365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner

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365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner

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       Ein engagierter Gegner der Todesstrafe: Justizminister Christian Broda im Jahre 1963.

      Gestützt auf diesen „Grundkonsens der Zweiten Republik“, engagiert sich Broda weiter: 1978 legt er der Justizministerkonferenz des Europarates ein Memorandum vor, in dem er vorschlägt, die Frage nach der Abschaffung der Todesstrafe in das Arbeitsprogramm des Europarates aufzunehmen – er stößt damit eine Entwicklung an, die im 6. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention, unterzeichnet am 28. April 1983 in Straßburg, ihren Abschluss findet. Der Artikel 1 des 6. Zusatzprotokolls lautet: „Die Todesstrafe ist abgeschafft. Niemand darf zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden.“

       Der Schranz-Rummel

      Bei den Olympischen Winterspielen in Sapporo 1972 will Karl Schranz, Österreichs Schiheld dieser Jahre, der Gesamtweltcupsieger 1969 und 1970, endlich Abfahrtsgold holen. Doch da ist sein „Intimfeind“, der greise IOC-Präsident Avery Brundage, der auf den Amateurstatus der Olympia-Starter pocht. Nach seiner Ankunft in Tokyo gibt Schranz „schonungslose“ Interviews, Brundage, so seine Argumentation, habe die Entwicklungen im Spitzensport „einfach verschlafen“ – ein provokanter Ton, der im IOC auf wenig Verständnis stößt: Am 31. Januar 1972 wird Gold-Hoffnung Schranz durch die Vollversammlung des IOC mit 28 : 14 Stimmen wegen „Missachtung des Geistes der olympischen Tradition“ von den Spielen ausgeschlossen.

      Großer Empfang für den „Ski-Märtyrer“: 52 Karl Schranz am Heldenplatz.

      Heftige rot-weiß-rote Emotionen sind die Folge: Unterrichtsminister Fred Sinowatz schickt ein Telegramm nach Sapporo, in dem er das ÖOC auffordert, „schärfstens“ gegen den Ausschluss von Schranz zu protestieren, sollte dieser aufrecht bleiben, so empfehle er einen Rückzug der Alpinen von den Olympiabewerben. Aussichtsreiche Läuferinnen und Läufer wie die große Goldfavoritin Annemarie Pröll sind gegen eine Abreise; in einer Erklärung vom 1. Februar 1972 sagt Schranz schließlich: „Ich als Einzelperson möchte nicht der Anlass sein, dass Österreich als Skiland von diesen Spielen ausgeschlossen bleibt.“ Die Skikollegen bleiben daraufhin trotz dieser „Riesenschweinerei“ in Japan – Schranz packt jedoch die Koffer.

      Zu Hause plant man für den „Ski-Märtyrer“ den großen Empfang. Bundeskanzler Bruno Kreisky sieht sich eins mit der wütenden Schination und dem ORF, der auf Anweisung von Generalintendant Gerd Bacher gekonnt Regie führt: Zehntausende sind am 8. Februar 1972 auf den Beinen, um ihren Ski-Volkshelden zu empfangen, die Fahrt im offenen Wagen vom Flughafen in Schwechat bis zum Bundeskanzleramt am Ballhausplatz wird zu einem einzigartigen Triumphzug, der am Balkon des Kanzleramts zu einem beinahe beängstigenden Finale kulminiert: „Wie hypnotisiert vom Anblick der Massen, fühl’ ich mich für einige Augenblicke geradezu wie ein Volkstribun, wie ein Imperator. Caesar mag es so ergangen sein, oder Nero“, wird Schranz später in seiner Autobiografie erzählen. Am 12. Februar 1972 verkündet er in einem offenen Brief an ÖSV-Präsident Karl-Heinz Klee seinen Rücktritt.

       Franz Ziereis wird Lagerkommandant im KZ Mauthausen

      Im KZ Mauthausen, seit August 1938 in Betrieb – die ersten 300 Häftlinge sind am 8. August aus dem KZ Dachau angekommen –, steht eine Änderung bevor: Lagerkommandant Albert Sauer, der ehemalige Tischler aus Misdroy in Pommern, soll wegen „Nachlässigkeit und zu großer Milde“ abgelöst werden. Der Nachfolger steht schon bereit: Es ist der Münchner Nazi SS-Obersturmführer Franz Ziereis, der Ausbildner der SS-Totenkopfstandarte III Thüringen. Theodor Eicke, der Inspekteur der Konzentrationslager, hält große Stücke auf den 1905 geborenen Ausbildner und Ziereis wird ihn nicht enttäuschen: Bis Ende 1938 sind über 1.000 Häftlinge nach Mauthausen eingewiesen worden, doch nun, im Frühjahr 1939, steigen die Häftlingszahlen rasch weiter. Es kommen die politischen Gegner der Nazis aus dem Sudetenland, dann erstmals auch als „asozial“ diskriminierte „Zigeuner“ aus dem Burgenland und erste jüdische Häftlinge. Und mit den Siegen Hitlers auf dem Kontinent ab dem Herbst 1939 wird Mauthausen zum Sammelbecken für Opfer des Nazi-Terrors aus ganz Europa: Polnische Intellektuelle und sowjetische Kriegsgefangene, republikanisch gesinnte Spanier und holländische Juden, Angehörige von insgesamt 30 Nationen, sehen sich Tag für Tag mit der Unmenschlichkeit, der Brutalität und dem Sadismus der Schergen Hitlers konfrontiert. In der Nazi-Bürokratie wird Mauthausen die Kategorie „Lagerstufe III“ zugewiesen, das heißt, hier werden Menschen in „Schutzhaft“ genommen, deren Rückkehr in die Gesellschaft „unerwünscht“ ist; offiziell sind dies „schwerbelastete, unverbesserliche, auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge“, tatsächlich aber befinden sich 93 Prozent der Insassen auf Grund ihrer nationalen, rassischen, religiösen Zugehörigkeit oder ihrer politischen Orientierung im Lager.

      Franz Ziereis, der 1942 auch Betriebsdirektor der Granitwerke Mauthausen wird und in der SS-Hierarchie bis zum SS-Standartenführer aufsteigt, verantwortet als Lagerkommandant von Mauthausen und seinen Nebenlagern die Ermordung von etwa 105.000 Menschen. Über seinem Schreibtisch hängt eingerahmt sein Wahlspruch:

       Ein Pfui dem Mann,

       der nicht schlagen kann. Noch lebt das Gebot: Schlag’ tot, schlag’ tot!

      Zwei Tage vor der Befreiung Mauthausens, am 3. Mai 1945, flieht Ziereis mit seiner Frau zu einer Jagdhütte am Pyhrn; am 22. Mai wird er von US-Soldaten aufgestöbert und bei einem Fluchtversuch schwer verwundet: In seiner „Beichte“ am Totenbett spricht er von 4.000 Häftlingen, die er persönlich getötet hätte. Am 25. Mai 1945 erliegt Franz Ziereis seinen Verletzungen.

       Hungerunruhen

      Vielfach ist das Thema „Hunger“ bereits aus unserer Wahrnehmung verschwunden. Zu Unrecht, wenn man genauer hinblickt: So kommt es am Höhepunkt der Nahrungsmittelkrise nach dem Ersten Weltkrieg in ganz Österreich zu Plünderungen und Unruhen. So auch im steirischen Leoben, wo am 10. Februar 1920 Donawitzer Arbeiter in das Gebäude des „Bezirkswirtschaftsamtes“ eindringen und die zusätzliche Ausgabe von Mehl und Lebensmitteln fordern. Als die Beamten dieser Forderung nicht nachkommen und die Klagen der Arbeiter über die schlechte Ernährungslage nicht ernst nehmen, eskaliert die Situation:

      Die Arbeiter erhalten Unterstützung von „kommunistischen“ Demonstranten; es kommt zu blutigen Zusammenstößen mit der Gendarmerie. Die erschreckende Bilanz: fünf Tote und 45 Verletzte.

      Der Vorfall sorgt in der ganzen Steiermark für großes Aufsehen und heizt das Gemüt der ausgehungerten Bevölkerung weiter an. Offiziell werden – man ist versucht zu sagen: wie gewohnt – die Kommunisten als Schuldige angeprangert: „Von kommunistischen Elementen aufgehetzt, rotteten sich heute Nachmittag zahlreiche, vorwiegend aus der Umgebung der Stadt erschienene Personen, Männer, Frauen und halbwüchsige Burschen, in Leoben zusammen und zogen vor das Gebäude des Bezirkswirtschaftsamtes, dessen Eingang bereits von Gendarmerie bewacht war“, teilt der Steiermärkische Landespressedienst über den Vorfall mit.

      Der Bürgermeister von Leoben versucht die Stimmung zu beruhigen: „Der Bürgermeister von Leoben erließ an die Bevölkerung von Leoben einen Aufruf, worin darauf hingewiesen wird, dass die Gemeindevertretung alles Menschenmögliche getan habe, um Lebensmittel herbeizuschaffen.

      Sie werde auch

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