Koshiki Kata. Roland Habersetzer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Koshiki Kata - Roland Habersetzer страница 8

Автор:
Серия:
Издательство:
Koshiki Kata - Roland Habersetzer

Скачать книгу

geistig zu erfassen, sind nicht völlig voneinander unabhängig, sondern stellen parallele Prozesse dar. Beide müssen behutsam und ohne Vorurteile angegangen werden. Die Teile des auf diesem Weg erlangten Wissens sind mit den Scherben eines alten Tongefäßes vergleichbar. Fügt man sie voreilig zusammen, kann es geschehen, daß manche Scherbe verkehrt eingesetzt wird. Und beim vorschnellen Versuch, die alten Farben aufzupolieren, ist schnell das ganze Bild verfälscht.

      Es ist ein mühseliges Unterfangen, das Studium der klassischen Kata zu beginnen. Es gibt keine wirklich vertrauenswürdigen alten Dokumente über sie, und ihr Weg durch die Zeit stellt einen langen Erosionsprozeß dar. Es lauert die Gefahr falscher Entdeckungen, die neue Irrtümer nach sich ziehen und am Ende den gerade noch sichtbaren Pfad vollkommen vernebeln könnten. Das Risiko, den klassischen Kata irreparablen Schaden zuzufügen ist groß, wenn man versucht, sie übereilt aus zerbrechlichen Fragmenten zu rekonstruieren.

      Immerhin: noch existieren diese Fragmente, und dies zu zeigen, werde ich in diesem Buch versuchen. Zunächst war es mir jedoch wichtig, vor den Gefahren zu warnen und anzuregen, die Dinge mit Bedacht zu betrachten. Es wäre nicht im Sinne des Autors, wenn jemand dieses Werk in der Absicht verwendete, eine neue Variante einer bestimmten Kata zu lernen, um dank ihrer exotischen Couleur für einen Moment vor anderen glänzen zu können.

      Die Kata, die über Generationen hinweg von den Meistern weitervermittelt wurden, stellen eine Art Bildsprache dar. Sie scheinen einfach verständlich zu sein, wenn nicht sogar einfach zu praktizieren. In Wirklichkeit ist ihre Sprache eher dunkel, was sich dem Praktizierenden aber erst allmählich erschließt, und zwar entsprechend seiner Fertigkeit, den „Code“ der Kata zu entschlüsseln. Die Schöpfer der Kata haben zweierlei beabsichtigt. Zum einen sind die Kata eine Art Grammatik der Karate-Kampftechniken. Dies ist die erste Ebene der Interpretation, des Begreifens und der Anwendung. Auch hier gibt es natürlich Abstufungen, wie wir später sehen werden, wenn verschiedene Bunkai zu ein und derselben Technik dargestellt werden. Zum anderen ist die Kata ein Weg der Initiation, ein Leitfaden, der das Bewußtsein zu einem „anderen“ Zustand führt, was im Satori13 gipfeln kann, dem inneren Erwachen, dem „dritten Auge“. Das ist der Grund, weshalb es sehr gut möglich ist, eine Kata zu „kennen“ (und damit zufrieden zu sein) und doch von ihrem Wesen nicht das geringste zu wissen. Das, was man von der Kata sieht und die Art, wie man sie meistens ausführt, sind nichts als die Spitze des Eisbergs. Wie jedoch läßt sich der Rest erkunden? Dafür sollen im weiteren einige Anregungen vermittelt werden.

      Die klassischen Kata14 haben allesamt eine chinesische Tao zum Ursprung.15 Sie alle tragen – mehr oder weniger deutlich – die Prägung des chinesischen Denkens und des antiken chinesischen Weltbildes. Im alten China glaubte man, daß die Struktur des Mikrokosmos eine Einheit mit der Struktur des Makrokosmos bildet, und man glaubte, daß jedes Wesen und jedes Ding das augenblickliche Ergebnis eines Gleichgewichts entgegengesetzter Kräfte ist, des Yang (positives Element) und des Yin (negatives Element). Andere Gegensatzpaare waren das Volle und das Leere, das Licht und der Schatten oder das Offensichtliche und das Verborgene. Die Tao und schließlich auch die aus ihr entwickelten Kata trugen ebenfalls diese Idee der Dualität, die hinter der Erscheinung steht, in sich: Jedem Angriff entspricht eine Verteidigung, jede Aktion ist mit einer Reaktion verknüpft, jeder sichtbaren Technik wohnt eine nicht offensichtliche Technik (ihre Weiterführung) inne, jede Interpretation trägt mindestens eine weitere, verborgene Bedeutung in sich … Das ist nicht weiter verwunderlich, berücksichtigt man, daß jene Männer (manchmal auch Frauen, wie z. B. im Wingchun-Stil des Wushu), die diese Kodifizierung der Bewegungsfolgen ersannen, weit über dem durchschnittlichen kulturellen Niveau ihres Zeitalters standen. Unter ihnen waren Gelehrte und Mönche, für die es undenkbar gewesen wäre, nach außen gerichtete Effektivität zu erlangen, ohne zugleich inneres Gleichgewicht zu finden. Die Menschen imitierten die Haltungen zorniger Götter oder kämpfender Tiere, um deren Kraft zu gewinnen. Das traditionelle chinesische Denken, genährt durch religiöse, philosophische und kosmogonische Elemente, führte dazu, daß sie zugleich danach strebten, einen Weg der inneren Suche nach sich selbst zu beschreiten, was später zum Hauptzweck ihres Strebens wurde.

      Doch der Lauf der Geschichte sollte dies ändern. Völker fanden sich vor die Notwendigkeit gestellt, gegenüber Eindringlingen um ihr Überleben zu kämpfen. Das kulturelle Umfeld wandelte sich, was dazu führte, daß die Interpretation ein und derselben Bewegung, die äußerlich dieselbe geblieben war, sich änderte. Menschliche Irrtümer schlichen sich ein. Auf diese Weise geschah es, daß im Lauf der Zeit die primäre Bestimmung der Tao bzw. Kata die Oberhand gewann, ihre Eignung für den Kampf. Im 20. Jahrhundert begann sich diese Tendenz zu verstärken, eine Entwicklung, die neuen Schwung erlangte, als die Kampfkunst auf das Gebiet des Sports übertragen wurde, mitsamt den zwangsläufig damit verbundenen Anpassungen.

      Foto 1

      Foto 1 und Grafiken unten: Das Foto zeigt eine im Original farbige Holzstatue im Shanhua-Kloster von Datong und Malereien im Nanshansi-Tempel im Wu-taishan-Gebirge (China).

      Die himmlischen Wächter schwenken eine sehr altertümliche Waffe, die Wurfscheibe aus Metall (Messerscheibe), die von den Völkern des alten Indien stammt. Ihre Körperhaltung nimmt bestimmte Bereitschaftshaltungen (Kamae) vorweg, die Bestandteil chinesischer Tao und alter Kata sind. Vergleichbare Statuen findet man bereits in Indien unter den Namen Vajrapani oder Vajradhara, und ihre Bereitschaftshaltungen finden sich in der indischen Kampfkunst Vajramushti wieder. Indem man zornige Gottheiten nachahmte, erhoffte man sich, vergleichbare zerstörerische Energien – auf Menschenmaß reduziert – entfesseln zu können.

      Foto 2

      Foto 2: Kongo rikishi (Tempelwächter), eine bemalte Holzstatue aus dem Japan des 13. Jahrhunderts (Nationalmuseum von Kyôto). Man findet solche Wächter an den Eingängen buddhistischer Tempel. Sie werden immer paarweise aufgestellt, einer der Wächter repräsentiert dabei das positive Prinzip (Mushaku rikishi), und der andere das negative (Kongo rikishi). Für gewöhnlich werden sie grün bzw. schwarz bemalt. Neben dem offenkundigen Zurschaustellen von Muskelkraft sollen sie auch die kosmische Energie und den Dualismus der Kräfte Yin und Yang symbolisieren. Die Ähnlichkeit der Haltungen der alten indischen, chinesischen und japanischen Wächterstatuen (Grafiken S. 30, Fotos 1 und 2) ist bemerkenswert, vor allem, wenn man berücksichtigt, daß sie Jahrhunderte und zudem tausende Kilometer voneinander entfernt entstanden sind. Beachtenswert ist ebenfalls, daß man die Haltung der Statuen auch so interpretieren kann, daß sie die Stellung des Menschen zwischen Himmel und Erde verdeutlichen – eine Hand ist erhoben, die andere weist zum Boden. Somit verkörpern sie bereits den Dualismus zwischen der „Vorderseite“ (Omote, das Sichtbare) und der Rückseite“ (Ura, das Interpretierte) in ein und derselben Erscheinungsform.

      Foto 3

      Foto 3: Tôguchi Seikichi Sensei vom (Shôrei kan) beim Vorführen der Kata Seienchin (Gôjû ryû). Die Haltung ist eine menschliche Interpretation eines himmlischen Wächters, wie sie auf den Grafiken auf S. 30 und auf den Fotos 1 und 2 zu sehen sind, und sie kann auf die gleiche Weise gedeutet werden. Die Koshiki Kata des Karatedô enthalten philosophisch-religiöse

Скачать книгу