Gesundes Gift. Franz Kabelka

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Gesundes Gift - Franz Kabelka

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hab geschwind einmal in deine Unterlagen hineingeschaut und rede natürlich gerne mit dir darüber, auch wenn ich schon viele Jahre nicht mehr in dieser Sparte tätig bin. Andererseits: Die Grundprinzipien vergisst man wohl nie.

      Ich bin derzeit noch in Berlin, ab nächsten Mittwoch aber wieder in Wien. Während der Zugfahrt werde ich mir das Material noch genauer zu Gemüte führen. Ruf mich einfach ab Donnerstag an, dann machen wir uns einen Termin aus, einverstanden?

      Herzlich dein

      Thomas

       Transkript: Interview mit Dr. Thomas Mitterer, Ökologieinstitut, 29. 6. 2012

      FP: Danke, Thomas, dass du dir für dieses Gespräch Zeit genommen hast. Es geht, wie gesagt, um deine Einschätzung jener Studie, die Dr. Richard Piper von der Boston University gemacht hat und die unlängst im Journal of the American Medical Association publiziert wurde. Die Studie kam zum Ergebnis, dass vierzig Prozent der im Internet verkauften ayurvedischen Produkte, welche unter Rasa shastra laufen, massive Überschreitungen der Grenzwerte bei Quecksilber, Blei und Arsen aufweisen. Diverse Ayurvedaverbände in den USA und Europa haben auf die Ergebnisse von Pipers Studie reagiert und die Aussagekraft dieser Untersuchungen bestritten. Meine erste Frage an dich: Wie schätzt du das Ganze ein?

      TM: Okay, zuerst einmal einige Anmerkungen zur Studie selbst. Was ich für problematisch halte, ist, dass da immer von soundso viel Mikrogramm Schwermetall pro Kilo die Rede ist. Es wird nicht unterschieden, ob es sich um Schwermetalle in löslicher oder nicht löslicher Form handelt. Genau das macht in der Praxis aber den Unterschied zwischen gefährlich und ungefährlich aus.

      Weiters stört mich die ständige Bezugnahme auf den sogenannten Durchschnittsmenschen. Ich habe diese Kategorie noch nie verstanden. Wo sind etwa Kinder oder Alte und Schwache anzusiedeln? Aber man kann den Studienverfassern natürlich zugutehalten, dass ihr Untersuchungsgegenstand nicht die Erfassung der gesundheitlichen Effekte am Patienten war, wie bei einer klinischen Studie, sondern nur die Bestimmung des Schwermetallgehalts in verschiedenen Produkten.

      FP: Und wie siehst du die kategorische Ablehnung dieser Studienergebnisse durch die Ayurvedacommunity? Sie lehnt den chemisch-analytischen Zugang ja prinzipiell ab.

      TM: Nun, das ist eine sehr komplexe Geschichte. Erst einmal muss ich bekennen, dass sich meine Einstellung zur westlichen Naturwissenschaft im Verlauf der letzten Jahre einigermaßen geändert hat. Das klingt aus dem Mund eines Chemikers vielleicht eigenartig, aber ich bin überzeugt, dass es Dinge jenseits unseres Horizonts gibt. Dinge, die wir mit unseren evidenzbasierten physikalischen oder chemischen Methoden alleine nicht in den Griff bekommen. Denk nur an die Homöopathie. Es ist doch hochinteressant, dass sie bei uns immer stärker angenommen wird – gerade von den höheren Bildungsschichten.

      Für mich kommt da eben ein wichtiger Aspekt ins Spiel, und der lautet Systembetrachtung. Die klassische Chemie, so wie du und ich sie gelernt haben, beruht ja darauf, dass man die Dinge erst in ihre Einzelteile zerlegt und dann wieder zusammenbaut. In den letzten Jahren ist man aber dazu übergegangen, die Systemwirkung mitzuberücksichtigen. Um es einfach zu sagen: Ein und dieselbe pflanzliche Substanz kann isoliert oder im Verbund mit anderen sehr unterschiedliche Wirkungen haben.

      FP: Entschuldige, aber es geht hier ja nicht um Pflanzen – es geht um Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Arsen oder Kadmium!

      TM: Ich weiß, ich weiß. Aber wie ich schon sagte, man kann nicht einmal davon ausgehen, dass Schwermetalle in jedem Fall negative Auswirkungen haben. Wie du weißt, ist beispielsweise Quecksilber in purem Zustand geschluckt überhaupt nicht gefährlich – der Körper scheidet es einfach wieder aus. Oder denk an das Quecksilberamalgam, das sich vielleicht auch als Füllung in deinen Zähnen befindet. Andere Hg-Verbindungen sind hingegen hochgiftig. Und natürlich macht die Dosis viel aus, ebenso wie die Frage Lang- oder Kurzzeiteinnahme. Eine bestimmte Substanz ein einziges Mal in großer Konzentration eingenommen kann zum Beispiel weitaus stärker wirken als eine häufige Einnahme in niedriger Konzentration oder umgekehrt. Dazu kommt noch die Konstitutionsfrage: Medikamente werden ja in der Regel von kranken Menschen eingenommen und treffen deshalb auf einen geschwächten Organismus, der völlig anders reagieren kann wie ein gesunder. Alle diese Aspekte spielen eine nicht unbedeutende Rolle – und deshalb ist eben die isolierte Betrachtung einer Substanz nicht zielführend.

      FP: Genau so argumentieren auch die Vertreter des Ayurveda. Aber geht es letztlich nicht darum, ob sich die chemische Struktur, etwa von Quecksilber, durch eine ayurvedische Zubereitungsprozedur grundsätzlich ändern kann oder nicht? Ob das, was im Ayurveda unter Shodana verstanden wird, wissenschaftlich betrachtet überhaupt möglich ist: nämlich die Reinigung der Metalle von sämtlichen toxischen Nebenwirkungen? Kannst du dir das vorstellen?

      TM: Ob ich mir das vorstellen kann? Ach Gott, wir wissen spätestens seit der Quantenphysik, dass es Dinge gibt, die uns Normalsterblichen schwer verständlich sind. Stichwort Informationsübertragung. Außerdem reden wir hier ja von einem Systemwechsel. Und ich denke, dass es generell schwierig bis unmöglich ist, mit den Methoden der einen Wissenschaft eine andere zu bewerten.

      FP: Okay, lass uns einen Schritt zurück machen. Der Grund, warum im Rasa-shastra-Verfahren pflanzliche Stoffe mit Schwermetallen vermengt werden, ist ja, dass dadurch die Heilkraft und Haltbarkeit der Präparate erhöht werden soll. Es geht also, wohlgemerkt, nicht um zufällige Verunreinigungen, etwa durch Düngemittel, mit denen die Pflanzen in Kontakt kommen, sondern um eine bewusste Beimengung von Quecksilber oder Blei gemäß einer jahrtausendealten Tradition, niedergeschrieben in den ayurvedischen Rezepturen. Verstehe ich dich richtig: Du hältst eine solch wundersame Verwandlung eines giftigen Schwermetalls in ein heilsames Medikament für grundsätzlich möglich? Von der Beantwortung dieser Frage hängt immerhin ab, ob es angezeigt ist, schwermetallhaltige Produkte zu verbieten oder in unseren Apotheken zuzulassen.

      TM: Wir bewegen uns im Kreis. Ich kenne mich bei Ayurveda doch viel zu wenig aus, um deine Frage eindeutig beantworten zu können.

      FP: Aber du musst doch als Chemiker sagen können, ob eine Eliminierung der toxischen Eigenschaften von Schwermetallen durch Kalzinierung et cetera grundsätzlich denkbar ist?

      TM: Meine Antwort darauf ist ein klares Jein. Als Chemiker müsste ich natürlich sagen, dass das nicht geht. Aber wie eben dargelegt, bin ich nicht mehr davon überzeugt, dass unsere Vorstellung von Chemie das alleinig Seligmachende ist. Ich maße mir auch nicht an, Zugänge jenseits der westlichen Chemie zu beurteilen.

      FP: Aber Thomas …

      TM: Nein, warte, ich versuche es mit einem simplen Beispiel zu verdeutlichen. Wir wissen doch, dass Chinesen Kuhmilch schlecht vertragen. Nun, heute lässt sich das natürlich leicht erklären – ihnen fehlt einfach ein Enzym, um die Milch zu verdauen. Aber vor zweihundert Jahren hat kein Mensch den Grund gekannt. Und selbst wenn eine Gesellschaft grundsätzlich über ein komplexes Wissen wie die Quantenphysik verfügt, heißt das noch lange nicht, dass damit viele etwas anfangen können. Das sollte uns doch zu denken geben, nicht wahr, und vorsichtiger sein lassen bei der Beurteilung fremder Systeme!

      FP: Du lässt diese Frage also offen?

      TM: Exakt. Sollen die sich damit beschäftigen, die beide Systeme gleich gut kennen. Ich zähle nicht dazu.

      Was mich bedeutend mehr interessiert, ist die Frage: Was steckt dahinter, dass so viele westliche Menschen heute ihr Heil in etwas komplett Fremdem, Andersartigem suchen? Wieso kommt es bei uns überhaupt zu einem Ayurvedaboom? Ist eine solche, in einer anderen Kultur gewachsene Medizin überhaupt auf uns übertragbar? Ich meine, das ist ja schon bei einfachen Dingen so, dass sie an unterschiedlichen Orten

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