Kālī Kaula. Jan Fries

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Kālī Kaula - Jan Fries

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Antlitz wurde schwarz, sie verfluchte ihren Vater, das Fest und die Opfergaben, und zuletzt verbrannte sie sich selbst in yogīschem Feuer. Sie verschloss die neun Tore ihres Körpers, ihr Geist wurde zu Feuer, ihr Körper brach zusammen, und ihr befreiter Geist entschwebte. Dann betrat Śiva die Szene. Als er seine Frau tot sah, durchfuhr ihn rasender Zorn und manifestierte Dämonen, Monster und böse Geister. Kreischend vor Freude fielen sie über den heiligen Boden her. Sieh Śiva in seiner Wut! Die Gäste schrien, als ihre Opfer zerstört, verbrannt, zertrampelt, ausgelöscht, geschändet wurden, und Dämonen auf den Tischen tanzten. Mit einem Schlag enthauptete Śiva den Vater seiner Braut. Er nahm den Kopf einer Opferziege und steckte ihn auf Dakṣas Hals, so dass Dakṣa von jenem Tage an so aussieht wie der Bock, der er wirklich war. Dann wurde das Heiligtum zerstört, ganz und gar zerstört, und nichts blieb, wie es war. Und Śiva hob den Körper seiner Frau auf. Ihre Leiche tragend, taumelte er vom Ort der Verwüstung und Vernichtung fort und kehrte in die Einsamkeit der Berge zurück.

      Großes Übel befiel die Welt. Wie jemand, der von Sinnen, sprachlos und wahnsinnig ist, ging Śiva in Einsamkeit dahin, den toten Leib seiner Gefährtin auf den Schultern. Zwischen den frostigen Gipfeln der höchsten Berge, entlang der eisverkrusteten Ränder der größten Flüsse und in der Dunkelheit des Bergwaldes, zwischen Kiefern, Fichten und Rhododendron. Wo immer er ging, fielen seine Tränen nieder, und er fand keinen Ort, um den Körper seiner Frau zur Ruhe zu betten.

      Bald begannen sich die Götter zu sorgen. Wenn Śiva weg war, was würde nun aus ihnen allen werden? Götter haben Verpflichtungen; sie müssen die Gebete ihrer Verehrer anhören, sie müssen Opfergaben entgegennehmen und denjenigen, deren Karman reif ist, Glück und Befreiung gewähren. Sie müssen die Ordnung der Welt erhalten und die dämonischen Asuras unter Kontrolle halten. Viṣṇu allein war zu der Arbeit nicht imstande, und Brahmā konnte nur wenig Beistand bieten. So gingen die Götter zu Śiva und baten ihn, den Körper seiner Frau zurückzulassen. Doch Śiva war so vom Kummer überwältigt, dass er sie nicht verstehen konnte. Er wollte nicht wahrhaben, dass seine Frau tot war und verweste, er kümmerte sich nicht um seine Verehrer oder um die kosmische Ordnung, noch wollte er den Devas zuhören.

      So schmiedeten die Götter einen klugen Plan. Wenn Śiva jeden Tag umherwanderte, die Leiche von Satī auf seinem Rücken, saß Viṣṇu im Hinterhalt. Wann immer der Gott des Tanzes von Tränen überwältigt wurde, warf Viṣṇu sein Cakra. Der Diskus jagte schneller als ein abgeschossener Pfeil durch die Luft, schneller als ein Lichtstrahl, und schnitt ein Glied von Satīs Leiche ab. So wanderte Śiva, aber mit jedem Tag wurde seine Last leichter. Tag für Tag zog er seine Runde durch Indien, und jeden Tag fiel ein Teil der Göttin ab und in Vergessenheit. Das Gesicht der Göttin fiel auf Kāśī, die Yoni auf Kāmarūpa, ihre Füße auf Devīkūṭa, ihre Hüften auf Uḍḍīyāna; in 108 Teile wurde ihr Körper zertrennt. Jeder Teil der Göttin wurde zu einem geweihten Ort (Pīṭha), einer Stätte der Verehrung, einem Sitz der Macht, und einem Pilgerziel, an dem sich Bewusstsein und Energie manifestieren. Schließlich wurde Śivas Schritt wieder fest, und sein Blick klärte sich. Er sah das weite Land Indiens unter seinen Füßen, die majestätischen schneebedeckten Berge im Norden, die ockerfarbenen Wüsten im Westen, die Dschungel und Sümpfe im Osten und den funkelnden blauen Ozean im Süden, wo Inseln wie Smaragde lagen und Wale in den Wellen spielten. Śiva hielt inne und staunte. Der Bann war gebrochen, Satī war gegangen, aber überall im Land waren heilige Stätten aufgetaucht. Wo immer ein Teil von Satī herabgefallen war, lud ein Pīṭha die Pilger, Einheimischen und Asketen zur Verehrung der Göttin ein, die ganz Indien geworden war. Man sagt, dass 108 heilige Stätten aus den Teilen von Satī geboren wurden, doch für diejenigen, die Augen haben, um zu sehen, erstreckt sich die Göttin über das ganze Land. Satī, weit davon entfernt, tot zu sein, war zur Gänze der Welt geworden.

      Ewigkeiten vergingen. Dynastien begannen und endeten, große Königreiche entstanden und fielen wieder der Vergessenheit anheim, Asuras und Devas bekämpften sich, und das Leben ging weiter wie immer. Śiva, an Einsamkeit gewöhnt, ging oft in die großen Berge, um die kalte frische Luft zu genießen, die funkelnde diamantene Schönheit der Schneefelder, und das sanfte Wachstum sich wiegender Birken in Höhen, in die nur wenige Menschen gingen. Hier im Land der Moschushirsche, Bergziegen und Schneeleoparden fand der Herr der Asketen seinen inneren Frieden. Wann immer er konnte, stieg Śiva auf seine geliebten Höhen, um die Welt und sich selbst zu vergessen. Nun hat der Himalaya einen König, den Herrn der Berge Himavat (Schneeberg). Er ist der Herrscher der Höhen und der großzügige Spender von Wasser. Von seinem Hof entspringen die großen Flüsse – Flüsse, die den Bewohnern der Ebenen Leben und Nahrung spenden. Und Himavat hatte eine Tochter. Ihr Name war Pārvatī (Berggeborene), und anders als die meisten Götter und Göttinnen liebte sie lange Wanderungen durch einsame Täler und auf Berggipfel. Eines Tages traf Pārvatī Śiva. Der Herr der Asketen saß auf einem Tigerfell, nackt bis auf die Perlenschnüre und Schlangen, die um seinen Hals und Arme geschlungen waren, seine halbgeschlossenen Augen erfüllt von der Weisheit des Unbeschreiblichen. Pārvatī sah Śiva und fühlte, wie ihr Geist in Stücke brach. Vor langer, langer Zeit war sie Gaurī gewesen, dann Satī, und die Erinnerung brach in ihr Bewusstsein wie die Lawinen, die im Sommer die Hänge herabstürzen. Scheu näherte sie sich Śiva und sprach ihn an. Śiva war jedoch weit außerhalb seiner selbst und hörte sie nicht. Pārvatī sprach noch einmal, sie kam näher, sie berührte den Asketen, und noch immer konnte sie seine Trance nicht unterbrechen. Śiva blieb unbeweglich wie eine Säule aus Stein, unaufmerksam, mit dem abwesenden Ausdruck eines Wesens, das nach innen gewandt ist. Pārvatī gab jedoch nicht auf. Die Tochter der Felsen sandte einen Ruf, ein Gebet an Kāma (Begierde), den Gott der Lust, Liebe und des Verlangens, jener alte Wesenheit, die die Schöpfung selbst hervorgebracht hatte. Kāma erschien sofort und lachte. Hier saß der Herr der Asketen, nicht ahnend des Schicksals, das Karman für ihn bestimmte. Was für ein Ziel! Das war genau die Art von Spaß, die Kāma suchte. Schnell erhob er seinen Bogen aus Blumen. Er zielte mit den fünf Pfeilen der Sinne. Er murmelte einen Mantra und schoss.

      In diesem Moment erwachte Śiva. Sein drittes Auge der Absoluten Wirklichkeit öffnete sich, das Auge, das Ignoranz, Verwirrung und Verblendung zerstört. Das Feuer der Wahrheit ließ Bogen und Pfeile in Flammen aufgehen. Sein Blick traf Kāma, und Kāma sagte ‘Autsch!’ und löste sich auf. Wie ein feiner Ascheregen rieselte der Gott des Verlangens und der Lust auf den Boden und war nicht mehr.

      Dann sah Śiva Satī, und als ihre Augen sich begegneten, kehrte die Erinnerung zurück. Sie erkannten sich, und in diesem zeitlosen Moment hielt die Welt den Atem an. Dann erschienen die anderen Götter. Götter sind normalerweise neugierig, und wenn etwas Ungewöhnliches geschieht, sind sie gern dabei, und wenn auch nur, um zu lachen. Der Anblick von Śivas und Pārvatīs Wiederkennen – ja, das war eine gute Neuigkeit! Aber was war das? Was war das für ein jämmerlicher Aschenhaufen auf dem Boden? Die Götter erkannten es, und Tränen begannen aus ihren Augen zu fließen. Hier war die Asche des Verlangens, der Lust und der Liebe. Vergangen war der Gott, dessen niemals endender Charme das Universum in Bewegung gehalten hatte. Rati (Wollust), seine Frau, kam zuerst wieder zu Sinnen. ‘Du hast ihn umgebracht!’ schrie sie Śiva an.

      ‘Entschuldigung, ich habe nicht gesehen, wer er war’, erwiderte der Gott der Asketen. ‘Das war nur ein Unfall …’

      ‘Na gut, dann lass ihn wieder auferstehen’, erwiderte Rati, und die anderen Götter stimmten zu, da sie sich vor einer öden, langweiligen Welt ohne Verlangen und Lust grausten. Śiva zuckte die Schultern. Er richtete seinen Blick auf den Aschenhaufen und ließ die Illusion der Begierde in die Welt zurückkehren. Und Kāma erhob sich, wiedergeboren aus der Asche der Enttäuschung und dem Blick des Allsehenden. Aus Śivas Ojas (Vitalität) wurde Kāma wiedergeboren, vibrierend vor Leben und froh, die Welt erneut zu umarmen. Und Kāma lachte. Von allen Göttern wusste er am besten, was jetzt kommen würde. Śiva sah Pārvatī an, und Pārvatī sah Śiva an, ihre Augen trafen sich, und Verlangen erwuchs zwischen ihnen. Als die Götter gingen, umarmten sich die beiden immer noch. Sie hatten die Ewigkeit, um sich zu vereinigen.

       Anmerkung für Neugierige:

      Diese

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