Koshiki Kata. Roland Habersetzer

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Koshiki Kata - Roland Habersetzer

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der Tao bzw. Kata als Mittel der Initiation geriet rasch ins Hintertreffen. Ein Grund hierfür ist darin zu finden, daß eine solche Bestimmung ungeeignet für die Erziehung von Massen ist, die entweder zu ungebildet oder in ihrer Aufmerksamkeit durch verschiedene Einflüsse zu zerstreut sind. Ein weiterer Grund ist, daß die häufige Weitergabe der Formen durch die Meister an ihre Schüler die in den Bewegungsfolgen verborgene Botschaft rasch verblassen ließ. Meister wie Schüler waren stets Menschen, und nicht immer leitete ein höheres Interesse ihre Taten. Heute ist die Unwissenheit über diese „andere“ Seite der Tao bzw. Kata sehr groß, selbst in China oder Japan. Somit haben wir, die praktizierenden Europäer oder Amerikaner, eine gute Entschuldigung, waren wir doch lange Zeit auf das angewiesen, was uns die zeitgenössischen „Meister“ des Ostens als Orientierung für unsere Suche vorgaben. Erst später haben wir erkannt, daß diese Orientierung, von nahem betrachtet, oberflächlich, unbefriedigend oder, schlimmer noch, geradezu armselig war. Unsere Sehnsucht blieb. Tatsächlich nahm ein großer Teil des neuerwachten Interesses für die Kata als Weg der inneren Suche im Westen seinen Ausgang. Die Wegbereiter im Fernen Osten, auf solche Weise an ihre Verantwortlichkeit erinnert, waren nicht immer in der Lage, dieser Form der Wißbegierde zu begegnen. Diese Überlegung ist kein Ausdruck fehlender Bescheidenheit oder mangelnden Urteilsvermögens. Sie ist nichts als eine formale Feststellung: Sogar in Japan und in China gibt es nur wenige wahre Meister, die in der Lage sind, derartige Anforderungen zu erfüllen. Hinzu kommt, daß einige von ihnen dies auch gar nicht wünschen. Die Gründe hierfür sind oft nicht schwer zu verstehen: Man darf bezweifeln, daß ihre Bemühungen in der gegenwärtigen Welt der Kampfkünste ein nennenswertes Echo erfahren würden.

      Es ist bekannt, daß der Begriff „Kata“ als „Form“ oder „Gußform“ übersetzt werden kann. Wer die Kata respektiert, kann sich durch sie „formen“ lassen, denn die Kata ist sehr wohl ein auf den Körper übertragbares Schema. Die in ihr verschlüsselten Bewegungsfolgen, durchdrungen von einem bestimmten Geisteszustand, sind für zwei Arten der „Bildung“ vorgesehen: Auf der ersten Ebene dienen sie der äußeren Bildung, der Vorbereitung auf den Kampf; auf der zweiten Ebene dienen sie der inneren Bildung, der Selbstfindung. Die Kata mag einfach oder kompliziert wirken, lang oder kurz sein, immer jedoch regt sie das Streben nach Vervollkommnung an. Nur dank dieses Strebens kann man darauf hoffen, daß sich das Ergebnis einstellt, für das man sich letzten Endes den Zwängen der Kata fügt. Alles muß ergründet werden: die Automatismen, die Phasen, in denen sich die Kraft konzentriert, und die Rhythmen. Man muß nach vollendeten Bewegungsfolgen und nach einem perfekten Zusammenwirken von Körper und Geist streben. Alles muß daran gesetzt werden, den Körper zu einer vollkommenen Waffe werden zu lassen, aber gleichzeitig muß man lernen und akzeptieren, daß diese Waffe nie zum Einsatz kommen wird. Dieser scheinbare Widerspruch – ein weiteres Beispiel für das dualistische Prinzip – bewirkt mit der Zeit (die hierbei ein wesentlicher Faktor ist) eine Evolution des Geistes. Durch unermüdliches Wiederholen der Kata den „Geist zu schmieden“, ist ein Ausdruck, der auf der ersten Ebene eine kriegerische Bedeutung innehat: lernen, mit starkem Geist zu kämpfen. Auf einer zweiten Ebene, die die erste ablösen sollte, geht es um die Suche nach jenem inneren Zustand, der oft als „leerer Geist“ charakterisiert wird und der die Quelle der wirklichen Effizienz darstellt, nach der alle Künste des Fernen Ostens streben. Wird eine Kata auf höherem Niveau ausgeführt, so muß dies ohne Angriffslust oder Verteidigungsbereitschaft erfolgen, ohne einen bestimmten Seelenzustand, ohne eine bestimmte Absicht, ohne Selbstgefälligkeit, ohne Furcht, einzig und allein mit Kraft und Bestimmtheit, die auf kein Ziel gerichtet sind.

      „Leerer Geist“ (Mushin) bedeutet nicht die Abwesenheit des Geistes, sondern einen bestimmungslosen und dennoch präsenten Geist. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch inneres Gleichgewicht; Energieflüsse werden freigesetzt und mit vollendeter Gelassenheit gesteuert. Hinter diesem scheinbar unbeweglichen Geisteszustand verbirgt sich die wahre Effektivität. Um dies mit einem Bild zu verdeutlichen: Ein Kreisel ist genau dann effektiv (das heißt, er erfüllt den Zweck, für den er geschaffen wurde), wenn seine Achse unbeweglich ist und er sich zugleich mit voller Geschwindigkeit dreht.

      Es ist in jedem Fall wichtig, die Arten der Kata, die uns überliefert wurden, nicht miteinander zu verwechseln. Eine Kata kann im Laufe der Zeit stark modifiziert worden sein. Dennoch wird vom Ursprünglichen noch einiges in ihr enthalten sein. Und ebendies ermöglicht uns zu erkennen, was einst die wahre Natur dieser Kata gewesen ist.

      Das kriegerische Element durchdringt jede Kata, und es ist ihr offensichtlichstes Merkmal. Dies gilt zumindest für Teilabschnitte, oft aber für die Gesamtheit der Bewegungsfolgen. Der erste Zweck einer Kata besteht darin, den Praktizierenden das Kämpfen zu lehren, und dies auf eine sehr pragmatische Weise. Dabei darf jedoch niemals vergessen werden, daß in die Kata der Geist, die Erkenntnisse, die Strategien und das technische Rüstzeug der Epoche, in der sie entstanden ist, eingeflossen sind. Manch einer wird sich fragen, was von diesen Kenntnissen heute noch Gültigkeit besitzt. Schließlich verfügen wir gegenwärtig über ein weit umfassenderes Wissen. Wir können Kampfkünste, die aus der ganzen Welt stammen, miteinander vergleichen. Das Ergebnis ist eine völlig neue Kategorisierung der Kampftechniken. Heutzutage kann ein Champion seine Titel gewinnen, ohne daß er sich zugleich mit Kata abmüht. Das ist häufig der Fall. Wie steht es nun um die tatsächliche Effektivität der Techniken der Kata?

      Im Karatedô ist die Erscheinungsform einer Kata nicht die gleiche wie die des Kumite, selbst wenn beide offenkundig über die gleichen Grundlagen und über eine Anzahl gemeinsamer Techniken verfügen. Die Kata repräsentiert eine fiktive Situation, in der sich der Kämpfende in einer schier aussichtslosen Lage befindet. Er muß dabei mit mehreren Gegnern kämpfen, die ihn von allen Seiten angreifen. Dies ist eine Situation, in der es um Leben oder Tod geht. Aufgrund der Wiederholungen und der Automatismen der Kata gelangt der Praktizierende jedoch oft in einen Zustand, in dem eine Art zweite Natur in ihm erwacht, die es ihm gestattet, eine „Energie der Verzweiflung“ zu mobilisieren. Ein aktiver, doch zugleich gelassener Geisteszustand ermöglicht es ihm, diese Energie zu kontrollieren. Aus alledem ergibt sich eine potentielle Wirksamkeit, die jedoch nie tatsächlich überprüft werden kann, da solch eine Situation in der Praxis für gewöhnlich nicht auftritt. Die Kata muß perfekt beherrscht werden, aber diese Perfektion dient zu nichts anderem, als den Geist zu „polieren“, indem der Körper trainiert wird. Man begreift nun, daß die öffentliche Vorstellung einer Kata zu dem einzigen Zweck, einen Titel bei Kata-Meisterschaften zu gewinnen, tatsächlich keinerlei Sinn hat für denjenigen, den Funakoshi Gichin als „Mensch des Weges“ bezeichnete.

      Das Kumite zu Ausbildungszwecken, wie das Ippon- oder das Sambon-Kumite, ist der Kata verwandt, vor allem unter dem Aspekt, daß es der Kontrolle über das Selbst ebenso verpflichtet ist wie diese. Hingegen stellen das freie Kumite (Kampf) und – schlimmer noch – das von Schiedsrichtern geregelte Shiai (Wettkampf) unmittelbare Konfrontationen dar, bei denen es um die Bestätigung „hier und jetzt“ geht, daß einer der Kämpfenden besser sei als der andere. Dieses Ziel ist ebenso präzise wie beschränkt, es ist frei von darüber hinausgehenden Ambitionen. Es geht den Kämpfenden ausschließlich darum, nach den gegebenen technischen Regeln zu gewinnen, und dies im Sinne eines Spiels (auch wenn dieses Spiel durch Gewalt geprägt ist). Das ist der Grund, weshalb Kumite und Kata nicht wirklich zwei Seiten ein und derselben Medaille darstellen. Es scheint naheliegend zu sein, sich die Frage zu stellen, ob es denn tatsächlich notwendig sei, sich mit den eintönigen Wiederholungen einer Kata abzuplagen, um schnell die für den Kampf erforderliche Effektivität zu erlangen. Schließlich scheinen die in der Kata enthaltenen Techniken nicht an die Entwicklungen und Abläufe, wie sie in einem modernen sportlichen Wettkampf auftreten, heranzureichen. Doch dies ist in Wirklichkeit ein Trugschluß, der auf einer oberflächlichen Betrachtungsweise der in der Kata zu erkennenden Techniken beruht.

      Wie bereits weiter vorn erwähnt, bieten alle

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