Cantata Bolivia. Manfred Eisner
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Großes Palaver brandet auf, nachdem Bruder Abelardo übersetzt hat. Als er Bruchstücke davon aufgefangen hat, spricht er einige Worte in Josefs Ohr.
Der reagiert sofort: „Machen Sie sich aber um Ihren eigenen Bedarf an Cocablättern keine Sorgen: Wir lassen ein Cocal mit genügend Pflanzen bestehen, damit Sie sich versorgen können. Allerdings wird es Ihre Aufgabe sein, diese ab sofort in Ihrer Freizeit selbst zu pflegen und auch abzuernten. Der Schieferplattenhof vor der Casa Vieja steht Ihnen dafür allerdings nicht mehr zur Verfügung, denn er wird zukünftig für die Trocknung unserer Kaffeebohnen benötigt. Schaffen Sie sich also vor Ihren Häusern eine eigene Trocknungsfläche. Da wir also den Handel mit Coca einstellen, können wir nicht mehr wie bisher Ihre Überschüsse übernehmen und vergüten. Das gilt selbstverständlich nicht für Ihre anderen Erzeugnisse. Gern werden wir Ihnen Bohnen, Maiskolben, Yuca, Chirimoyas, Guayabas, Mangos, Bananenstauden und andere Früchte, die Sie selbst nicht benötigen, zu gerechten Marktpreisen abnehmen und diese unverzüglich in bar bezahlen.“
Santiago erhebt sich und fragt auf Spanisch, ob er das Wort ergreifen dürfe. Als es ihm gewährt wird, sagt er: „Ist ja alles sehr schön und gut, aber bisher durften wir mit unseren Familien bis ans Lebensende in unseren Ranchos wohnen bleiben, auch wenn wir zu alt waren, um noch für den Patrón zu arbeiten. Wie wird es jetzt sein, wenn wir alt sind und nicht mehr arbeiten können? Wo gehen wir dann hin und wovon sollen wir leben?“ Er wiederholt das soeben Gesagte auf Aymara und erntet damit großes Zustimmungsgemurmel.
„Hermano Abelardo“, antwortet Josef, „der aus Huatajata stammt, wo genau dieselben Arbeitsbedingungen eingeführt und erfolgreich angewendet werden, berichtet uns, dass von jenen freien Peones, die dies ausdrücklich wünschen, ein kleiner Betrag des Gehaltes einbehalten und auf ein Sparkonto bei der Bank einbezahlt wird, damit die Arbeiter für ihr Alter vorsorgen. Deren Arbeitsverträge gelten bis zum 65. Lebensjahr. Danach dürfen sie das ihnen vertraglich zugeteilte Haus mit Landstück weiterhin unentgeltlich bis zu ihrem Tode sowie dem der Witwe weiter bewohnen und wie bisher nutzen.“
Nachdem Bruder Abelardo auch diese Neuigkeiten auf Aymara verkündet hat, bittet er die Anwesenden, eine Nacht über das Angebot zu schlafen. Am nächsten Tag sollen die Landarbeiter zu Einzelgesprächen wiederkommen. Es werden ihnen sämtliche Fragen beantwortet und auch die neuen Arbeitsverträge vorgelesen und übersetzt. Sie könnten diese dann auch mitnehmen und sich mit einem Rechtsanwalt oder Notar beraten. Wenn genügend Kandidaten dies wollten, werde der Patrón einen Rechtsbeistand aus Chulumani herbestellen, damit er ihnen behilflich sei.
Abschließend kündigt Josef an: „Wir werden das Angebot unserer Pulpería, in der Sie wie bisher zu amtlichen Marktpreisen einkaufen können, weiterführen und nach Ihren Anregungen erweitern. Sie können dort, wann immer Sie wollen, Ihre Sonderbestellungen aufgeben. Diese werden ausgeliefert, sobald sie eingetroffen sind. Ich darf auch ankündigen, dass, sobald unser Backofen instandgesetzt ist, wir zweimal wöchentlich backen werden und Ihnen frisches Brot anbieten. Zuletzt habe ich noch eine große Bitte: Seien Sie so gütig und behalten Sie unser heutiges Angebot für sich. Sie können sich vorstellen, dass die Pongos der benachbarten Haciendas sehr neidisch sein werden, wenn sie von den anstehenden Neuerungen erfahren. Es bleibt sicher nicht aus, dass ihre Patrones davon hören und uns deswegen Schwierigkeiten bereiten könnten. Dies möchten wir, solange es nur möglich ist, vermeiden. Also, bitte seien Sie diskret und reden Sie nicht mit Fremden über das, was Sie heute erfahren haben. Hermano Abelardo wird Sie jetzt der Reihe nach auf die Liste für die morgigen Einzelgespräche setzen. Muchas gracias y vayan con Diós!“
Etwa eine Woche später haben bis auf eine Ausnahme alle bisherigen Landarbeiter, Iraya, Santiago, Manuel und Jaime dem Vorschlag des Patrón Don José Rembowski zugestimmt und im Beisein des Notars, Don Fidelio Ramos Mejía, ihre neuen Verträge als sesshafte Peones der Hacienda Guayrapata unterschrieben. Auch sämtliche Saavedramädchen sowie Miguel haben Einzelverträge als Festangestellte erhalten. Der alte Agustín ist ein fast siebzigjähriger Witwer und braucht keinen neuen Vertrag, um in seinem bescheidenen Rancho bis zum Lebensende weiter wohnen zu bleiben. Die 25 Bananos auf seinem Altenteil, die stets volle Stauden der kleinen, sehr aromatisch-süßen Enanos – Zwergbananen – erzeugen, pflegt er dennoch weiterhin sorgfältig und beliefert damit regelmäßig den Don José-Patrón.
* * *
Josef war nicht von ungefähr auf die Idee mit der Kaffeeplantage gekommen. Als er die Hacienda kaufte, war in einer Terrassenecke ein zwar geringer, dennoch nicht unbedeutender Anteil bereits mit Arabica-Kaffeebäumen bepflanzt. Da diese fast ständig in Blüte waren, konnte man über das ganze Jahr hinweg die roten Kirschen ernten. Deren geschälte Bohnen, die eigentlich Kerne waren, ergaben nach Trocknung und Röstung einen sehr aromatischen Aufguss.
Vater Schloß hatte schon vorweg auf einem abgezäunten Feld und angeleitet durch einen brasilianischen Kaffeespezialisten mit der Aussaat neuer Pflanzen begonnen. Nach dem Keimen hatten sie die Aufzucht neuer Setzlinge erfolgreich vorangetrieben. Ademir Pereira dos Santos hatte eine noble deutsche Schule in São Paulo besucht und dort sein Abitur gemacht, bevor sein Vater, ein reicher Kaffeebaron, ihn zu sich in die eigene Plantage holte. Ademir, ein sympathischer junger Mann, hatte sich irgendwann wegen einer sich anbahnenden Beziehung zu einer einfachen Pflückerin mit seinem Vater gestritten und war kurzerhand von zu Hause abgehauen. Er wanderte zunächst in Brasilien umher, dann überschritt er die Grenze nach Bolivien. Eines Tages kam er nach La Paz und lungerte des Öfteren bei einem Landsmann herum, der eine bescheidene Kaffeerösterei betrieb. Dort lernte er zufällig Josef Rembowski kennen, der bei diesem und anderen potenziellen Kunden wichtige Informationen für seine zukünftige Plantage einholte. Schließlich engagierte ihn Josef für jene Zeit, die Ademir benötigen würde, um die Guayrapata Kaffeeplantage in Gange zu bringen. Vater Schloß war jedenfalls ungemein stolz auf seinen „Kaffeekindergarten“ und beäugte misstrauisch jeden fremden pflanzlichen oder tierischen Eindringling, der seinen Schützlingen irgendeinen Schaden würde zufügen können.
* * *
Schon kurze Zeit nach Josefs Ankündigung beginnen die Peones mit der Rodung der Cocasträucher, die auf den lang gezogenen Terrassenanlagen wachsen. Man hat ihnen vorab eine Woche Freizeit gewährt, damit sie samt ihren Familien die Blätter von den Pflanzen abernten. Sie dürfen diese letztmalig auf dem Schieferplattenhof vor der Casa Vieja ausbreiten. Drei Mal täglich kommen ihre Frauen, um die trocknenden Blätter mit Reisigbesen zu wenden. Nach etwa einer Woche sind die Blätter trocken und werden in Jutesäcke gepresst.
Nachdem die Stufen eines Terrassensegmentes von den Cocapflanzen befreit sind, wird unter Ademirs Leitung zunächst die restlos ausgelaugte Erde mit gemischtem Muli- und Rinderstalldung gedüngt und mit reichlich frischem Wasser begossen. Erst eine Woche später werden die Beete mit neuer Muttererde, die man aus dem oben gelegenen Wald geholt hat, vermischt und untergegraben. Nach einer weiteren Woche werden die Kaffeesetzlinge eingepflanzt. Dank der optimalen Klima- und Umgebungsbedingungen werden sie in etwa drei Jahren eine üppige Blütenpracht entfalten und eine reiche Kaffeeernte liefern.
Wie von Geisterhand verschwinden indessen sämtliche während des Tages entfernten Cocapflanzen. Nach dem Arbeitsende der Peones befördern allabendlich Ademir, Urs Brunner und Josef Schloß unauffällig das unheilbringende Krautzeug auf Schubkarren davon. Später brennt lichterloh, hinter dem Hühnerstall verborgen, ein großer Scheiterhaufen. Seltsam geformte Rauschschwaden, die oft ungeheuren Tieren oder übernatürlichen