365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу 365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner страница 10
Der Bergsturz am Dobratsch
Es ist zwischen 15 und 16 Uhr, Vesperzeit, ein Wintertag „bei hell scheinender Sonne“. In der Villacher Domkirche feiern etwa 500 Gläubige mit einem Nachmittagsgottesdienst das Fest Pauli Bekehrung, als sich plötzlich der Himmel mit „finsterem Gewölk“ überzieht und die Erde zu beben beginnt. Der Hauptstoß dauert etwa zwei Minuten – lang genug, um das Gotteshaus in den Grundfesten zu erschüttern und einstürzen zu lassen; alle Besucher der Messe kommen ums Leben, ganz Villach liegt in Trümmern. Auf dem Hauptplatz „bricht Wasser in solcher Menge auf“, dass es scheint, „als ob ein Fluss die Fläche erfüllt hätte“, in den zerstörten Häusern wütet eine Feuersbrunst und zerstört „allen Besitz“; zudem fallen „viele starke Burgen in sich zusammen: Federaun, Kellerberg, Hollenburg und andere Festen, die man gar nicht nennen kann“.
Gleichzeitig „zerspaltet“ sich „der Berg vor dem Gesichte gegenüber Mitternacht“, der Dobratsch. 150 Millionen Kubikmeter Fels stürzen von der südöstlichen Flanke des Berges ins Gailtal und verschütten, wie es in einem alten Bericht heißt, „17 Dörfer, 3 Gschlösser und 9 Gotteshäuser“; das herabgestürzte Geteinsmaterial bewirkt, dass die Gail aufgestaut wird und ein etwa drei Kilometer langer See entsteht, „Häuser und Dörfer, Güter und Leute“ ertrinken darin. Nach einigen Tagen durchbricht die Gail die Gesteinsmassen und überflutet nun das Land flussabwärts, wieder ertrinken zahlreiche Menschen – insgesamt, so schätzt man, fordert die Katastrophe an die 10.000 Menschenleben.
150 Millionen Kubikmeter Fels stürzen zu Tal: der Bergsturz am Dobratsch.
Viele glauben das Ende der Welt für gekommen, setzt doch danach auch in anderen Teilen Kärntens im Gefolge der schweren Pestepidemie dieses Unglücksjahres ein „großes jämmerliches Sterben“ ein, in welchem „kaum der vierte Teil der Menschen“ übrig bleibt: Es seind gächling junge und alte, gesund und frölich mit selzamen reden gestorben, auf allen strassen hat man tote cörper ligen funden. Dazu „regnet es auch Blut“ und etliche Flüsse färben sich „rotfarb wie Blut, sonderlich die Gurcken, Drau und die Glan“ – für die Menschen ein Zeichen für Umkehr und Buße, die Geißlerzüge finden immer mehr Zulauf. Und als man in Wolfsberg angeblich „blutige Hostien“ findet, richten sich Wut und Hass wieder einmal gegen die Juden – im September 1349 kommt es in Niederösterreich zu Pogromen.
Der Friede von Karlowitz
Knapp nach Mitternacht, als die Sterne nach Meinung der türkischen Unterhändler am günstigsten stehen, wird im hölzernen Konferenzhaus nahe den Ruinen von Karlowitz (Sremki Karlovce) der Schlusspunkt hinter einen beinahe 16 Jahre lang währenden Krieg gesetzt: Rami Mohammed, der Reis Effendi der Hohen Pforte, akzeptiert mit Siegel und Unterschrift die harten Bedingungen des Kaisers und seiner Verbündeten, es sind dies Polen, die Republik Venedig, der Kirchenstaat und Russland.
Der „Konferenzsaal“ in Karlowitz. Stich eines unbekannten holländischen Meisters.
Der „Große Türkenkrieg“, von Großwesir Kara Mustafa und Sultan Mehmed IV. vom Zaun gebrochen, ist zu Ende. Nach dem glorreichen Sieg vor den Toren Wiens am 12. September 1683 hat dieser die kaiserlichen Heere immer weiter nach Osten geführt, am 2. September 1686 ist die ungarische Hauptstadt Ofen (Buda) gefallen, 1688 erobert Kurfürst Max Emanuel von Bayern ein erstes Mal Belgrad für den Kaiser und schließlich ist es der neue Oberbefehlshaber über die Armeen Habsburgs in Ungarn, Prinz Eugen von Savoyen, der am 1. September 1697 bei Zenta einen vernichtenden Schlag gegen die Streitkräfte der Hohen Pforte unter Sultan Mustafa II. und Großwesir Elmas Mohammed Pascha führt. Was man Schlacht für Schlacht dem türkischen „Erbfeind“ abgerungen hat, wird nun im „Frieden von Mitternacht“ vertraglich festgeschrieben: Die Habsburgermonarchie erhält den größten Teil Ungarns mit Siebenbürgen sowie Teile Sloweniens und Kroatiens zugesprochen; die Halbinsel Peloponnes (Morea) sowie Teile Dalmatiens und der Herzegowina fallen an die Serenissima. Die Gefahr eines türkischen Angriffs, jene Bedrohung, die jahrhundertelang die Politik des Reichs und der Habsburgerherrscher bestimmt hat, ist damit für immer geschwunden, das Osmanische Reich auf den Balkan zurückgeworfen. Im Juli 1683 hat Kaiser Leopold I. vor dem auf Wien vorrückenden Riesenheer Kara Mustafas noch kläglich Reißaus genommen, jetzt sieht er sich und sein Haus auf einem neuen Höhepunkt der Macht; seine siegreichen Heerführer, allen voran Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, der „Türkenlouis“, und Prinz Eugen von Savoyen, werden als Helden gefeiert.
Der Internationale Holocaust-Gedenktag
Im Herbst 1941 wird in Auschwitz erstmals Cyanwasserstoffgas zur Tötung von Menschen eingesetzt; erste Opfer sind vor allem sowjetische Kriegsgefangene. Am 26. März 1942 trifft der erste „Sammeltransport“ mit Juden ein. Noch arbeitsfähige Menschen werden von SS-Ärzten „selektiert“, die übrigen, vor allem alte Menschen und Kinder, schickt man sofort „ins Gas“. Insgesamt werden im KZ Auschwitz-Birkenau etwa 1,35 Millionen Juden ermordet, weiters etwa 20.000 Roma und Sinti, 1.700 sowjetische Kriegsgefangene sowie 83.000 Menschen aus politischen und anderen Gründen.
Hinter diesen Opferzahlen verbirgt sich die Ermordung Tausender Österreicherinnen und Österreicher. So fährt der am 17. Juli 1942 vom Aspangbahnhof abgehende „32. Transport“ mit ungefähr 1.000 Menschen direkt nach Auschwitz; 212 Frauen werden als Häftlinge ins Lager eingewiesen, die übrigen vermutlich ermordet. Zahlreiche österreichische Opfer gelangen aus anderen Lagern in die schlesische Vernichtungsstätte: Mehr als 4.100 Österreicher werden von Theresienstadt, ca. 500 Personen in Einzeltransporten hierher gebracht. Weiters werden mehr als 3.700 österreichische Juden aus französischen Lagern, ca. 350 aus Italien und etwa 260 aus den Niederlanden nach Auschwitz transportiert. Auch aus anderen Ländern werden Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft hierher verschleppt; ihre genaue Zahl kann nicht mehr festgestellt werden.
Trostloser Ort des Grauens: das Vernichtungslager Auschwitz im Januar 1945.
Vor dem Eintreffen der Roten Armee versuchen die Nazis die Spuren zu verwischen: Ab November 1944 demontiert man die Krematorien; die Häftlinge werden auf „Todesmärschen“ Richtung Westen getrieben. Als die ersten Rotgardisten am 27. Januar 1945 das Lagergelände erreichen, befinden sich hier nur noch etwa 7.500 Häftlinge.
Im November 2005 beschließt die Generalversammlung der UNO, den Tag der Befreiung von Auschwitz als „Internationalen Holocaust-Gedenktag“ zu begehen. Bereits 1996 entscheidet man sich in Deutschland dafür, diesen Tag als nationalen Gedenktag zu feiern. Am 19. Januar 1996 erklärt Bundespräsident Roman Herzog vor dem Deutschen Bundestag: „Zunächst darf das Erinnern nicht aufhören; denn ohne Erinnerung gibt es weder Überwindung des Bösen noch Lehren für die Zukunft. Und zum andern zielt die kollektive Verantwortung genau auf die Verwirklichung dieser Lehren, die immer wieder auf dasselbe hinauslaufen: Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, Würde des Menschen.“
Die letzte Schubertiade
Gastgeber