wahlen oder den freien Eintritt in das Theater, die den Namen Antigonea durch Inschriften belegen. Aufgrund der strategischen Lage – vom Stadthügel aus ließ sich das Tal des Drin kontrollieren – spielte Antigonea im 3. und 2. Jh. v. Chr. mehrfach eine bedeutende Rolle. Dennoch wurde sie 167 v. Chr. mit 70 anderen Städten zerstört, wie uns Strabo berichtet. Archäologische Zeugnisse – eine großflächige Brandschicht mit datierbarem Material – bestätigen dies.
Zur Stadtgeschichte schweigt sich die Forschung bislang aus. Deutlich geworden ist aber, dass die Stadt bereits wenige Jahrzehnte nach ihrer Gründung stark bevölkert war. Aufgrund der Handwerks- und Handelstätigkeit dominierte sie die älteren Stadtsiedlungen der Umgebung und wurde zum Sitz eines Koinon. Wie es scheint, wurde der Platz nach 167 v. Chr. nicht gänzlich aufgegeben. Im Stadtgebiet fand man frühchristliche Kirchen, die eine spätere Besiedlung voraussetzen. Um diese Fragen zu klären, wird die Spatenforschung noch viel Zeit und noch mehr Geld benötigen. Jedoch deutet alles darauf hin, dass die Siedlung endgültig im 6. Jh. durch Slawen zerstört wurde.
Forschungsgeschichte
Im Vergleich zu anderen historischen Stätten setzten die Ausgrabungen in Antigonea erst sehr spät ein. Zwischen 1960 und 1980 führten albanische Archäologen Untersuchungen durch. Später sollte ein albanisch-griechisches Team an dem Platz forschen, eine durchaus sinnvolle Kooperation, weil sich die historische Landschaft Epirus über Teile beider Länder erstreckt. Seit 2002 werden von albanischer Seite wieder regelmäßig Untersuchungen durchgeführt, bei denen seit einigen Jahren auch italienische Archäologen beteiligt sind. So versuchen sie, mit Drohnen einen Überblick über die urbanen Strukturen Antigoneas zu gewinnen.
Funde und Befunde
Was lässt sich bislang über Antigonea aus archäologischer Sicht sagen? Die Forschungen haben gezeigt, dass der Ort auf einem rund 700 m über dem Meeresspiegel liegenden Plateau angelegt wurde und eine Fläche von 47 ha einnimmt. Sie gilt damit als eine der größten Städte Südillyriens und Epirus.
Die Stadtmauer
Eingefasst war das Stadtgebiet durch eine 4.000 m lange Befestigung aus mächtigen Quadern und polygonalem Mauerwerk (Abb. 7). Verstärkt wurde diese Mauer durch Türme mit rechteckigem Grundriss, die etwa in einem Abstand von 32 m errichtet wurden. Datiert werden die Befestigungen bislang durch Vergleiche mit anderen Anlagen in das späte 4. oder 3. Jh. v. Chr. Der Zugang in die Stadt erfolgte über mehrere Toranlagen.
Abb. 7 Antigonea. Mächtige Quader bilden die Stadtmauer.
Urbane Strukturen
Die Forschungsarbeiten ließen bislang erkennen, dass es in der Stadt vier Bereiche mit unterschiedlichen Funktionen gab. Drei davon bildeten sicherlich den Kern der Stadt, nämlich eine Verwaltungszone mit der Akropolis (Abb. 8), die Agora und die Wohnquartiere. Bei dem vierten Bereich – so die Archäologen – handelte es sich um eine Fläche, die als Fluchtburg für die Landbevölkerung gedacht war.
Abb. 8 Antigonea. Blick auf die Akropolis.
Nur recht schwer erkennbar ist für den Besucher das Straßennetz, da es bislang nicht gründlicher erforscht wurde. Jedoch ist ein rechtwinkliges System nachgewiesen. Die Nordsüdachse bildende Straße ist 900 m lang und 6,8 m breit und verbindet zwei Tore. Die Straßenblöcke, in römischer Zeit würde man sie als Insulae bezeichnen, messen 53 x 102 m und nahmen jeweils zwei Häuserreihen mit jeweils acht Häusern auf.
Häuser (Abb. 9)
Überall im Stadtgebiet wurden vereinzelt Häuser ausgegraben. Hervorzuheben ist dabei das sog. Peristylhaus. An der Ost- und Südseite war es ursprünglich zweistöckig angelegt. Den Hauptempfangsraum erreichte man über das von Säulen eingefasste Peristyl unmittelbar gegenüber dem Eingang.
Das direkt anschließende Haus weicht in seiner Architektur deutlich vom Peristylhaus ab. Zur Straßenseite hin liegen drei kleine Räume, hinter denen sich ein großer Hof erstreckte. Diese Anordnung lässt eine kommerzielle Nutzung vermuten. In der Forschung wird darüber nachgedacht, ob das Peristylhaus und dieses Haus in einer späteren Zeit miteinander verbunden waren.
Als Geschäftshaus wird auch das sog. Haus des Zimmermanns gedeutet. Diese Auslegung beruht auf dem Fund von Werkzeugen, die für dieses Handwerk sprechen. Von den bisherigen Häusern getrennt, liegt nach Norden hin ein weiteres Peristylhaus, das als Haus des Pyrrhos bezeichnet wird. Diese Namensgebung beruht allein auf einer Scherbe, in die der Name eingeritzt ist. Der Molosser war wohl kaum der Bewohner des Anwesens.
Von den sonst ausgegrabenen Häusern sieht der Besucher oft nur die Fundamente, weil die Bauausführung recht einfach war. Auf einem Steinfundament wurden die aufgehenden Wände in vergänglicher Fachwerkkonstruktion errichtet, von denen nichts mehr erhalten geblieben ist. In der Bauweise liegt vielleicht ein Grund, warum die meisten Häuser nur ein Erdgeschoss besaßen.
Die Agora
Die Agora ist als politisches und wirtschaftliches Zentrum in das Straßensystem eingebunden und liegt im südöstlichen Teil der Stadt. Zur Entstehungsgeschichte der Anlage wird vermutet, dass sie nicht zum ursprünglichen Plan gehört habe; sie sei später auf einer künstlichen Terrasse angelegt worden. Diese Vermutung lässt sich auch folgendermaßen erklären: An der Westseite des Hügels wurde der Abhang mit Schutt aller Art aufgefüllt. Darin befand sich auch Keramik, die in das 3. und 2. Jh. v. Chr. datiert wird. Im Schutt entdeckten die Archäologen zudem etwas ganz besonders: den Rest einer Reiterstatue aus Bronze, die vielleicht den Stadtgründer darstellte. Die Agorabebauung umfasste eine Stoa und ein Peristylgebäude an der Nordseite.