Koshiki Kata. Roland Habersetzer

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Koshiki Kata - Roland Habersetzer

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Form seiner Kunst geworden, die er übt.

      Jahre der Praxis, eine lange technische und geistige Entwicklung führen dazu, daß die Wahrnehmung der Dinge, seien sie sichtbar oder unsichtbar, sich wandelt. Ein neues Verständnis der Kata bildet sich heraus. Die Kata ist nun nicht mehr ein symbolischer Kampf mit mehreren Gegnern nach festen Regeln, die vor langer Zeit unverrückbar festgelegt wurden. So erscheint sie lediglich am Beginn des Weges. Gegenstand dieses Buches ist hingegen die veränderte, gereifte Wahrnehmung der Kata, das neue Verständnis, das sich dem Praktiker nach vielen Jahren eröffnet. Solch eine Absicht leuchtet natürlich nicht ohne weiteres ein. Es erscheint zunächst schwer vorstellbar, wie eine „mündliche Tradition“9 durch die Seiten eines Buches vermittelt werden soll. Hinzu kommt, daß nicht wenige Bestandteile dieser mündlich übermittelten Tradition im 20. Jahrhundert verlorengegangen sind. Die modernen Techniken der Ton- und Bildaufzeichnung sind zu spät gekommen.

      Es darf nie vergessen werden, daß die Geschichte jeder Kata sich vor dem Hintergrund dreier bedeutender kultureller Umbrüche abspielte. Jeder Umbruch bedeutete einen Verlust an Wissen, sowohl, was die Form der Kata, als auch, was ihre Grundlagen anging. Zunächst, vor etwa zwei Jahrhunderten, teilweise aber auch schon eher, erfolgte die Umwandlung des Tôde10 in das Okinawa te, das heißt, die chinesischen Nahkampftechniken wurden auf die Insel Okinawa übertragen und an das dort bereits Bestehende angepaßt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandelte sich das Okinawa te zum Karatedô. Dies bedeutete eine erneute Übertragung, verbunden mit neuerlicher technischer und kultureller Verarmung, was diesmal den Verschiedenheiten der Gesellschaftssysteme auf Okinawa und in Japan sowie den unterschiedlichen Mentalitäten und Sichtweisen der Okinawaner und der Japaner geschuldet war. Die dritte Wandlung erfolgte schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich das Karatedô zum modernen und sportorientierten Karate entwickelte, was mit einem weitgehenden Schwinden der kriegerischen Zweckbestimmtheit verbunden war. Modifikation, Verlust und Verarmung wurden zum weltweiten Phänomen, das in Japan mit seinem unbändigen Drang nach Modernität und Effizienz seinen Ausgang nahm.

      Man zählt rund 60 „klassische“ Kata, die spätestens im 19. Jahrhundert entstanden sind. Manche von ihnen haben noch immer erkennbare Wurzeln, die anscheinend bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Es ist nicht unbedingt notwendig, sie alle zu studieren, um erkennen zu können, was sich unter der Oberfläche der Kata befindet. Bereits das tiefgründige Erforschen einer einzigen Kata mit aller erforderlichen Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit kann ausreichen, das „Erwachen“ zu bewirken. Auf dieser Erkenntnis beruht auch die alte Weisheit „Hito kata san nen“ („drei Jahre für eine Kata“) und gleichermaßen der Begriff der Tokui-Kata, der bevorzugten Kata eines Praktizierenden, die er viele Jahre lang übt und verfeinert. Natürlich kann im Laufe des Lebens eine bevorzugte Kata mehrere Male durch eine neue abgelöst werden. Das hängt davon ab, wie sich die technischen Fertigkeiten des Karateka und seine Fähigkeit, das „Innere“ der Kata zu erfassen, entwickeln, oder es liegt an seiner körperlichen Eignung für diese und jene Technik, welche sich mit dem Alter ändern kann. Aber ein solcher Wechsel ist weder erforderlich noch unabwendbar. Es ist sehr gut möglich, daß eine am Anfang getroffene gute Wahl dem Karateka ermöglicht, sein ganzes Leben einer oder zwei Kata treu zu bleiben. Es gibt nicht wenige Beispiele aus der Vergangenheit, wo ein Meister weitbekannt dafür war, eine bestimmte Kata auf beispielhafte Weise zu beherrschen.

      In jüngerer Vergangenheit vervielfältigte sich die Zahl der Kata, die in einer Schule oder innerhalb einer Stilrichtung praktiziert werden, und es entstanden eigene Varianten überlieferter Kata. Das, was wesentlich ist, wurde auf eine Vielzahl von Formen verteilt, die unter dem Aspekt der „inneren Suche“ eher nutzlos sind.11 Das Wahrhaftige ist durch den Schein abgelöst worden; der Wald ist vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Diese Situation besteht nun seit über 80 Jahren, seit Funakoshi Gichin Anfang der 20er Jahre nach Japan ging und dort eine erste Zusammenstellung von Techniken des okinawanischen Karate vorstellte. Diese Entscheidung Funakoshis wurde seitens der Meister, die auf der Insel verblieben waren, keineswegs einhellig begrüßt, und sie ist die Ursache dafür, daß mitunter die Gesamtheit des Werkes jenes Mannes, der oft als Vater des modernen Karate angesehen wird, in Frage gestellt wird. Auf jeden Fall bewirkte sie, daß das Verständnis dessen, was authentisches Karate darstellt, sich weitgehend gewandelt hat.

      Der sogenannte „zivilisierte“ oder „fortschrittliche“ Teil der Menschheit im 20. Jahrhundert glaubte daran, daß Reichtum nur aus dem Überfluß kommen könnte. Das führte zum Streben nach immer mehr – und dies so schnell wie möglich. So war man übersättigt und doch auch immer hungrig. Das Gebiet der Kampfkünste bildete hier keine Ausnahme. Einer versuchte den anderen mit seinen Techniken zu übertrumpfen, trügerische Verkürzungen wurden gewählt, Scheinbares zum Wirklichen erklärt, falsche Werte „offiziell“ anerkannt. All dies erweckt den Anschein einer Flucht nach vorn durch dichten Nebel. Doch es hat auch dazu geführt, daß inzwischen zahlreiche Karateka das Gefühl beschlichen hat, daß sich hinter all dem Wirrwarr noch etwas anderes befinden muß. Sie ahnen, daß ein weniger oberflächliches Praktizieren mit der Zeit weit mehr bewirken kann, als das Ego von Zeit zu Zeit zufriedenzustellen, daß auf diese Weise ein Erfahrungsschatz gewonnen werden kann, der von Dauer ist und der letztendlich eine in jeder Hinsicht höhere Lebensqualität zur Folge hat. Die Frage lautet nun, ob ihre Ausdauer, einen solchen Weg zu beschreiten, ausreichend sein wird.

      Zahlreich und entmutigend sind die Hindernisse auf dem Weg des Suchenden. Und etliche, die der Entwicklung des Karate zum Sportspektakel überdrüssig sind, folgen diesem „neuen“ Weg auch nur deswegen, weil es derzeit modern erscheint, zu den Quellen zurückzukehren. Das Wissen über den historischen und kulturellen Hintergrund des Karatedô ist bei den daran Interessierten und selbst bei vielen Hochgraduierten oft erschreckend gering, und dies trifft sogar auf manchen hochrangigen Karateka in Japan zu. Das stellt ein ernstes Problem dar, denn letztere verdrehen mitunter die Tatsachen und erzählen leichtfertig den größten Unsinn, wodurch sie große Verwirrung stiften. So werden beispielsweise der einen oder anderen Kata Eigenschaften zugesprochen, die sie schon aufgrund ihrer Konzeption gar nicht haben kann. Auf diese Weise kann es geschehen, daß eine von ihrem Schöpfer für den Kampf bestimmte Kata mit einer Kata verwechselt wird, die ausschließlich der Entwicklung der inneren Energie dienen soll. Oder es wird vom kulturellen oder geistigen Niveau eines historischen Meisters der Kampfkünste geredet, ohne daß der Bezug zum kulturellen Niveau seiner Zeit oder seines Umfelds hergestellt wird.12

      Weitere Verwirrung stiftet das häufige Verwechseln von „klassischen“ und „traditionellen“ Kata. Zwischen beiden gibt es einen feinen, aber sehr bedeutsamen Unterschied. Die klassische Kata ist eine Abfolge von Bewegungen und Körperhaltungen, die unwandelbar weitervermittelt wird, aber sie vermittelt nicht immer eine Botschaft (beispielsweise religiöser Natur). Alle Kata, in denen eine bestimmte Tradition fortlebt, sind offenkundig alte, klassische Formen. Der umgekehrte Fall gilt hingegen nicht immer. Man kann nicht über irgendeine Kata mit der Begründung, sie sei alt, beliebige Behauptungen aufstellen. Auch treffen bestimmte Dinge nur auf Teile einer Kata zu. Finden sich beispielsweise mehr oder weniger deutliche kulturelle, religiöse oder energetische Anhaltspunkte in einem bestimmten Abschnitt einer Kata, so wäre es doch vermessen zu behaupten, die gesamte Kata sei hierdurch charakterisiert.

      Die alten Kata sind Botschaften einer Tradition, gewiß auch Träger bedeutender Lehren, die dem modernen Menschen helfen können, die Welt besser zu begreifen und ein besseres Leben zu führen. Aber dieses in ihnen verborgene Wissen offenbart sich erst dem, der dazu „bereit“ ist, und dies geschieht dann in Gestalt von flüchtigen Eingebungen, die mehr oder weniger häufig auftreten. Nach und nach stellt sich so eine neue Wirklichkeitssicht ein. Die Bewegungsfolgen und Körperhaltungen einer klassischen Kata so genau wie möglich zu kennen und zu üben, führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, die zweite Stufe des Verständnisses zu erreichen, das heißt, die traditionelle Botschaft zu erkennen, die in der Bewegungsfolge enthalten ist. Die erste Stufe des Verständnisses der Kata – das „äußere“

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