365 Schicksalstage. Johannes Sachslehner

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365 Schicksalstage - Johannes Sachslehner

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Komponisten mit finanziellen Zuwendungen unterstützt und mit Angehörigen der Wiener Gesellschaft, mit Künstlern und Schriftstellern wie Leopold Kupelwieser, Moritz von Schwind, Johann Mayrhofer und Franz von Schober bekannt gemacht. An diesem Abend hat Spaun, der es später bis zum Leiter der Lotteriendirektion und des Generalhoftaxamtes bringen wird, zu einer Privataufführung in seiner geräumigen Wohnung in den sogenannten „Klepperställen“, heute das Haus Teinfaltstraße 8/​8A, geladen. Drei Tage vor seinem 31. Geburtstag ist Schubert bester Laune; die zahlreich erschienenen Freunde und Gäste, es sind etwa 50, verbringen mit ihm zusammen einen anregenden Abend: Höhepunkt ist die Uraufführung seiner neuen Komposition, eines Klaviertrios in B-Dur, dem man später die Opuszahl 99 beifügen wird. Gespielt wird von seinen Freunden Ignaz Schuppanzigh (Violine), Joseph Lincke (Violoncello) und Carl Maria von Bocklet (Klavier); die drei Musiker haben bereits wenige Wochen zuvor, am Stephanitag 1827, bei einer Veranstaltung des Musikvereins sein Klaviertrio in Es-Dur zur Aufführung gebracht. Das Stück, eines der großen Meisterwerke der Kammermusik, findet bei den Zuhörern begeisterte Aufnahme.

      Der Abend wird zu einem vollen Erfolg; es wird gesungen und rezitiert, gescherzt und diskutiert – noch ahnt niemand, dass es die letzte „Schubertiade“ sein wird …

      Acht Jahre später, 1836, erscheint Schuberts Klaviertrio erstmals im Druck; von Robert Schumann ist dazu folgender Ausspruch überliefert: „Ein Blick auf das Trio und das erbärmliche Menschenreich flieht zurück und die Welt glänzt wieder frisch.“

      Schubertiade bei Joseph von Spaun. Kolorierter Holzstich nach einem Gemälde von Hans Temple.

       Der Auschwitz-Erlass

      Bei der Kriminalpolizeileitstelle Wien trifft ein Schnellbrief des Reichskriminalpolizeiamts (RPKA) von Berlin ein. Gerüchte schwirren schon seit einigen Wochen herum, doch nun haben die Beamten den berüchtigten Befehl Heinrich Himmlers vom 16. Dezember 1942, bekannt als „Auschwitz-Erlass“, schwarz auf weiß vor sich: „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft“ sind nach „bestimmten Richtlinien auszuwählen und in einer Aktion von wenigen Wochen in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dieser Personenkreis wird im nachstehenden kurz als, zigeunerische Person‘ bezeichnet. Die Einweisung erfolgt ohne Rücksicht auf den Mischlingsgrad familienweise in das Konzentrationslager Auschwitz.“

      Dieser zusammenfassenden knappen Anweisung folgen detaillierte Durchführungsbestimmungen, ausgenommen von der Deportation sollen „reinrassige Sinte- und Lalleri-Zigeuner“ bleiben, aber auch „zigeunerische Personen, die mit Deutschblütigen rechtsgültig verheiratet sind“ sowie „sozial angepasst lebende zigeunerische Personen, die bereits vor der allgemeinen Zigeunererfassung in fester Arbeit standen und feste Wohnungen hatten“ – Bestimmungen, die in ihrer Monstrosität Himmlers Ringen mit dem Thema „Zigeuner“ und seinen Rassenwahn spiegeln: Die Verfolgung soll – hier macht sich der Einfluss des „Zigeunerforschers“ Robert Ritter auf Himmler deutlich bemerkbar – den „Mischlingen“ gelten, von denen Ritter so wenig hält: Wer nicht in ein KZ eingewiesen wird, sei daher zur „Unfruchtbarmachung“ angehalten, das gelte für alle Personen über zwölf Jahre. Die Profitmöglichkeiten werden dabei nicht vergessen: Das Eigentum der Deportierten, so Himmler, sei in „geeigneter Weise“ sicherzustellen, mitnehmen dürfen sie allenfalls Wäsche zum täglichen Bedarf und „verderblichen Mundvorrat“, die Ausweispapiere sind ihnen abzunehmen und bei den zuständigen Polizeistellen zu hinterlegen.

      Unmittelbar nach Erhalt des Schnellbriefs beginnt die Kriminalpolizeileitstelle Wien mit den Vorbereitungen zur Deportation, man versucht die Vorgaben Himmlers buchstabengetreu umzusetzen; ist man sich über die „rassische Einordnung“ eines „Zigeuners“ nicht im Klaren, fordert man Gutachten von der Forschungsstelle Robert Ritters an. Insgesamt sind es acht Transporte, die im Frühjahr 1943 2.348 österreichische Zigeuner ins Auschwitzer „Zigeunerfamilienlager“ bringen; darunter sind auch Häftlinge aus den Lagern in Lackenbach und Salzburg. Kathi Horwath, die Tochter eines Spenglers aus Oberwart, die in Auschwitz ihre Mutter und zwei Geschwister verliert, erinnert sich später: „Und so kamen wir alle auf Viehwaggons, je 50 Personen, darauf stand, Auschwitz‘. Fast ohne Aufenthalt fuhren wir, drei Tage und Nächte, wir litten Hunger und Durst … “

      Im August 1944 wird das Auschwitzer Familienlager aufgelöst, wer nicht mehr arbeitsfähig ist, wird in die Gaskammer geschickt, so sterben allein in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 2.897 Männer, Frauen und Kinder.

       Die Tragödie von Mayerling

      Das Jagdschloss der Habsburger in Mayerling im Wienerwald, 29. Januar 1889, etwa 22 Uhr. Kronprinz Rudolf, der am Abend noch mit seinen Freunden Josef Graf Hoyos und Prinz Philipp von Coburg soupiert hat, zieht sich mit der 17-jährigen Mary Vetsera in sein Schlafzimmer zurück; Kammerdiener Loschek, der im Nebenzimmer schläft, erhält strengste Anweisung, niemanden vorzulassen. Nur er weiß Bescheid über die Anwesenheit des Mädchens. Er hört, wie er später aussagt, die beiden die ganze Nacht über in ernstem Ton sprechen, kann aber nichts verstehen. Folgt man der gängigen Version des Mayerling-Dramas, so nützen Mary und Rudolf die letzten Stunden zum Verfassen von Abschiedsbriefen, die man später im Zimmer der Toten findet. Rudolf schreibt insgesamt sechs Abschiedsbriefe: an seine Frau Stephanie, an seine Schwester Marie Valerie, an seine Mutter Kaiserin Elisabeth, an Loschek, an den Sektionschef Szögyeny und an den Prior von Heiligenkreuz. Nur wenige Zeilen sind es, mit denen Rudolf von seiner Frau Abschied nimmt: „Liebe Stephanie! Du bist von meiner Gegenwart und Plage befreit. Werde glücklich auf Deine Art. Sei gut für die arme Kleine, die das einzige ist, was von mir übrig bleibt. Allen Bekannten, besonders Bombelles, Spindler, Latour, Szögyeny, Gisela, Leopold etc. etc. sage meine letzten Grüße. Ich gehe ruhig in den Tod, der allein meinen guten Namen retten kann. Dich herzlichst umarmend, Dein Dich liebender Rudolf.“ Auf einen Brief an seinen Vater, den Kaiser, verzichtet Rudolf; angeblich, so erzählt später Marie Festetics, die Hofdame Kaiserin Elisabeths, habe er im Abschiedsbrief an seine Mutter festgehalten, dass er es nicht wage, an seinen Vater zu schreiben. Und wörtlich habe es dann geheißen: „Ich weiß sehr gut, dass ich nicht würdig war, sein Sohn zu sein.“

      Mary Vetsera richtet ihre vier Abschiedsbriefe an ihre Mutter und ihre Geschwister Hanna und Feri sowie an Marie Larisch. An ihre Mutter schreibt sie: „Liebe Mutter! Verzeiht mir, was ich getan; ich konnte der Liebe nicht widerstehen. In Übereinstimmung mit ihm will ich neben ihm am Friedhof von Alland begraben sein. Ich bin glücklicher im Tode als im Leben. Deine Mary.“

      Am frühen Morgen des 30. Januar, es ist 6.10 Uhr, erscheint der Kronprinz, vollständig angezogen, bei Loschek und befiehlt ihm, einspannen zu lassen. Der Kammerdiener eilt in den Hof, hört aber plötzlich zwei „Detonationen“. Er läuft zurück ins Haus, findet das Schlafzimmer Rudolfs jedoch versperrt vor: „Was nun machen, ich holte sofort Graf Hoyos, und mit einem Hammer bewaffnet, schlug ich die Türfüllung ein, so dass ich gerade mit der Hand hineinkonnte, um die Tür von innen aufzusperren. Welch grauenhafter Anblick – Rudolf lag entseelt auf seinem Bette angezogen, Mary Vetsera ebenfalls auf ihrem Bette vollständig angekleidet. Rudolfs Armeerevolver lag neben ihm. Beide hatten sich überhaupt nicht schlafen gelegt. Beiden hing der Kopf herunter. Gleich beim ersten Anblick konnte man sehen, dass Rudolf zuerst Mary Vetsera erschossen hatte und dann sich selbst entleibte.“

      Auf dem Nachtkästchen findet Loschek den an ihn gerichteten Abschiedsbrief vor: „Lieber Loschek! Holen Sie einen Geistlichen und lassen Sie uns in einem gemeinsamen Grabe in Heiligenkreuz beisetzen. Die Pretiosen

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