Der falsche Schah. Leonhard F. Seidl

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Der falsche Schah - Leonhard F. Seidl

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verstanden hat: „Ich werde dir eine Suppe kochen, auf der sich zwei Handspannen Öl befinden.“ Und weiß, dass das eine Drohung ist.

      „Wo befindet sich Ihre Majestät, Farah Diba?“, fragt der König, nicht zu schnell und nicht zu langsam.

      „Die Schahbanu ist in Sicherheit“, sagt der Kleine, ein bisserl zu schnell.

      „Oder ist sie etwa hier drin verborgen?“ Der König zeigt auf eine wuchtige Figur, die in der Ecke steht. Mit einem zerklüfteten, von Streifen durchzogenen Holzgesicht und einer Art Krone, dem Messer des Rades nicht unähnlich. Auf einem massigen Korpus aus Stahl, vernietet, zusammengeschweißt, zwei Griffe zum Öffnen: die eiserne Jungfrau.

      „Öffnen Sie! Sofort!“, befiehlt der König.

      Der Lehrling springt, macht auf. Quietschend kommen Eisenstacheln zum Vorschein. Als hätte man einen Seeigel in der Mitte auseinandergerissen und sein Inneres nach außen gekehrt. Was man eben auf gar keinen Fall machen soll, das hat der König im Laufe seines Lebens gelernt: sein Inneres nach außen zu kehren.

      „Wenn Sie mir jetzt nicht unverzüglich mitteilen, wo sich Ihre königliche Majestät, die Kaiserin von Persien, befindet, dann werden Sie da drin …“ Er macht eine kunstvolle Pause, schwingt mit Finger und Arm wie ein Dirigent des Todes und zeigt wieder auf die Eiserne Jungfrau. „… da drin Platz nehmen!“ Dann geht er zu einem riesigen Kürbis, der auf einem Schemel abgelegt wurde, in einer Ausbuchtung der steinernen Wand, unter einem gemauerten Rundbogen. Wahrscheinlich liegt der Kürbis noch vom letzten Herbst da, Halloween hat’s ja damals noch nicht gegeben. König deutet darauf und sagt: „Wissen Sie, was das ist?“

      Der Kleine kriegt auf einmal so einen verträumten Blick, einen Glotzer, dass sich der König fragt, ob er was Falsches gesagt hat. Dann fällt ihm ein, warum. Er brüllt: „Kaka Kadu vielleicht?“

      Der Kleine zuckt zusammen, seine Mundwinkel beben. Bei dem Großen bewegt sich lediglich ein Haar an der Augenbraue, unter seiner kahlrasierten Glatze.

      Du musst wissen, dass Kaka Kadu persische Pfannkuchen sind, die mit Feigen und Zucker gegessen werden. Aus Kürbispüree und einem Hauch von Rosenwasser und Kardamom. Gebrutzelt werden die, ähnlich wie die Reiberdatschi, Baggers, Kartoffelpuffer, zu denen wir in einem der nächsten Kapitel noch kommen werden, wenn ein anderer arischer Führer Rothenburg besucht. Kaka Kadu kommen aus dem Norden des Iran, aus Gilan, wo der Kleinere herstammt und in den Reisfeldern umhergestreift ist wie der König unter den Apfelbäumen. Nur, dass man aus Äpfeln kein Mehl, wie aus Reis, machen kann – und daraus wiederum Kaka Kadu, die dem Kleinen seine Großmutter immer gemacht hat –, sondern Apfelmus, zum Kaiserschmarrn.

      „Nehmen Sie den Stuhl“, sagt der König zu ihm.

      Der Kleine rennt zum angewiesenen Barhocker, nimmt ihn.

      „Und stellen ihn in die Eiserne Jungfrau!“

      Er schaut ihn fragend an. Versteht nur Bahnhof, weil er noch so jung ist und bei Jungfrau natürlich an ganz was anderes denkt.

      „Da rein!“

      Er tut, wie ihm befohlen.

      Der Größere schaut wie versteinert zu.

      „Und jetzt den Kürbis.“

      Er nimmt ihn mit einer fahrigen Bewegung, lässt ihn fast wieder fallen.

      „Vorsicht!“

      Umfasst ihn fester.

      „Auf den Stuhl.“

      Er kraxelt auf den Hocker. Rutscht ab. Der Kürbis fällt runter. Er schaut zum König. Zu seinem Kollegen. Hebt den Kürbis auf. Schafft es irgendwie, samt Kürbis auf den Barhocker zu klettern. Schnauft rasant, sein Brustkorb hüpft auf und nieder.

      „Neeeiiiin“, sagt der König langsam, souverän, fast flüsternd, zeigt majestätisch auf den Kleinen.

      Dem seine Füße schlackern und man sieht, wie er versucht, seinen Hintern anzuspannen, damit man nicht sieht, wie sie schlackern.

      Der König sagt: „Runter!“

      Der Kleine macht eine Kniebeuge, bis zu den Fersen. War da soeben ein Grinsen auf dem gehässigen Mund des Großen?

      „Treten Sie herunter!“, befiehlt der König.

      Zackig hüpft der Kleine runter auf die Fliesen. Die Haxen knicken ein. Schmerzverzerrter Gesichtsausdruck. Der Kürbis hüpft davon. Unterdrücktes Stöhnen. Versuch, stramm zu stehen.

      „Den Kürbis!“

      Dem Kleinen seine Augen folgen dem König seiner Hand. Der malt mit seinem Zeigefinger Kreise, vom Boden bis zur Decke, weil es gar so schön ist; und der Kleine folgt mit seinem Blick. Als hätt der König einen glühenden Stecken in der Hand und würd damit in der Dunkelheit bunte Bilder malen. Der Kleine schwankt und der König weiß, dass der Kleine gelernt hat zu gehorchen, und sagt, wieder ganz langsam: „Guuuut.“

      Was dem Kleinen ein entspanntes Lächeln auf die Lippen zaubert.

       Ernennung zum Oberst

      Wie so oft in den Rothenburger Gassen, hat an einem heißen Sommertag ein Krieg zwischen den Christen- und Judenkindern getobt. Ganz in der Nähe der Judengasse 10, wo im Mittelalter die Juden in der Mikwe, einem Tauchbad, die Treppen runtergestiegen sind, um sich im Wasser zu reinigen. Jetzt sind sich da zwei Banden auf dem Schulhof der Jakobsschule, wo der Vater vom König Direktor gewesen ist, gegenübergestanden. Aufgehetzt vom Kirchenvater Augustinus und der schiefen Auslegung der Bibel. Die Tauben auf dem Dachfirst und auf den kleinen Fenstern mit Dacherl waren die einzigen Zeugen, faul von der Hitzen haben sie nicht einmal gegurrt, sondern nur hin und wieder auf die Schule geschissen.

      Das Peterle, seines Zeichens Sohn des Stadtbauers Adalhard Mohrenstecher und der Stadtbäuerin Hannahle, hat den Angriff wie ein Feldhauptmann gestartet und die jüdischen Nachbarskinder aus seinem großen Maul angebrüllt als würd er sich jetzt schon auf das abgemagerte Tausendjährige Reich einstimmen: „Ihr Jude, ihr hebt den Heiland ans Kreiz gschlooche!“

      Die heiße Luft hat über dem Kopfsteinpflaster gezittert.

      Der König steht, wie immer, zwischen den Fronten, weil er in beiden Schützengräben Spielkameraden gehabt und die Bibel genau studiert hat. Und da drin ist eindeutig gestanden, dass dem Jesus sein Tod und seine Auferstehung passiert sind, um die Schuld aller Menschen auf sich zu nehmen. Die große, allumfassende Versöhnung. Auch wenn der König nicht wirklich daran geglaubt hat, weil er jeden Tag das Gegenteil gesehen hat; wie jetzt eben auch wieder.

      „Mir?“, hat der Isaak zurückgebrüllt, dass seine schwarzen Locken nur so gewackelt haben. „Mir? Naa, do weiß i nix! Des misse die draußen von der Adam-Hörber-Straße gwese sei!“

      Das Peterle ist auf den Isaak zugegangen, seine Kreuzritter sind nachgerückt wie ein kampfeshungriges römisches Heer. Weil der König nicht gewusst hat, was er tun soll, hat er sich angesichts der drohenden Blutsuppe innerlich gewunden wie der Turm der Schule vor ihm. Zu seinem Glück ist aus der Jakobsschule eine eindringliche, befehlende Stimme gedrungen.

      Der Bladdntoni, der Bauer von der Frankenhöhe,

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