365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner

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365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner

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mit Truppen besetzt werden, sind sie und ihre Familien schutzlos den „Rennern und Brennern“ ausgeliefert. So hat etwa der Kaiser im Kloster Millstatt mit großem Pomp eine „Filiale“ des St.-Georgs-Ritterordens ins Leben gerufen, die tapferen Ritter ziehen es aber vor, hinter den sicheren Klostermauern zu verweilen. Zu Maria Lichtmess 1476 beschließen die Bauern deshalb, zur Selbsthilfe zu greifen – der Chronist Jakob Unrest, ab 1466 Pfarrer in St. Martin am Techelsberg, berichtet in seiner Österreichischen Chronik über diese Vorkommnisse: Indem besambten (versammelten) sich die pawren an die 40 und machten ainen pundt. Und der obrist was ein pawr, genannt Peter Wunderlich. Derselb pundt wuechs in kuertz als ain klains wasser von ainem grossen Wolckhenpruch.

       Bauern beim Schneiden des Korns mit der Sichel.

      Friedrich III. hat zwar kayn gevallen an dem Aufstand, unternimmt jedoch wie gewohnt nichts und schickt nur einen Brief, in dem er bei Todesstrafe verbietet, diesem Bund beizutreten – die pawren verachten das schreyben gantz mit spottlichen worten. Peter Wunderlich, dem Anführer des „Bundes“, gelingt es, eine kleine Streitmacht von etwa 3.000 Bauern zu sammeln, mit der er am 25. Juni 1478 auf der „Goggauer Wiese“ bei Coccau in der Nähe von Tarvis einer türkischen Reiterschar entgegentritt. Der Großteil der Bauern verliert jedoch angesichts des bevorstehenden Kampfes den Mut und flieht, die verbleibenden, etwa 600 Mann, werden von Türken umzingelt und getötet oder gefangen genommen.

      Die verheerende Niederlage auf der Goggauer Wiese bedeutet auch das Ende des Bundes; die obersten pundtleut fallen schließlich in die Hände der kaiserlichen Häscher und werden hingerichtet; Peter Wunderlich, der bei Gmünd gefangen genommen wird, findet ein schreckliches Ende: Er wird beim Schloss Litzlhof in Lendorf durch Vierteilen bei lebendigem Leib gerichtet.

      Die Peter-Wunderlich-Straßen in Klagenfurt und Spittal erinnern heute noch an den unglücklichen Bauernführer.

       Kapitulation in Stalingrad

      Die letzten Einheiten des XI. Armeekorps der Wehrmacht stellen im Nordkessel den Kampf ein; um 8.40 Uhr wird ein letzter Funkspruch an General Hube bei der Heeresgruppe „Don“ abgesetzt: „XI. AK. hat mit seinen 6 Divisionen in schwerstem Kampf bis zum letzten Mann seine Pflicht getan. Es lebe der Führer! Es lebe Deutschland!“ Die Schlacht von Stalingrad, die seit dem 13. September 1942 tobte, ist zu Ende, die Wehrmacht hat eine katastrophale Niederlage erlitten, der Mythos ihrer Unbesiegbarkeit ist endgültig zerstört. Etwa 10.000 überlebende Soldaten der Wehrmacht und verbündeter Truppen geraten in Gefangenschaft, unter ihnen viele Österreicher. Von den ursprünglich etwa 230.000 Soldaten der Wehrmacht im Kessel sind 50.000 aus der „Ostmark“, die vor allem bei der 44. und der 297. Infanteriedivision sowie bei der 100. Jäger-Division für den „Führer“ kämpfen und sterben. Nur 1.200 österreichische Stalingrad-Kämpfer werden nach dem Krieg aus sowjetischer Gefangenschaft zurückkehren.

      Bereits am 22. Jänner 1943 hatte Generaloberst Paulus in einem Funkspruch an Hitler um die Genehmigung zur Kapitulation gebeten. Darin hatte er kurz die verzweifelte Lage zusammengefasst: „44., 76., 100., 305., 384. Infanteriedivision vernichtet, Front infolge starker Einbrüche vielseitig aufgerissen. Stützpunkte und Deckungsmöglichkeiten nur noch im Stadtgebiet. Weitere Verteidigung sinnlos. Zusammenbruch unvermeidbar. Armee erbittet, um noch vorhandene Menschenleben zu retten, sofortige Kapitulationsgenehmigung.“ Das Leben seiner Soldaten ist jedoch für Hitler kein Argument – er lehnt ab: „Kapitulation ausgeschlossen! Die Armee erfüllt damit ihre historische Aufgabe, den Aufbau einer neuen Front beiderseits Rostow zu ermöglichen, Kampf bis zur letzten Patrone!“

      Tag für Tag, Stunde für Stunde hatte sich sich die Lage im Kessel verschlimmert. Mit dem Aussetzen der Versorgungsflüge war die Verpflegung der Truppen völlig zusammengebrochen; jede Einheit lebte von ihren letzten eisernen Reserven. Es gab kein Verbandsmaterial und keine Medikamente mehr, in den als Notfeldlazarette eingerichteten Schulen, alle überfüllt mit Schwerverwundeten, fehlte es an Ärzten; die Toten wurden an den Außenseiten der Gebäude einfach aufgeschichtet. General Walther von Seydlitz-Kurzbach, Kommandeur des LI. Armeekorps, wird später in seinen Erinnerungen vermerken: „Unvorstellbar, was hier das Auge sah: Es war die Hölle auf Erden!“

      Der 25. Jänner bringt noch einmal eine Kampfpause, doch am nächsten Tag macht die Rote Armee ernst: Geschütze fahren auf, belegen die Stellungen mit Trommelfeuer, Panzer und Infanterie greifen in breiter Front an; am 26. Jänner wird der Kessel in drei Teile zerschlagen. Tausende sterben täglich, doch Friedrich Paulus lehnt eine Gesamtkapitulation ab und überlässt es seinen Kommandeuren, den Kampf einzustellen – er will nun zumindest formal dem Durchhaltebefehl Hitlers gehorchen. Am 31. Jänner geht Paulus, von Hitler noch rasch zum Generalfeldmarschall ernannt, zusammen mit dem Armeestab in Gefangenschaft; vom Nordkessel, so Hitler in einem Funkspruch an das XI. Armeekorps am 1. Februar um 17.25 Uhr, erwarte er sich, dass er sich „bis zum Letzten“ halte – apokalyptischer Wahnsinn, so ganz nach dem Geschmack des „Führers“: Zwei Tage später, am 3. Februar, wird die zynische Verklärung des „Heldenkampfs“ um Stalingrad zum „größten Heldenlied der deutschen Geschichte“ beginnen, sinnloses Sterben wird umgedeutet zur „historisch europäischen Mission“.

      Den Autoren österreichischer Schulbücher ist Stalingrad heute kaum mehr eine Erwähnung wert; in einigen dürren Zeilen wird über den Untergang der „deutschen“ 6. Armee berichtet, die Schlacht als angeblicher Wendepunkt des Krieges und Symbol der Niederlage herausgehoben. Vergessen und verdrängt wird, dass es vor allem auch österreichische Soldaten waren, die die Fehler Hitlers und seiner Generäle mit dem Leben bezahlen mussten. Das Sprechen über die Tragödie fällt offenbar schwer, ja, es scheint nicht opportun zu sein – zu groß ist die Angst, in bedenkliche alte „Erinnerungsmuster“ zu verfallen. Die Mythisierung Stalingrads durch das NS-Regime wirkt so noch immer nach.

       Eine „eiskalte Wüste des Wahnsinns“ (Franz Dopf): Am 3. Februar 1943 meldet das Oberkommando der Wehrmacht: „Sie starben, damit wir leben.“

       Das Rohrbomben-Attentat von Oberwart

      Es ist knapp vor Mitternacht. Vier Männer der Oberwarter Romasiedlung, der 40-jährige Josef Simon und seine jüngeren Freunde Peter Sarközi (27) sowie Karl (22) und Erwin Horvath (18), befinden sich noch auf einem kleinen Rundgang. Da entdecken sie auf einer Kreuzung, etwa 250 Meter von der Siedlung entfernt, ein merkwürdiges „Ding“, etwas, das aussieht wie ein Verkehrszeichen. Als sie näher treten, erkennen sie, dass das vermeintliche Verkehrszeichen keines ist: Aus einem Kunststoffsockel ragt ein etwa 1,20 m hohes Rohr empor, an dem eine Tafel befestigt ist: „Roma zurück nach Indien“, steht da zu lesen. Eine rassistische Schmähung, die sie nicht dulden können – sie versuchen das Rohr mit dem Kunststoffsockel hochzuheben und von der Kreuzung zu entfernen. In diesem Moment löst ein Zündmechanismus aus, der im oberen Drittel des Rohres befindliche Sprengstoff – 150 Gramm gedämmtes Nitroglycerin – explodiert, die Splitter töten die vier Männer auf der Stelle. Der Knall der Explosion wird zwar von den Bewohnern der Romasiedlung gehört, die vier verstümmelten Leichen werden aber erst am Morgen gefunden. Das Entsetzen über die Morde ist im Lande groß.

      Die polizeilichen Ermittlungen können bald einen Zusammenhang mit den Briefbomben herstellen, die seit 1993 von einer mysteriösen „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ (BBA) verschickt werden, u. a. auch an den Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der am 5. Dezember 1993 an der linken Hand schwer verletzt wird: Es ist der gleiche Sprengstoff. Über den oder die Täter tappt die Polizei

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