Gesundes Gift. Franz Kabelka
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesundes Gift - Franz Kabelka страница 7
![Gesundes Gift - Franz Kabelka Gesundes Gift - Franz Kabelka](/cover_pre968631.jpg)
FP: Manche halten diese Tradition der Mischung von Schwermetallen und pflanzlichen Substanzen für einen von der modernen Chemie längst überwundenen alchemistischen Irrglauben. Und sie fragen sich, wie diese Schwermetalle, wenn sie denn in angeblich ungefährlicher, nicht löslicher Form vorliegen, überhaupt eine Wirkung geschweige denn eine heilende haben sollen.
TM: Weil es nach ayurvedischer Meinung eben nicht um die stoffliche Wirkung, sondern um eine andere Art von Informationsübertragung geht. Ähnlich wie in der Homöopathie.
FP: Aber wie bitte stellt sich ein Chemiker vor, dass Informationen übertragen werden, die nicht an Moleküle gebunden sind?
TM: Ich tu mir persönlich schon schwer, den Welle-Teilchen-Dualismus zu verstehen, und der ist ja auch schwer verständlich in den makroskopischen Kategorien, in denen wir gelernt haben zu denken. Bezüglich der Frage, ob es absolute Wahrheiten gibt oder nur kulturell determinierte, tendiere ich mittlerweile eher zu Letzterem. Ich stelle fest, dass in anderen Kulturen seit Jahrtausenden andere Wege als bei uns beschritten werden und die Menschen dort offenbar auch nicht kränker sind.
FP: Aber ist ein solcher Relativismus nicht problematisch? Wenn etwa die Food and Drug Administration in den USA Obergrenzen bei Schwermetallen festlegt, tut sie das wohl deshalb, weil sie Menschen damit schützen will. Egal, welchen kulturellen Hintergrund sie haben.
TM: Genauso kannst du fragen, welche Interessen dahinterstehen, dass es punkto Schwermetalle alleine in den USA vier unterschiedliche Grenzwerte gibt.
FP: Die aber allesamt, wie Pipers Studie belegt, bei Quecksilber, Blei und Arsen um das Tausendfache überschritten werden. Umso überraschender, dass in den USA nicht mehr Vergiftungsfälle bekannt sind als die etwa siebzig, von denen derzeit ausgegangen wird. Und aus Indien, wo Ayurveda ja einen viel höheren Stellenwert hat, sind noch weniger Fälle bekannt.
TM: Na, das überrascht mich jetzt nicht sonderlich. Es gibt auch eine große Dunkelziffer nicht erfasster Morde, weil einfach viele Opfer nie als solche erkannt werden. Opfer von Giftanschlägen zum Beispiel. Nicht jeder Tote wird gerichtsmedizinisch untersucht.
FP: Abgesehen von den Gefahren für jene, die diese zweifelhaften Substanzen schlucken: Denkst du nicht auch, dass insbesondere die Arbeiterinnen und Arbeiter, die bei der Herstellung schwermetallhaltiger Präparate eingesetzt werden, besonders gefährdet sind?
TM: Na klar, schon wegen der anfallenden Dämpfe. Und nach meiner Erfahrung mit indischen Betrieben kümmert sich dort selten jemand um den Schutz der Belegschaft. Warum verlagern westliche Pharmaunternehmen ihre Produktion in solche Schwellenländer? Weil, abgesehen von den lächerlichen Löhnen, dort auch die staatlichen Auflagen und Sicherheitsstandards niedriger sind, was wiederum Kosten senkt.
FP: Abschließende Frage: Worauf würdest du besonders achten, wenn du so einen Produktionsbetrieb zu kontrollieren hättest?
TM: Zuerst einmal müsste klar sein, mit welchen chemischen Verbindungen in dem betreffenden Betrieb hantiert wird. Erst danach kann man sich mit den nötigen Schutzmaßnahmen beschäftigen und überprüfen, ob es für alle, die mit gefährlichen Substanzen in Berührung kommen, eine entsprechende Arbeitskleidung oder Atemschutzmasken gibt, die auch tatsächlich verwendet werden bzw. funktionieren. All das ist nämlich keineswegs selbstverständlich.
Ein simples Beispiel: Auch in Indien gilt längst die Helmpflicht für Motorradfahrer. Im Alltag wirst du aber feststellen, dass die meisten den Helm lieber am Handgelenk als auf dem Kopf tragen. Das bloße Vorhandensein einer Schutzkleidung in einer chemischen Produktionsstätte sagt also noch gar nichts über deren Verwendung aus. Vielleicht gilt es ja einfach als uncool, sich in einen Schutzanzug zu zwängen, weil der die Haartracht ruiniert? Es gibt tausend Gründe, warum die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht ernst genommen wird – vor allem, wenn, wie in Indien, das Leben des Einzelnen weniger wert ist als der mögliche Profit für ein Unternehmen. Darauf würde ich also bei einer Inspektion vor allem achten: auf den Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
FP: Thomas, ich danke dir für das Gespräch.
2
Ajith Nair lehnte sich zufrieden zurück in den dicken Polster und streckte die Beine aus. Er verspürte nicht den geringsten Jetlag, und das Essen in dem von einem Nepalesen geführten Restaurant, von dem aus sich ihm ein schöner Blick auf den Charles River bot, hatte hervorragend gemundet. Von den vegetarischen Momos in Tomatensauce hatte er sogar noch eine Portion nachbestellt.
Sein Gegenüber war da weitaus weniger entspannt. Kein Wunder, dachte er. Sein Besuch war R. S. Murugan schließlich erst einen Tag vor Ajiths Abflug angekündigt worden, und in dem Telefonat waren nur einige wenige Eckdaten genannt worden: Wann genau Ajith am Flughafen Boston abzuholen sei, dass der ältere Bruder ausdrücklich eine persönliche Abholung wünsche und dass Ajith angemessen, also in einem ordentlichen Hotel, aber unter falschem Namen, unterzubringen sei. Mehr nicht. Murugan hatte immer nur yes und of course gemurmelt. Dabei hatte er vermutlich an nichts anderes denken können als an die wenig erfreuliche Perspektive, wegen des überraschenden Besuchs aus Chennai alle möglichen Termine schleunigst absagen zu müssen. Ohne Wenn und Aber. Egal, wie wichtig sie auch sein mochten.
Während des dreigängigen Menüs hatten sie nur belangloses Zeug geplaudert. Wie es den Eltern gehe, was die Kinder so trieben (Ajith hatte keine, weshalb sich das Thema rasch erledigt hatte) und wie hoch der Benzinpreis in Indien respektive in den USA derzeit sei, die übliche Palette eben. Wenn Murugan sich auch rechtschaffen bemühte, Interesse an der momentanen Situation in seiner ehemaligen Heimat zu bekunden, entging Ajiths geschärften Sinnen nicht, wie hektisch die Blicke des Brokers waren, wie fahrig seine Bewegungen. Ständig nickend und lächelnd vermied er tunlichst die eine, die einzig interessante Frage: jene nach Ajiths Auftrag. Das hätte schon beim Besuch eines nahestehenden Freundes als unhöflich gegolten; wie viel mehr galt das erst für ihre Beziehung. Die gar keine war, in der engeren Bedeutung des Wortes. Oder konnte man es als eine Art indirekter Verwandtschaft bezeichnen, wenn der ältere Bruder über ihnen beiden als überdimensionaler Scheinwerfer strahlte, als Fixstern am Firmament? Ein Stern, der alles sah und über allem wachte. Immerzu präsent, doch von den Menschen erst wahrzunehmen, wenn die Dunkelheit hereinbricht.
Nachdem der Besitzer des Lokals höchstpersönlich den Kaffee serviert hatte, fand Ajith es an der Zeit, zum geschäftlichen Teil überzugehen.
„Ich soll dir von unserem älteren Bruder die besten Grüße ausrichten. Wie man hört, läuft bei dir geschäftlich ja alles äußerst zufriedenstellend.“
Wie man hört … Es konnte nicht schaden, von Anfang an klarzustellen, wer die Kontrolle innehatte. Egal, wie weit die amerikanische von der indischen Ostküste entfernt war.
In Murugans Gesicht zuckte ein kleiner Muskel. Ganz kurz nur, aber Ajith registrierte es mit Wohlgefallen.
„Ich bedanke mich“, sagte der andere. Es klang, als machte seine Stimme dabei einen tiefen Bückling. „Und was die Geschäfte angeht, bin ich in der Tat sehr zufrieden.“
„Ja“, bestätigte Ajith mit einem Blick auf Murugans Anzug. Der dunkle Stoff schimmerte dezent und saß wie angegossen. So etwas gab es nicht von der Stange. „Unser älterer Bruder sorgt für uns wie ein wahrer Vater. Das sollten wir nie vergessen.“
Murugan nickte, vielleicht nicht ganz so enthusiastisch, wie man es sich hätte erwarten dürfen. Schließlich wusste Ajith